Bayer: Ministerium erhebt schwere Vorwürfe nach Lipobay-Debakel Von Martin Murphy, Hamburg
Das Bundesgesundheitsministerium hat schwere Vorwürfe gegen Bayer erhoben. Viel zu spät habe der Pharmakonzern die zuständige Behörde über die Gefahren von Lipobay/Baycol informiert.
Das sagte Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, am Donnerstag. Bayer habe bereits am 15. Juni eine Studie über die Risiken vorgelegen. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hätte "die Sachlage ändernden Informationen" aber erst am 10. August erhalten, sagte Schröder. Die Informationspolitik von Bayer sei "unakzeptabel". Ein Sprecher des Konzern wollte die Anschuldigungen nicht kommentieren. Das Gesundheitsministerium will nun die Regeln der Arzneimittelsicherheit umfassend überprüfen, kündigte Schröder an.
Schröder begrüßte ausdrücklich die geplante Verbesserung der Arzneimittelhaftung. "Die Beweiserleichterung und die Sicherung des Schmerzensgeldanspruches, der sich in allen Fällen der Gefährdungshaftung, also unabhängig der Verschuldungsfrage, ergibt, sind ausdrücklich zu begrüßen".
Verschärfung
Die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) in London hatte bereits am 26. Juni Bayer auf dem Weg über die nationalen Behörden aufgefordert, innerhalb von nur 24 Stunden den Beipackzettel des Medikaments zu ändern und vor Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten zu warnen. "Dieser Aufforderung hat Bayer auch sofort Folge geleistet", sagte Noel Wathion, der zuständige Referatsleiter der EMEA, der dpa in London. Damals habe man noch keinen Anlass dazu gesehen, die Rücknahme vom Markt zu fordern. Nach eigener Darstellung hatte Bayer den Beipackzettel aus "eigenem Antrieb verschärft". Es sei explizit auf die Wechselwirkungen mit dem Wirkstoff Cerivastatin hingewiesen worden, sagte der Sprecher der FTD.
US-Listing droht Verzögerung
Das 1997 eingeführte Lipobay/Baycol wird mit 52 Todesfällen infolge einer Form von Muskelschwäche in Verbindung gebracht. Noch ist allerdings unklar, ob das Medikament die Todesursache war. Vergangene Woche hatte Bayer Lipobay/Baycol vom Markt genommen. Ungeachtet dessen haben Anwälte in den USA bereits Schadensersatzklagen gegen Bayer eingereicht. In Deutschland werden ebenfalls juristische Schritte vorbereitet.
Das Pharmadebakel bereitet Bayer auch in anderer Hinsicht Probleme. Das Listing an der Wall Street droht sich zu verschieben. Ursprünglich sollte dies am 26. September erfolgen. "Die Rahmenbedingungen für den US-Börsengang haben sich verändert", sagte der Bayer-Sprecher und bestätigte damit einen Bericht des "Handelsblattes". Über eine Verschiebung gebe es allerdings noch keine Entscheidung.
Dem Aktienkurs hat das Pharmadebakel auf jeden Fall nicht gut getan. Die Papiere verloren bis Donnerstagmittag knapp 6,5 Prozent auf 32,68 Euro. Beim Vermarktungsstopp von Lipobay/Baycol vergangene Woche notierten Bayer noch bei 45 Euro.
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