HANDELSBLATT, Mittwoch, 08. Juni 2005 Solarhersteller frösteln vor der Neuwahl Von Bernward Janzing
Man kann es bedenkenlos als Boom bezeichnen, was sich derzeit in der deutschen Solarindustrie abspielt: Mit rund 400 Megawatt neu installierter Kraftwerksleistung rechnet die Solarstrombranche für das laufende Jahr in Deutschland. 360 Megawatt waren es im vergangenen Jahr. Zur Einordnung: Mitte der 90-er Jahre lagen die jährlichen Verkaufszahlen in Deutschland noch im einstelligen Megawatt-Bereich.
Es herrscht Ausnahmezustand: Schon seit vergangenem Jahr sind Solarmodule knapp. Für die Solarfirmen ist die Situation natürlich einerseits positiv. Andererseits aber ist für jeden Firmenchef die Entscheidung, ob er die Kapazitäten seines Unternehmens ausweiten soll, schwierig. Denn der aktuelle Markt kann nicht als seriöse Planungsgrundlage für Millioneninvestitionen dienen – schließlich steht fest: Es werden auch wieder trübere Zeiten kommen.
Der Rückgang der Einspeisevergütung, der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit jährlich fünf Prozent für Neuanlagen festgeschrieben ist, ist für die Branche dabei gar nicht das Problem. Denn diesen Rückgang – davon ist die Solarwirtschaft überzeugt – werde man durch mengenbedingte Effizienzgewinne auffangen können. In der Tat zeigt die Erfahrung der Vergangenheit, dass gemäß der so genannten „Lernkurve“ jede Verdopplung der produzierten Menge bei der Photovoltaik einen Preisrückgang von 18 Prozent bringt.
Problematischer als die sinkende Vergütung sind politische Unsicherheiten. Denn die Photovoltaik braucht noch auf Jahre hinaus staatliche Unterstützung – der Markt hängt also stark vom Wohlwollen der jeweiligen Regierung ab. Und da der deutsche Markt derzeit fast 90 Prozent des europäischen Marktes und immerhin 39 Prozent des Weltmarktes ausmacht, kommt der deutschen Förderpolitik auch international eine enorme Bedeutung zu.
Die kritische Frage stellt sich mit den Neuwahlen im Herbst voraussichtlich früher als erwartet: Auf welche Rahmenbedingungen trifft die Solarwirtschaft nach der Bundestagswahl? Da die Solarunternehmen für Investitionen in weitere Fertigungsanlagen eine Planungssicherheit von etwa zehn Jahren brauchen, haben sie ein Problem. Und da „Wahljahre immer Bremsjahre für die Photovoltaik waren“, wie man beim Berliner Solarzellenhersteller Solon beobachtet hat, kann die Branche nur versuchen, sich noch eilig möglichst gut zu positionieren.
Momentan wird zwar noch investiert, doch das Engagement ist von Vorsicht geprägt. Neue Fertigungsanlagen kommen schließlich für den aktuellen Boom ohnehin zu spät. Modulhersteller brauchen 9 bis 12 Monate Vorlauf, gar 15 bis 18 Monate benötigen die Hersteller der Wafer – also der Siliziumscheiben, aus denen die Solarzellen entstehen.
Trotz der politischen Unsicherheiten gibt sich die Branche optimistisch, und glaubt unabhängig von der politischen Couleur der Bundesregierung an die Zukunft des Solarstroms: „Die Sympathie für die Sonne geht durch alle politischen Parteien, die Gesellschaft will die Solarenergie“, sagt Georg Salvamoser, Gründer und Chef der Freiburger Solar-Fabrik. Undenkbar sei es für ihn, dass der Markt zusammenbreche – auch bei einem möglichen Regierungswechsel in Deutschland.
Mittelfristig haben die Hersteller ohnehin mehr im Blick als den deutschen Heimatmarkt. Sie blicken längst auf jene Länder, die sie im Moment mangels Masse gar nicht beliefern können – Brasilien, Südafrika oder China. Dort bauen viele Firmen Kontakte für die Zukunft auf, um Rückgänge in Deutschland teilweise auffangen zu können.
Unter denen, die auf eine Beruhigung der überhitzen deutschen Solarstrombranche hoffen, sind übrigens inzwischen auch einige Anbieter von Solarthermie, also von Anlagen zur solaren Wärmegewinnung. Nach einer Umfrage des Fachmagazins „Solarthemen“ beurteilt jeder dritte Hersteller und Händler solarer Wärmeanlagen den Boom des Solarstroms bereits als negativ für das eigene Geschäft. Denn zurzeit neigen Solarfreunde infolge der guten Einspeisekonditionen für Solarstrom dazu, ihre Dachflächen maximal zur Stromerzeugung zu nutzen. Die Solarthermie bleibt auf der Strecke: Mit 750 000 Quadratmetern wurden 2004 rund 20 Prozent weniger Kollektoren verkauft als drei Jahre zuvor. Aus ökologischer Sicht ist diese Entwicklung unbefriedigend: Sonnenkollektoren erzielen, gemessen an den vermiedenen CO2-Emissionen, eine mehrfache Umweltentlastung je Quadratmeter im Vergleich zu Solarzellen. |