Das sehe ich noch nicht so eindeutig. Derzeit passiert genau das, was ich vor dem Krieg schrieb. Wir sehen deflationäre Elemente, die in Inflation eingelagert sind und die Inflationsantriebe unterscheiden sich zudem geographisch.
In den US bleibt die Core-Inflation hoch während sich Peitscheneffekte auswirken. Derzeit sieht es so aus, als würde die Inflation runterkommen, aber tatsächlich ist die Coreinflation stabil, wenn sie nicht sogar leicht steigt. Der Arbeitsmarkt sieht robust aus, allerdings nimmt die Arbeitslosigkeit beim Ersteintritt (also für junge und auch gut ausgebildete Menschen) in den Markt zu.
Jetzt bildet sich die Gefahr, dass die Fed überschießen könnte, weil sie glaubt, der Arbeitsmarkt kann noch ein paar Zinsschritte vertragen, und würgt die Erholung ab; oder genau das Gegenteil, sie rutscht wieder weiter hinter die Welle, weil die Rohstoffpreise doch nicht soweit runterkommen. Die Rohstoffpreise sind in den US nicht die wesentliche Triebfeder sondern die lockere Geldpolitik vor und während der Pandemie. Während der Bilanzausgleich genau auf diese Stelle wirkt, würde das bei der Energiekostenverteuerung nicht helfen. Der Verlauf wird ähnlich wie der in den 1970/ 80er sein, obwohl die Ursachen ganz andere sind. Die Verläufe könnten sich wirklich ähneln!
Das kann man sich wie folgt vorstellen: Die Inflation wird durch ein bis zwei Ursachen initiiert, (bspw. Covidsubvention und Lieferkettenprobleme) im Zuge ihrer Manifestation werden die Ursachen oder Symptome fiskal bekämpft. Man sich das vorstellen wie zwei trigonometrische Funktionen, die phasenverschoben starten, sich irgendwann überlagen und dann auslöschen.
Jetzt liegt es allerdings in der Natur der Sache, dass sich auf beiden Seiten (also der Inflationsseite und der Gegenwirkung) weitere Faktoren/ Triebfedern dazu addieren, also weitere Sinus- und cos-Wellen, die ebenfalls phasenverschoben starten, sich irgendwann gegenseitig aber auch mit den anderen Wellen überlagern. D. h. während sie auf bestimmte Wellen dämpfend wirken, verstärken sie gleichzeitig andere. Das führt im Endergebnis dazu, dass die Bekämpfung nicht deckungsgleich oder in einem gewissen Abstand wirkt. Da man das schon kennt, spricht man auch überall davon, dass dieser Inflationszyklus länger bleiben wird.
Und genau einen solchen Verteuerungs- und Geldentwertungsmix haben wir jetzt.
Ede, Du hast recht, wenn Du sagst, der Bullenzyklus könnte früher starten und wir haben den Zenit der Inflation bereits hinter uns; tatsächlich sehen die meisten Futures so aus, als wäre der ganze Inflationsklumpatsch in den US bereits bewältigt.
Das Gegenargument ist: Die Wirtschaft kann sich erst drehen, wenn die Werkzeuge und die Verteuerungsfaktoren sich einigermaßen eingefahren haben und die Fiskalpolitik in die beobachtende Seitenlage kommt. Der Aktienmarkt startet etwas vorher aber nicht viel. Daher diese Zwischenrallys; sofern das kein Melken ist, ist das nix anderes als ejaculatio precox. Bis jetzt sehe ich eine Aufhellung erst gegen Ende Q1 2024, damit wäre Ende Q3-2023 bereits der vorgezogenen Start bei den Wertpapieren.
In Europa liegt es ganz anders. |