BLOCKIERTE ÜBERNAHME
Springer will ProSieben verkaufen
Die Karten im Streit um die Übernahme der TV-Gruppe ProSiebenSat.1 durch den Springer Verlag werden neu gemischt. Springer bietet die Trennung vom Sender ProSieben an, um Widerstände beim Kartellamt und der Medienkommission KEK auszuräumen - möglicherweise mit Erfolg.
Berlin/Hamburg - Der Vorstand habe entschieden, dem Bundeskartellamt den Verkauf des Senders ProSieben nach Vollzug der Übernahme anzubieten, heißt es in einer Pflichtmitteilung des Axel Springer Verlags. Im Gegenzug hofft der Medienkonzern demnach auf eine "kartellrechtlichen Freigabe" des Geschäfts. Für Springer blieben dann noch die Kanäle Sat.1, Kabel1 und N24.
REUTERS ProSiebenSat.1-Gruppe: Springer hofft auf "kartellrechtliche Freigabe" Springer beruft sich auf ein Schreiben der Wettbewerbshüter vom 11. Januar, wonach diese den Verkauf von ProSieben an einen unabhängigen Erwerber vor Vollzug der Übernahme fordern. Springer wolle nun mit den Verkäufern von ProSiebenSat.1 prüfen, ob die vorgeschlagene Gestaltung wirtschaftlich und rechtlich überhaupt umgesetzt werden kann.
Springer hatte im August mit einem Konsortium um den amerikanisch-israelischen Investor Haim Saban die Übernahme der Mehrheit an ProSiebenSat.1 vereinbart. Die Transaktion steht unter Vorbehalt kartellrechtlicher und medienaufsichtsrechtlicher Genehmigungen.
Kartellamt reagiert positiv
Mit der Offerte, sich von ProSieben zu lösen, vollzieht Springer eine Kehrtwende. Den Verkauf eines großen Senders hatte das Verlagshaus bislang strikt abgelehnt. Alternativ hatten die Wettbewerbshüter die Veräußerung der auflagenstarken Springer-Boulevardzeitung "Bild" gefordert, was der Konzern als völlig abwegig bezeichnet hatte. Morgen läuft die Frist für Springer ab, der Behörde mit neuen Vorschlägen entgegenzukommen. Bis zum 20. Januar will sich das Kartellamt endgültig entscheiden.
Das Amt reagierte positiv auf das aktuelle Angebot. Die Wettbewerbsbedingungen auf dem Fernseh-Werbemarkt würden sich durch den Verkauf des quotenträchtigen Senders und die getrennte Vermarktung der Werbezeiten wesentlich verbessern, teilte die Behörde mit. Dies würde schwerer wiegen als die durch die Fusion befürchteten Verschlechterungen auf den Leser- und Anzeigenmärkten. Freilich beharrt das Kartellamt darauf, dass der Sender vor dem Vollzug der Fusion an einen unabhängigen Käufer gehen müsse.
KEK zeigt sich kompromissbereit
Gleichzeitig könnte Springer durch die Trennung von ProSieben auch Bedenken bei der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zerstreuen. Die KEK hatte die Fusion gestern mit Verweis auf Gefahren für die Pressevielfalt untersagt. Die starke Position von ProSiebenSat.1 im privaten Fernsehen in Kombination mit der überragenden Stellung des "Bild"-Verlegers Springer in der Tagespresse führe zu einem Einfluss, der einem Zuschaueranteil von mehr als 42 Prozent im deutschen Fernsehen entspräche, hieß es zur Begründung.
Falls Springer beim Kauf des Fernsehkonzerns ProSiebenSat.1 einen der beiden großen Sender der Gruppe nicht mit erwerben würde, sei eine nachträgliche Genehmigung möglich, sagte der KEK-Vorsitzende Dieter Dörr der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" laut Vorabbericht. "Springer müsste dann einen neuen Antrag stellen. Und falls das Unternehmen auf ProSieben oder Sat.1 verzichtet, würden wir diesem auch zustimmen", sagte Dörr.
Widerstand bei ProSiebenSat.1
Widerstand gegen einen Verkauf von ProSieben zeichnet sich dagegen in der Sendergruppe selbst ab. Der Vorstand könne einem Verkauf des Stammsenders nicht zustimmen, weil dieser Schritt nicht im Interesse des Unternehmens sei, hieß es in Branchenkreisen. Die Integration von Sat.1 sei nicht einfach gewesen, nun gebe es zahlreiche Synergien zwischen den beiden Hauptsendern der TV-Gruppe. ProSieben hatte jahrelang den Großteil der Gewinne für den Konzern beigesteuert.
ProSieben gilt als Kern von ProSiebenSat.1. In den ersten neun Monaten 2005 stieg der Umsatz des Senders leicht auf 532 Millionen Euro. Der Gewinn vor Steuern ging von gut 115 auf 110,5 Millionen Euro zurück. Damit steuerte ProSieben mehr als die Hälfte des Konzerngewinns von knapp 203 Millionen Euro bei.
Mögliche Käufer
Über mögliche Käufer für Teile von ProSiebenSat.1 hatten Beobachter in den vergangenen Tagen bereits spekuliert. Die meisten Interessenten, die für einen solchen Deal in Frage kämen, stammen aus den USA oder werden von angelsächsischen Investoren kontrolliert. Am häufigsten wird derzeit die Amsterdamer Gruppe SBS Broadcasting genannt, die 16 Free-TV-Sender und 20 Abo-Kanäle umfasst und besonders in Belgien, den Niederlanden und Skandinavien stark ist. Insgesamt kommt sie europaweit auf rund 100 Millionen Zuschauer.
Die Gruppe wird von der luxemburgischen TV-Holding TVSL beherrscht, die wiederum den Finanzinvestoren KKR (USA) und Permira (Großbritannien) gehört. Geschäftsführer von TVSL ist der Schweizer Markus Tellenbach, der als Chef von Premiere schon Erfahrungen im deutschen TV-Geschäft sammelte. Tatsächlich soll Springer am Wochenende mit SBS über einen Verkauf von ProSieben verhandelt haben - auf die Schnelle haben die Gespräche aber zu keinen Ergebnissen geführt.
Auch der amerikanische TV-Konzern NBC Universal wird immer wieder als Interessent genannt - seit dem vergangenen Jahr betreibt er in Deutschland den Spielfilmarchiv-Abspielkanal "Das Vierte". NBC indes hat ein Interesse an einem Einstieg bei ProSieben dementiert. Dass TF1 aus Frankreich gern auf den deutschen Fernsehmarkt expandieren würde, ist hingegen kein Geheimnis: Die Franzosen haben Döpfner bereits eine Zusammenarbeit angeboten. In Frage könnte schließlich noch Viacom kommen, der Mutterkonzern des Filmstudios Paramount und des multinationalen Musikkanals MTV.
Für eine Übernahme könnte auch der Heinrich Bauer Verlag bereit stehen. Der Hamburger Medienkonzern hatte bereits vor zwei Jahren für ProSiebenSat.1 geboten, zog sich aber zurück und überließ Saban das Feld. "Ein theoretisches Interesse besteht", sagte Verlagssprecher Andreas Fritzenkötter zu SPIEGEL ONLINE. Da Bauer bei Zeitschriften ("TV Movie", "Maxi", "InTouch") auf ähnlich hohe Marktanteile kommt wie Springer bei Zeitungen, müssten sich die Hamburger ihrerseits kritische Nachfragen der KEK und des Kartellamtes anhören. Vor allem aber müssten sie sich von ihrem 31,5-Prozent-Anteil an RTL II trennen. |