Der rasant wachsende Handel mit CO2-Zertifikaten ist geprägt von Spekulation, Mitnahmeeffekten und kriminellen Machenschaften. Quelle: dpa
Amsterdam, ein heißer Abend im August: Marcel Melis sitzt im neunten Stock des World Trade Center und redet am Telefon auf einen Investor ein. Der 42-jährige Niederländer, Chef des Hedgefonds Energy Capital Management, spekuliert mit Strom und mit CO2-Zertifikaten, die ihren Besitzern das Recht geben, das Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen. Die Preise dieser Emissionsrechte sind nach oben geschossen: UN-Kontrolleure haben gerade verkündet, sie wollten für umstrittene Klimaschutzprojekte vorerst keine CO2-Zertifikate mehr vergeben.
Melis arbeitet an seinem Comeback. Im Krisenjahr 2008, als die Börsen weltweit crashten, hatte sein Fonds MMT Energy 24 Prozent gewonnen. Investoren vertrauten ihm 100 Millionen Euro an. Ende 2009 aber war die Party vorbei, Melis stand in den Miesen. Investoren zogen Gelder ab, Melis musste den Fonds im Mai schließen. Er bleibt dennoch optimistisch: "Im Strom- und Emissionshandel finden sich noch genügend Ineffizienzen, die Hedgefonds für sich nutzen können."
Ineffizienzen, Spekulanten, umstrittene Projekte - der 2005 gestartete Handel mit europäischen Emissionszertifikaten hat sich zu einem Milliardengeschäft für Finanzinvestoren und Energiekonzerne entwickelt. Es ist keineswegs ein makelloses Geschäft. Fonds und Investmentbanken gehen CO2-Wetten ein, Weltverbesserer kassieren mit angeblich klimaschonenden Projekten in der Dritten Welt ab, Betrüger ergaunern sich Steuervorteile. Die Rechnung begleichen wir alle - als Stromkunden und Steuerzahler.
Auch die Energiekonzerne mischen kräftig mit. Mithilfe günstig eingekaufter Emissionsrechte etikettieren sie schmutzigen, weil mit viel CO2-Ausstoß produzierten Strom in Ökostrom um - ohne dass auch nur eine einzige Kilowattstunde mehr Ökostrom produziert wird.
Emissionshandel und Ökostrom sollen, so die Botschaft der Regierenden, das Weltklima retten. Doch eiskalt nutzen Konzerne, Finanzjongleure, vermeintliche Weltverbesserer und Kriminelle die Schwächen des staatlich verordneten Klimaschutzsystems aus.
Mehr Markt wagen: Konzipiert waren die CO2-Zertifikate als marktwirtschaftliches Zaubermittel des EU-Klimaschutzes: Statt Industrie und Energiekonzerne mit einer CO2-Steuer zu knebeln, sollte der Markt regeln, wie sich vorgegebene Klimaziele am effizientesten erreichen lassen. Wer mit schmutzigen Technologien relativ stark die Erderwärmung treibendes CO2 emittieren will, muss Emissionsrechte kaufen.
Alle, die sauberer produzieren, können dagegen benötigte Emissionsrechte verkaufen - und im Idealfall die Erlöse weiter in CO2-sparende Technologien investieren.