| Warum Aktien baden gehen Aktien sind nicht gerade der Hit dieses Sommers. Ginge es nur nach den aktuellen Unternehmens-Zahlen, dann müssten die Kurse steil nach oben gehen. Aber die überwiegend guten Nachrichten aus den Unternehmen wurden weggespült vom offenbar unaufhaltsam steigenden Ölpreis, dem großen Feind der Welt-Konjunktur. Derzeit gibt es noch ausreichend Öl, aber vielschichtige Interessen, vorhandene Ängste zu schüren. 50 Dollar je Barrel sind in greifbare Nähe gerückt. Und nun stellt sich die Frage, wann die Angst vor der Angst endlich zum Stehen kommt. Wir stecken in einem Sommerloch - wie jedes Jahr. Aber diesmal ist es besonders groß. Die Angst auch. Privat-Anleger halten sich weitgehend raus, Investment-Fonds halten so hohe Cash-Positionen wie selten. Unterm Strich hat das alles mit der Angst vor Versorgungs-Engpässen beim Erdöl zu tun. Und unter diesem Strich findet sich in der Tat einiges: Anschlagsdrohungen auf Pipelines oder Verladestationen, innenpolitische Probleme beim fünftgrößten Erdöl-Exporteur der Welt - in Venezuela, Auseinandersetzungen um den russischen Öl-Konzern Jukos und natürlich steigende Nachfrage nach dem schwarzen Gold generell. Ölpreis-Spirale dreht sich nicht ewig Dabei bleibt weitgehend außer acht, dass die Erdöl exportierenden Länder ein ureigenes Interesse daran haben, ihren kostbaren Rohstoff zu exportieren. Das relativiert wenigstens die Angst bezüglich Venezuela und Russland samt Jukos. Aber in ihrer Summe sorgen all diese Faktoren erst einmal für Unsicherheit. Und da kann augenblicklich nicht viel Entlastendes entgegen gesetzt werden. Und auch der vielstimmige Chor, den Experten jeglicher Couleur täglich neu anstimmen, trägt nicht gerade zur Beruhigung bei. Die einen malen das Horror-Szenario einer abgewürgten Weltkonjunktur an die Wand, während andere ungerührt davon ausgehen, dass sich auch die Ölpreis-Spirale nicht ewig drehen wird und als vorübergehende Erscheinung keine nachhaltigen Bremsspuren in der Ökonomie hinterlässt. Spiel mit der Angst Was den Ölpreis letztendlich stetig auf neue Rekordhöhen treibt, ist nicht eindeutig ausgemacht. Aber zu viele werden reich und reicher bei diesem Spiel mit der Angst. Denn es wird ja auch gewettet. Zum Beispiel werden schon heute Ölmengen gekauft und bezahlt, aber erst im September geliefert. Wenn bis dahin der Ölpreis nur zehn Prozent höher liegt, ist das natürlich für jeden Investor ein Bombengeschäft. Und dass noch viel mehr "drin" ist, zeigen die vergangenen vier Wochen: Der Ölpreis stieg während dieser Zeit sogar um 15 Prozent. Dagegen kann man momentan fast jedes Engagement in Aktien "vergessen". Tanker in Warteschleifen auf dem Meer Wie groß die aktuelle Spekulationsblase beim Erdöl tatsächlich ist, kann man nur vermuten. Aber immerhin groß genug, dass sich beim G8-Gipfel kürzlich die Regierungs-Chefs der führenden Industrie-Länder dafür aussprachen, mit einer "höheren Transparenz der Märkte Spekulationen an den Ölmärkten zu begegnen." Denn Spekulationen treiben neben allen begründeten Ängsten den Preis noch zusätzlich in die Höhe Angeblich fahren riesige Öl-Tanker, gefüllt bis zum Anschlag, solange über die Weltmeere, bis sich das Löschen in den Augen der Finanziers dieser kostbaren Fracht so richtig lohnt. Unter Umständen läuft die akute Ölpreis-Hysterie ähnlich ab wie die mit dem wahlweise "schwachen" oder "teuren" Euro. Auch da wurde viel spekuliert und viel hinein interpretiert. Und irgendwann war der Spuk zu Ende. Besteht die Hoffnung, dass für den Ölpreis die 50 Dollar je Barrel das sind, was für den Euro die 1,25 Dollar war: eine Grenze, die Spekulanten ins Auge gefasst hatten. Als beim Gezerre um diese Grenze offenbar genügend Reibach gemacht worden war, kehrte Ruhe ein. Möglicherweise könnte sich die Schere, die sich in den vergangenen Wochen zwischen Ölpreis und Aktienkursen zu ungunsten der Aktien geöffnet hat, schon bald wieder schließen. Von Brigitte Weining, heute.t-online |