Zwei Gedankengänge zur Rolle von Braun will ich gerne vorstellen. Bin für Feedback, Korrekturen und Ergänzungen jederzeit offen.
1) Bis jetzt ist mir ebenfalls nicht klar, warum von Seiten der HF mit so viel Druck auf seinen Rücktritt hingearbeitet wurde (war doch so, oder? Zumindest TCI war da glaube ich recht aktiv). Wenn denen bereits bekannt war, dass Wirecard so große Leichen im Keller hat, kann denen doch eigentlich erst einmal egal sein, mit welchem Kapitän das Schiff kentert. Mir schien es sogar eher so zu sein, als dass der Rücktritt von Braun den Kurs nach oben bewegt hat. Dann wäre das sogar kontraproduktiv gewesen. Mögliche Erklärungen wären: a) Die wussten eben doch nicht genau/lange genug, wie groß die Leichen wirklich sind. b) Eine persönliche Befriedigung an seinem Abgang. c) Langfristig doch negative Auswirkungen auf den Kurs, z.B. wenn Braun verkaufen muss. Mag alles sein, scheint mir aber aktuell nicht der wahrscheinlichste Fall zu sein. (Ich maße mir aber keinesfalls an, clever als die HF zu sein) Vom Gefühl würde ich nun sagen, dass der Kurs - Stand jetzt - nach allem eher mit Freis als mit Braun nach oben (oder weniger nach unten) geht.
Jetzt nehme ich mal an, dass neben dem Kursverfall auch der Rücktritt von Braun wichtig war. Dann sehe ich erst einmal nur den offensichtlichen Zusammenhang zu seinen Beteiligungen. Er sollte weg, damit der Weg für einen Einstieg freier ist. Wie das genau aussehen könnte, kann ich derzeit absolut nicht einschätzen. Dass es um seine Rolle als Visionär/CTO ging und nun Wirecard dort geschwächt ist, kann ich mir nicht wirklich als primäres Ziel vorstellen - das scheint mir erst auf zu lange Zeit relevant zu werden.
2) Nun noch etwas ganz Subjektives von mir zu Braun als Person. Von seinem Auftreten bei Vorträgen etc. verbinden ihn meine Mustererkenner ziemlich stark mit dem "genialen MINT-Studenten", mit denen ich zu recht großer Anzahl zu tun hatte. Also richtig clever, technikbegeistert und im Zwischenmenschlichen tendenziell eher etwas ungeschickt/naiv. Wie weit das jetzt auf ihn persönlich zutrifft - absolut keine Ahnung! Trotzdem kann ich mir nach wie vor nicht vorstellen, dass so jemand über Jahre hinweg einen Betrug geplant hat. Ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren, aber momentan ist das meine Einschätzung. Mag sein, dass ihm jetzt vielleicht nicht erst am 18.06. morgens bewusst geworden ist, wie übel es gerade aussieht. Aber jahrelang schon? Kann ich mir persönlich nicht vorstellen - warum Absicht unterstellen, wenn Naivität ausreicht. Auch die Weise, wie er sich im Video-Statement verhalten hat und noch freundlich Freis vorstellt - da müsste er schon bis in jede Zelle eiskalt sein, das als Strippenzieher der ganzen Sache so durchzuziehen. Ebenso sein Twitter-Post nach dem Rücktritt "Wirecard has excellent employees, a strong business model, outstanding technology and abundant resources to ensure a great future." - warum bitte, wenn alles bis in die Tiefe nur Lug und Trug wäre? Das passt bei mir überhaupt nicht zusammen. Wie gesagt, ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und kann die existenzielle Angst/Frustration vieler Anlegen gerade gut nachempfinden (ein Blick auf den WDI-Bestand im Depot reicht).
In jedem Fall gehe ich erst einmal davon aus, dass weiterhin alles herausgehauen wird, um den Kurs weiter nach unten zu drücken. Egal ob es nur um den weiteren Profit durch Shortselling oder eine mögliche Übernahme geht - niedrige Kurse sind in beiden Fällen hilfreicher. Ich werde weiter halten, da ich es jetzt einfach wissen will. Gedanklich habe ich jede Aktie zu 1 Cent verbucht, um erst einmal loszulassen. Alles darüber nehme ich als Bonus wahr. Wenn ich am Donnerstagmorgen so falsch lag, wo Wirecard heute steht - dann lasse ich mich gerne überraschen, wie es 2025 aussehen wird ;-). |