Du hast ja bedauert, dass sich kein Experte gefunden hat, der etwas Kompetentes zu NSN zu sagen hätte. Ich denke, das kommt nicht von ungefähr und ist auch eines der Hauptprobleme, die ich mit der neuen Nokia habe. Gerade für den Kleinanleger ist es wesentlich schwerer, Strategie und Marktchancen eines Netzwerkausrüsters einzuschätzen als das bei der D&S-Sparte der Fall war, da dies eine recht hohe Expertise voraussetzt. Bei der D&S-Sparte hast du sinnlich fassbare Informationen, durch die du auch als "Laie" relativ gut einschätzen kannst, wie sich der Geschäftsbereich entwickelt. Du kannst z.B. beurteilen, wie die Marke und die Geräte positioniert werden, welche Qualität die Geräte im Vergleich zur Konkurrenz aufweisen. Man kann auch ganz gut abschätzen, wieviele Geräte sich verkaufen und sogar ungefähr wie hoch der ASP sein wird, ob man die Geräte auf der Straße sieht und vieles, vieles mehr. All diese für prinzipiell jeden beobachtbaren Aspekte wurden ja auch hitzig und ausführlich diskutiert und entsprechende Schlüsse gezogen. Diese vergleichsweise hohe Transparenz existiert in der abstrakten Welt der Netzwerksparte nicht, in der es keine Amazon-Charts und keine NSN-Gadgets gibt, mit denen die Leute in der U-Bahn rumspielen. Meistens beschränken sich die Informationen, die man über die Medien bekommt darauf, dass NSN diesen oder jenen Auftrag mit einem bestimmten Volumen an Land gezogen hat. Du hast ja auch auf zahlreiche Erfolgsmeldungen verwiesen. Ich finde es relativ schwer, diese Meldungen sinnvoll einzuschätzen. Nun, NSN bekommt beispielsweise den Zuschlag für einen Auftrag in Höhe von 150 Mio. Dollar von Vodafone Indien. Kannst du etwas darüber sagen, wie hoch die Margen sein werden? Wie knapp NSN kalkulieren musste, um den Auftrag zu bekommen? Ich kann es nicht. Nicht anders ist es auch mit dem big picture. Wie ist NSN technisch im Vergleich zu den Konkurrenten aufgestellt? Welche Restrukturierungen werden noch notwendig sein, wie sehen diese Restrukturierungen überhaupt aus? Ich kann wenig darüber sagen. Kurz: Im Vergleich zur D&S-Sparte ist NSN für mich eine Blackbox. Bei Here ist nicht ganz so schlimm mit der Undurchsichtigkeit, aber auch hier ist es schwer, die bekanntgewordenen Deals finanziell einzuschätzen. Um diese Informationsdefizite zu beseitigen, müsste man sehr viel Zeit investieren, um eine vernüftige Prognose über Zukunftsfähigkeit und Marktwert vornehmen zu können. Und selbst dann dürfte man mit den Informationsquellen, die einem als kleinem Investor zur Verfügung stehen, im Vergleich zu den "Profis" immer noch ziemlich schlecht dastehen. Dieser Umstand hält mich erstmal von einem größeren Engagment in Nokia ab. Du hast dich ja offenkundig mit den Bereichen intensiver auseinandergesetzt und deine Argumente sind reflektiert und durchdacht. Dennoch finde ich, dass sich auch in deinen Ausführungen das beschriebene Problem der prinzipiellen Undurchsichtigkeit von NSN und co. niederschlägt, indem z.B. ein Teil deiner Argumentation darauf beruht, dass du darauf vertraust, dass das Management sich bei der Neuausrichtung des Unternehmens schon etwas dabei gedacht haben wird oder relativ unkonkret auf mögliche Zukunftsfelder verweist. Das ist überhaupt nicht abschätzig gemeint, es zeigt meiner Meinung aber, wie schwierig es ist, auf Grundlage der verfügbaren Informationen konkrete Aussagen über die verbliebenen Geschäftsbereiche zu machen. Zudem ist meiner Meinung nach auf Grundlage der für mich dünnen Informationsbasis zu NSN und Here Skepsis durchaus angebracht. Die großen Gewinne von NSN wurden bisher fast immer Non-Ifrs verzeichnet, das heißt, wenn ich es richtig verstehe, durch Herausrechnung der Restrukturierungskosten. NSN ist aber von Anfang an ein Restrukturierungsfall gewesen. Weitere Entlassungen sind geplant, ich sehe daher nicht, warum die Restrukturierung abgeschlossen sein sollte. Wie Ellshare erwähnt hat, handelt es sich bei NSN womöglich um einen Dauerrestrukturierungsfall. Wie schon mal gesagt, kann ich mir außerdem nicht vorstellen, dass Siemens NSN für einen lächerlichen Preis von 1.7 Milliarden abgestoßen hätte, wenn NSN diese Summe in ein oder zwei Jahren an Gewinn wieder reinholen würde. Das spricht wohl dafür, dass Siemens die Zukunftsfähigkeit von NSN nicht so hoch eingeschätzt haben kann. Bei Here (und vorher Navteq) ist es nicht so viel anders, was die Restruktierungsphase betrifft, die seit mindestens über zwei Jahren anhält und den Bereich permanent in die roten Zahlen führt. Auch hier droht möglicherweise eine Dauerbaustelle, deren Ende nicht absehbar ist. Was die Erfolgsmeldungen bei Here angeht, sollte man auch vorsichtig sein. Aufträge von Autofirmen zu bekommen, gehört zum normalen Geschäft eines Navigationsunternehmens. Erfolgsmeldungen dieser Art wurden bereits die letzten eineinhalb Jahre im Forum häufig bejubelt. Umsatz- und gewinnmäßig positiv niedergeschlagen hat es sich aber bisher nie. Schwer abzuschätzen, ob, wie und wann sich das ändern wird. Klar, die Börse handelt ja bekanntlich die Zukunft, aber die erscheint mir, wenn ich das so betrachte, bei Nokia derzeit etwas zu sehr auf eine relativ unspezifisch bleibende Hoffnung gegründet. Und das reicht mir halt nicht bei einem aktuellen Marktwert von 18 Milliarden. Sicherlich gibt es auch durchaus positive Aspekte und Chancen, die ja z.B. von dir überzeugend dargelegt wurden. Mir ging es hier lediglich darum, ein paar (in meinen Augen) Schattenseiten zu beleuchten, die für mich gegen eine Investition in Nokia sprechen. Ist in keiner Weise eine Empfehlung und hat auch nicht die Bohne mit Neid zu tun, wie ja bisweilen hier im Forum unterstellt wird. Grüße von karlstadt |