Die Lufthansa arbeitet offenbar schon bald mit Air Berlin zusammen und übernimmt einige Strecken des seit Jahren kränkelnden Konkurrenten. Das liegt vor allem an der Furcht vor Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet.
Die deutsche Luftfahrt-Branche steht vor einer gewaltigen Veränderung: Die Lufthansa plant, in Kürze zahlreiche Strecken der ums Überleben kämpfenden Air Berlin zu übernehmen – und dem Rivalen damit Luft zu verschaffen. Das mag zunächst widersinnig erscheinen, ergibt jedoch Sinn.
Denn der Lufthansa geht es offensichtlich vor allem darum, sich die gefährliche Konkurrenz von Ryanair und Easyjet vom Leibe zu halten. Die Low-Cost-Carrier machen nicht nur Air Berlin schwer zu schaffen, sondern auch dem deutschen Marktführer mitsamt seiner Billig-Tochter Eurowings. Und Ryanair-Chef Michael O'Leary hat mehrmals deutlich gemacht: Verschwindet Air Berlin, dann werden die Iren die Lücke füllen. Und daran hat die Lufthansa kein Interesse.
"Wir fokussieren uns auf die Strecken, auf denen Air Berlin die Kapazität kappt", sagte O'Leary im vergangenen Juni der "Zeit". Ryanair profitiere ohnehin von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der deutschen Fluggesellschaft. "Die Implosion von Air Berlin (…) bewirkt, dass die meisten deutschen Flughäfen uns dafür Rabatte anbieten, dass wir sie nutzen. Jemand muss in die Bresche springen."
Weniger wert als ein Airbus
Air Berlin geht es seit Jahren schlecht, das Unternehmen wird nur durch Finanzspritzen seines Großaktionärs Etihad am Leben gehalten. Mehrere Sanierungsrunden brachten keine nachhaltige Besserung. Die Flotte von rund 140 Jets ist geleast, eigene Maschinen besitzt Air Berlin nicht mehr. In den vergangenen acht Jahren erwirtschaftete die deutsche Fluggesellschaft nur einmal schwarze Zahlen – alleine im vergangenen Jahr lag der Nettoverlust bei 450 Millionen Euro. Air Berlin ist an der Börse lediglich rund 80 Millionen Euro wert – das ist weniger als der Listenpreis eines Airbus A320.
Und so käme ein Deal mit der Lufthansa der Golf-Airline Etihad sehr gelegen. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge will die Lufthansa etwa 40 Flugzeuge von Air Berlin samt Besatzungen mieten – und zwar schon vom kommenden Winterflugplan an, der am 31. Oktober beginnt. Dabei soll es um die Verbindungen gehen, die nicht die Air-Berlin-Drehkreuze in Berlin und in Düsseldorf berühren. Die Lufthansa integriere die Flieger in die Tochter Eurowings und übernehme das wirtschaftliche Risiko, so die Zeitung.
Air Berlin wäre dann mit etwa 100 Flugzeugen sehr viel kleiner als bisher und würde sich auf seine Drehkreuze konzentrieren und damit besser zum Premium-Anspruch von Etihad passen. Der Schritt würde der Air Berlin zudem Luft für eine strategische Neuausrichtung verschaffen.
Für Eurowings wäre die Übernahme zahlreicher Air-Berlin-Strecken ein großer Schub. Die Strecken gehen vor allem zu touristischen Zielen - in diesem Bereich will die Lufthansa die Position der Tochter mit ihren bisher rund 90 Flugzeugen stärken. Und das geht nach Ansicht der Konzernspitze am besten durch Übernahmen und Kooperationen.
Dagegen ist Etihad an den Strecken in Urlaubsgebiete nicht interessiert. Der Golf-Airline dient Air Berlin als Zubringer für das Drehkreuz in Abu Dhabi. Die Araber, die gut 29 Prozent der Anteile besitzen, dürfen in Deutschland nur wenige Verbindungen selbst anbieten. Die Trennung von den Neben-Strecken würde die Verluste, die Etihad durch Air Berlin hinnehmen muss, wohl deutlich verringern. Und wenn Air Berlin als Passagier-Zulieferer nach Abu Dhabi für höhere Gewinne bei Etihads Langstreckenflügen sorgt, lassen sich diese Verluste verkraften. |