Krisenstimmung weicht dem Optimismus, auch bei den Aktionären:
Aus der OTZ: Jahreshauptversammlung bei Intershop: Warum ein Aktionär zu singen beginnt Von OTZ-Redakteur Tino Zippel Apolda. In Sachen personelle Überraschungen konnte die gestrige Jahreshauptversammlung von Intershop nicht mit dem vergangenen Jahr mithalten. Dennoch rückte die turbulente Versammlung von 2008 nochmal ins Gedächtnis. Vorstand Henry Göttler persönlich war es, der den Blick zurück richtete: Keine zwölf Stunden im Amt, trat er das erste Mal als Vorstand vor die Aktionäre. Zuvor hatte er gemeinsam mit der Mitarbeiterschaft den Machtkampf gegen den vorherigen Chef Andreas Riedel gewonnen. Der bremste mehr als er lenkte und hatte den intern hoch angesehenen Dr. Ludger Vogt freigestellt. Das brachte die Mitarbeiter auf die Barrikaden, die schließlich den Aufsichtsrat überzeugten, Riedel des Amtes zu entheben.
Gestern nun saß der umgehend wieder eingestellte und Ende des Jahres zum Vorstand beförderte Vogt im Podium und stellte die guten Zahlen des vergangenen Jahres vor. Intershop schloss erstmals in der Geschichte mit einem Gewinn ab: 1,9 Millionen Euro standen auf der Habenseite des Softwareherstellers.
Dieses Resultat würdigten nicht nur einige Anteilseigner, selbst die kritischen Aktionärsschützer lobten den Vorstand. 99,9 Prozent des anwesenden Kapitals entlasteten Vogt, 91 Prozent Göttler. Einen deutlichen Dämpfer erteilten sie indes Ex-Manager Riedel, den nur 53,6 Prozent entlasteten.
In diesem Jahr peilt das Unternehmen ebenfalls schwarze Zahlen an. Der Umsatz soll um mindestens sieben Prozent steigen, kündigte Peter Mark Droste an, der seit Frühjahr als dritter Vorstand seine beiden Kollegen unterstützt. Allerdings, so räumte Vogt ein, spürt Intershop die Wirtschaftskrise. Projekte in der Automobilbranche kommen zögerlicher. Andere Unternehmen hingegen investieren mehr in schlanke Prozesse und setzen damit zunehmend auf den Handel über das Internet, was Intershop zugute kommt.
Die Krise von Arcandor und deren Tochter Quelle hat aktuell noch keine Auswirkungen auf die Jenaer Gesellschaft. Das Unternehmen gehört zu den sieben Top-Kunden. "Quelle wird E-Commerce fortsetzen", zeigte sich Vogt optimistisch. In schweren Fahrwassern sei Intershop in den USA unterwegs. Weil dort im Vorjahr kaum neue Geschäfte zustande kamen, tauschte Intershop den Manager für diese Region.
Eine Aktionärsgruppe kritisierte ein Geschäft, das mit dem Intershop-Gründer Stephan Schambach geschlossen wurde. Er hatte für seine neue Firma Demandware Lizenzen der Intershop-Software erworben - sie fürchten, dass bei diesem Deal unter Altvorstand Jürgen Schöttler nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Die Jahreshauptversammlung stimmte dafür, eine Sonderprüfung einzuleiten.
Ein Anteilseigner erkundigte sich bei Vorstand Göttler, warum er keine Aktien am Unternehmen halte. Der Kauf sei aus aktienrechtlichen Gründen wegen der Gefahr des Insiderhandels im vergangenen Jahr nicht möglich gewesen, antwortete Göttler. Das Angebot eines Aktionärs, ihm 1000 Aktien zu schenken, lehnte Göttler ab. "Ich behalte mir vor, selbst Aktien zu kaufen."
Ebenso rigoros lehnte Droste den Vorschlag ab, Intershop umzubenennen. Ein Aktionärsschützer hatte das vorgeschlagen, weil der Name nach dem Absturz an der Börse negativ besetzt sei.
Ein Beispiel, wie lebendig Hauptversammlungen sein können, brachte ein Berliner Aktionär. Er hielt einen Vortrag über die deutsche Sprache, kam erst nach Aufforderung zu seinen Fragen. "Wie halten Sie es mit den Weibern", fragte er in Richtung des Führungsgremiums, das nur aus Männern besteht, und begann zu singen: "Ganz ohne Weiber geht die Schose nicht."
Kommentar
19.06.2009 |