0 Euro Umsatz, aber im TecDax
Der Neue Markt ist tot - es lebe der Neue Markt: Das Internet-Unternehmen Combots AG macht keinen Umsatz, schreibt Verluste und ist trotzdem an der Börse notiert. Allerdings sind die Aktionäre bei der Bewertung des Unternehmens im Vergleich zu früheren Jahren deutlich vernünftiger. von Thomas Hammer
"Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich", sagte einst der Schriftsteller Mark Twain. Seit sich die Kurse vieler Internet-Aktien in den vergangenen zwei Jahren erholt haben, ist dies immer häufiger zu beobachten, wenn es um Dotcoms, digitale Revolutionsfantasien und die dazugehörigen Geschäftsideen geht.
Dieser Tage hat nun ein Unternehmen, das an der Börse immerhin mit einer halben Milliarde Euro kapitalisiert und im TecDax notiert ist, eine interessante Quartalsbilanz veröffentlicht: Null Euro Umsatz und 8,3 Millionen Verlust, erwirtschaftet mit 153 Angestellten. Eine börsennotierte Auffanggesellschaft, die noch mehr Hartz-IV-Fälle verhindern soll? Nein, es handelt sich um die Combots AG aus Karlsruhe, und die will nach Aussage ihres Vorstandsvorsitzenden Michael Greve die "weltweit erfolgreichste Firma für Personal Digital Communication" werden.
Kernprodukt des Unternehmens ist eine gleichnamige Software, mit deren Hilfe die Internet-Kommunikation zwischen Freunden lustig, einfach und hip werden soll. Eine Vorabversion ist schon auf der Combots-Website zu finden, der offizielle Start soll Anfang September auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin sein. Fotos und Filmchen durch einfaches Ziehen und Klicken an Freunde senden, beim Online-Telefonat Gefühlssymbole hin- und herschicken, die Kontakte mit animierten Cartoons statt mit Fotos symbolisieren - mit diesen Ideen wollen die Karlsruher die Welt erobern.
Trüben könnte die Euphorie indes die Tatsache, dass es die meisten Elemente der angeblich revolutionären Software schon gibt. Auch bei Skype lässt sich beim Telefonieren so manches hin- und herschicken, Instant Messenger gibt es schon und das Versenden von Fotos per E-Mail ist selbst für Computerlaien nicht wirklich schwierig. Für den Vorstandschef ist das kein Einwand: Schon vor der Einführung des iPod habe es MP3-Player gegeben, und trotzdem sei Apple heute Marktführer, sagte Greve jüngst in einem Interview. Dass Apple schon zum Zeitpunkt der iPod-Einführung eine Kultmarke war und diesen Nimbus nicht erst erarbeiten musste, blieb unerwähnt.
Eine weitere offene Frage ist die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells. Verbreiten will das Unternehmen seine Software nach dem Kettenbrief-System: Jeder Nutzer soll ein paar Freunde einladen, und nach kurzer Zeit soll die halbe Welt mit Combots kommunizieren - so jedenfalls die Vision von Greve. Fürs schnöde Geld hat man schnell noch den Begriff "Friendly-Ware" erfunden: Wer Lust hat, zahlt zwei bis drei Euro pro Monat, wer keine Lust hat, kann das System gratis nutzen. Cartoonfiguren können für einen Euro pro Stück heruntergeladen werden. Ob sich mit dieser philanthropischen Strategie und mit einer Zielgruppe, die mit dem kostenlosen Tausch von Online-Musik die Musikbranche in eine tiefe Krise gestürzt hat, Geld verdienen lässt - das darf bezweifelt werden.
Trotz der hohen Marktkapitalisierung ist man bei Combots mit dem Aktienkurs nicht zufrieden: "Der Kurs spiegelt in keiner Weise das Potenzial wider", schreibt das Unternehmen schon fast beleidigt auf seiner Website. Die Marktkapitalisierung entspricht nämlich ziemlich genau der Höhe der liquiden Mittel von rund 450 Millionen Euro, die vor einem Jahr aus dem Verkauf des bekannten Internetportals Web.de an United Internet zugeflossen sind. Doch bevor die Aktionäre die gleichen Visionen wie der Vorstand bekommen und den Kurs in die Höhe treiben, wollen sie offensichtlich erst einmal konkrete Geschäftserfolge sehen. Bis dahin tun sie das, was vernünftig ist: die Combots AG als Investmentfonds mit angehängtem Internet-Experimentierlabor zu bewerten. Zumindest in diesem Fall reimt sich zwar die Geschichte des Neuen Marktes, aber sie wiederholt sich nicht. |