News - 06.11.07 09:28 Goldrausch in München
Der Goldpreis ist auf Rekordjagd, am vergangenen Freitag erreichte er ein neues 28-Jahre-Allzeithoch: Der Zeitpunkt für die dritte Edelmetall- und Rohstoffmesse hätte besser nicht sein können, dementsprechend positiv fiel das Fazit der Veranstalter aus. Mehr als 4 000 Privatanleger waren vor Ort - doppelt so viele wie im Vorjahr.
MÜNCHEN. Warum kennt der Münchener Taxifahrer seine eigene Stadt nicht? Zur Event-Arena im Olympia-Park soll es gehen. Dann diese Kurverei. Fast eine halbe Stunde dauert es am Freitagmorgen vom Bahnhof bis zum Ziel. Endlich, kurz vor 9.30 Uhr ist der Besucher an der ehemaligen Radsporthalle. Er will pünktlich bei Öffnung der Tore zur dritten Edelmetall- und Rohstoffmesse sein. Organisator Frank Hoffmann von Goldseiten.de hat rund 80 Minengesellschaften und fast eben so viele Rohstoffhändler, Vermögensverwalter und einschlägige Goldexperten zusammengetrommelt.
Der Zeitpunkt für die zweitägige Veranstaltung ist perfekt gewählt: Als die ersten Besucher durch den Eingang strömen, wissen sie noch nicht, das der Goldpreis an diesem Tag zum ersten Mal seit 28 Jahren die Marke von 800 Dollar je Unze überspringen wird. Über 4 000 Privatanleger zählt der Veranstalter am Ende. Das ist fast doppelt so viel wie vor einem Jahr. Die internationale Finanzkrise hinterlässt ihre Spuren.
Einmal eingetreten, öffnen sich für den Besucher nach wenigen Metern die Gänge mit den Ausstellungsständen. Ganz links am Stand Nummer 12 von MP Edelmetalle sammelt sich das Publikum. In einer Glasvitrine liegen Gold- und Silbermünzen. MP-Chef Gerrit Homrighausen hat kaum Zeit für Gespräche. "Ja", sagt er, "die Nachfrage ist enorm gestiegen". Dann wird er schon unterbrochen. "20 Eagles an den Herrn", ruft er seinem Mitarbeiter zu und zeigt mit dem Finger auf den Käufer. Der hat 20 Exemplare der Ein-Unzen-Silbermünze American Eagle geordert, säuberlich verpackt, Stückpreis 12,70 Euro. Goldmünzen werden weniger verkauft. Klassiker wie der Krügerrand oder der kanadische Maple Leaf sind mit Preisen um die 580 Dollar weit teurer. Silber kann der Messebesucher nebenbei aus dem Geldbeutel bezahlen.
Ein paar Meter weiter lockt der erste Aktienfondsanbieter. Era Resources sucht nach günstigen Gold- und Silberwerten. Die Manager Werner Ullmann und Eckhart Keil machen auch Stimmung für weniger bekannte Metalle wie Wolfram, Niob und Tantal - alle wichtig für die Produktion von High-Tech-Produkten. Kleine Holzkisten mit Schokoladenmünzen in Goldfolie sollen Interessenten zusätzlich anlocken.
Am Ende des Ganges gibt es noch mehr fürs Auge. Der Blick bleibt an dem älteren Herrn hängen, der scheinbar unbeteiligt auf einem Stuhl hockt, direkt neben ihm eine Palette mit glänzenden Zinnbarren, etwas weiter hinten ein zweiter und noch größerer Stapel mit matt-silbrigen Magnesiumbarren. Der Aufpasser soll Langfinger abschrecken.
Die Paletten gehören Crystal Investment Consultants. "Ein Glück, dass wir die reinbekommen haben", sagt Chef Roman Hinz, "der Hausverwalter hatte erst Angst, dass der Boden unter den Tonnengewichten durchbricht". Der Boden hat gehalten. Crystal bietet Beteiligungen an Industriemetallen an. Hier kann der Besucher noch was lernen. Es geht nicht nur um Kupfer & Co., sondern auch um so genannte "Seltene Erden". Die Namen dieser speziellen Metalle kennt außer den Insidern niemand. Oder wer hat schon etwas von Europium, Yttrium oder Neodym gehört?
Etwas weiter lädt ein großer Vortragsraum ein zum Besuch. Dennoch: Die 200 verfügbaren Sitzplätze reichen praktisch nie. Egal, ob die eingeflogenen US-Rohstoffanalysten Frank Veneroso und David Morgan sprechen, der "Crash-Prophet" Roland Leuschel oder die Fondsmanager Martin Siegel und Uwe Bergold - stets müssen einige Zuhörer stehen. "Jetzt müssen wir wohl Klappstühle mitbringen", bemerkt ein Händler. Aber die überzähligen Besucher sind genügsam und setzen sich vielfach einfach auf den abgenutzten Boden.
Beim Blick auf die Besucher fällt auf: Die Zeiten haben sich geändert. Es kommen nicht mehr nur ältere Herren. Die Hausse der Rohstoffpreise lockt allmählich auch jüngere Besucher auf die Messe - und mehr Frauen. Erstaunlich nüchtern reagieren sie alle auf die eher trockene Materie. Aber die Eskalation der Finanzkrise gibt allen Anlass für vollmundige Kommentare. "In den nächsten Jahren geht Gold auf 2 500 Dollar, Silber von jetzt über 14 auf 100 Dollar", prophezeit David Morgan.
Wer es noch wagemutiger mag, hört einfach Uwe Bergold zu, der die wachsende Inflationsgefahr beschwört: "Kann schon sein, dass der Dow-Jones-Index noch auf 30 000 Punkte geht, aber dann geht auch Gold auf 30 000 Dollar je Unze." Wer klare Worte sucht, der hört sie aus seinem Mund: "Goldminenaktien werden sich jetzt vervielfachen, aber dann brauchen Sie psychologische Betreuung, weil die anschließend um 70 Prozent fallen werden."
Nach Bergolds Vortrag löst sich die Menschentraube um ihn herum nur langsam auf. Das gibt den Blick frei auf den Stand des Metallhändlers Pro Aurum, der ebenfalls dicht umlagert ist. Davor eine Kleinfamilie mit dem wohl jüngsten Messebesucher: Caroline, neun Monate alt, nuckelt im Kinderwagen am Schnuller. Die Kleine weiß nicht, dass ihr Vater für sie schon in Gold angelegt hat. "Gut, wenn man es hat", sagt der Papa.
Nach einer scharfen Linkskurve wird es eng am kleinen Stand vom Taurus Investors. Kaum ein Durchkommen. "Das ist ja wie auf dem arabischen Basar", wundert sich Taurus-Chef Wolfgang Weber. Schlag auf Schlag geht die Ware weg. Vor allem Silbermünzen, aber auch der Ein-Kilo-Silberbarren von den Cook Islands. Webers Mitarbeiter kommt kaum nach. Vor ihm ein 30-Kilo-Silberbarren, der als Tresen herhalten muss. Die Kunden nehmen die georderte Ware in Empfang und legen dafür das Geld auf den Barren. Weber und seine Mannen haben Mühe die eingenommene Banknoten noch in irgendwelchen Schachteln unterzubringen - so gut läuft das Geschäft. Ein junger Mann mit studentischem Aussehen interessiert sich auch. Ein Silberbarren würde noch in seine Umhängetasche passen. Aber er kann sich nicht so recht entscheiden und vertagt den Kauf. "Ich habe schon zwei Kilo Silber, aber für die Altersvorsorge reicht das natürlich nicht", sagt er.
Anschließend geht es in die Mittagspause. Nur wenige Schritte entfernt lockt das Catering. Zur Wahl stehen Reispfanne und die etwas teurere marinierte Putenbrust zu 7,70 Euro. An einem der Stehtische hat sich eine Dreiergruppe von Privatanlegern eingerichtet. Das Trio macht in Goldaktien und ist vor allem der Vorträge wegen angereist. "Ich habe extra deswegen meinen Malerbetrieb geschlossen", sagt einer von ihnen.
Nach dem Lunch ab durch die letzten Gänge. Bei der Münzhandlung Göbel langt eine Dame zu. Die Mittdreißigerin kauft die australische Kookaburra-Münze in Silber, allerdings in der Zwei-Unzen-Variante. Sie hat schon Edelmetall, alles in Münzenform. Und sie macht aus ihren Ängsten keinen Hehl: "Es steht schlecht um die Weltwirtschaft, deshalb kaufe ich - zur Sicherheit."
Quelle: Handelsblatt.com
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