Für mich waren die Q1-Zahlen auf der Gewinnseite (Bruttogewinn, EBIT) deutlich besser als ich es erwartet habe.
Alleine die Q1-Zahlen mit einer wirklich erstklassigen und überraschend hohen Bruttomarge von 12,7%, wenn man sie mit der direkten Konkurrenz vergleicht, und dem geringen EBIT-Verlust von 2,8 Mio. $, was ein positives EBITA von rd. 7 Mio. $ ergibt (Abschreibungen bei Jinko betragen rd. 0,035 $/W), sind Grund genug gewesen für den 9%igen Kursanstieg am Freitag. Aber meiner Meinung nach wurde die Q2-Prognose mit einem Modulabsatz von 450 bis 470 MW und einer Bruttomarge weiterhin im zweistelligen Bereich (wurde auf der Conference Call gesagt) gar nicht honoriert. Diese Q2-Prognose impliziert ein positives Q2-EBIT von über 10 Mio. $ und das hat wohl so gut wie niemand erwartet bzw. erwarten können. Ohne Frage die 10 $-Marke ist ein sehr hartnäckiger Widerstand. WAr nicht nur am Freitag sehr leicht zu erkennen.
Die im Vergleich zu den anderen China-Solaris erstklassige Bruttomarge hat ihre Gründe in den gesunkenen Produktionskosten von 5,5% (von 0,54 auf 0,51 $/W) und von den höheren Modulverkaufspreisen von 2,6% (von 0,58 auf 0,595 $/W). Der Vergleich bezieht sich auf Q4 2012. Bei den Produktionskosten muss man etwas Vorsicht walten lassen, denn Jinko hat in Q4 Produktionsequipment abgeschrieben, so dass dadurch auf dem Papier die Produktionskosten alleine schon um von mir geschätzten 2% gesunken sind. Viel weiter senken wird Jinko die Produktionskosten in diesem Jahr nicht mehr können, denn die Polysiliziumpreise ziehen derzeit etwas an, so dass Jinko spätestens in Q3 ihre sehr niedrige Polysiliziumkosten von 0,09 $/W mit ganz großer Wahrscheinlichkeit nicht halten kann. In Q2 könnten die Produktionskosten vielleicht noch leicht gesenkt werden (auf 0,50 $/W), aber in den nächsten Quartalen dann sehr wahrscheinlich nicht. Jedoch wird Jinko ihren durchschnittlichen Modulverkaufspreis im Laufe des Jahres weiter erhöhen können (wurde so auch in der Conference Call gesagt) in Richtung 0,62/0,63 $/W und das wird dann helfen können die Bruttomarge eventuell weiter nach oben zu bringen. Der Grund dafür liegt an zwei Faktoren, zum einem wird Jinko ihren Absatzmix zu hochpreisigen Märkten verändern (z.B. Japan oder Südafrika und mit Abstrichen die USA) und zum anderen ist Jinko in der sehr komfortablen Lage, dass man zu 100% ausgelastet ist und somit ist man (derzeit) nicht gezwungen jeden Auftrag annehmen zu müssen. Dazu kommt noch, dass selbst in China die Modulpreise derzeit steigen. Nicht zu vergessen, Jinko hat mit der neuen Eagle II-Modulreihe mittlerweile ein Topprodukt, das als multikristallines Modul selbst gegen viele Mono-Module locker mithalten kann. Das Eagle II 260 W-Modul ist mit das beste in seiner Leistungsklasse was es derzeit am Markt überhaupt gibt. Da Jinko ihre Projekttätigkeit immer weiter ausbaut und das zu Umsätzen mit Margen von 15 bis 20% führt wird der Bruttomarge ebenfalls helfen in Richtung 15%.
Die Tatsache, dass so gut wie alle Solarunternehmen erwarten, dass ihre Modulverkaufspreise (ASP) steigen werden, ist auch ein Indiz dafür, dass der Turn Around der Solarbranche in den nächsten 3, 4 Quartale bevorstehen könnte. Jinko wird wohl einer der ersten sein der den Turn Around/Break Even schaffen wird und dann kommen meiner Meinung nach (wesentlich) höhere Kurse wie aktuell und wohl auch nachhaltig höhere Kurse. Zumal sich der Solarmarkt mehr und mehr ausweitet und nicht nur auf einzelne Regionen beschränkt ist wie es heute immer noch der Fall ist. Im nächsten Jahr wird es z.B. in Lateinamerika (Chile, Brasilien, Mexiko) oder im Mittleren Osten (z.B. Saudi Arabien) zu deutlichen Solarzubauten kommen und in Afrika scharrt Solar auch schon kräftig mit den Hufen. Dann ist die Solarbranche auch endlich nicht mehr auf Gedeih und Verderben auf einzelen politische Entscheidungen abhängig. Außerdem hat Solar in heißen Regionen die Grid Parity erreicht.
Habs eingangs schon erwähnt, dass die sehr gute Q2-Prognose meines Erachtens unter gegangen ist, denn sonst hätte der Kurs die 10 $-Marke halten müssen. Das ist meine Einschätzung/Meinung. Deshalb mal ein kleiner Vorausblick auf Q2 um die klasse Q2-Prognose überhaupt ein wenig einschätzen zu können. Jinko erwartet in Q2 einen Modulabsatz zwischen 450 bis 470 MW (Q1 : 282 MW). Bei einem Modulabsatz von 460 MW und einem Moduldurchschnittsverkaufspreis von 0,605 $/W (Q1: 0,595 $/W) wird Jinko einen Q2-Modulumsatz von etwa 278 Mio. $ erzielen (Q1: 168 Mio. $) !! Zieht man davon 8 Mio. $ noch ab wegen den "Retainage Contracts" (Erklärung weiter unten), da Jinko in Q2 deutlich mehr im heimischen Markt verkaufen wird (Q2 ca. 180 bis 190 MW) wie in Q1 (waren es nur ca. 40 MW), dann kommt ein Q2-Modulumsatz von rd. 270 Mio. $ raus. In Q1 war die Umsatzverteilung folgende: Module: 168 Mio. $, Zellen: 8 Mio. $, Wafer: 5 Mio. $, EPC/Projektverkauf: 0 Mio. $. Die Zell- und Waferumsätze werden wohl auch gegenüber Q1 steigen (meine Schätzung um 30%) von 13 auf 17 Mio. $ und es wird wohl auch EPC bzw. Projektumsätze geben (meine Schätzung 10 Mio. $). Übrigens hat Jinko derzeit 140 MW an Projekten am Laufen, die im Bau bzw. das eine oder andere schon fertig ist und damit zum Verkauf ansteht.
Q2 Prognoserechnung:
Gesamtumsatz: 297 Mio. $ (Q1-Umsatz: 187,3 Mio. $) Bruttomarge: 13% (Q1: 12,7%) Bruttogewinn: 38,6 Mo. $ (EBITA: 25,4 Mo. $ (Abschreibungen von rd. 0,03 $/W) ) EBIT: 11, 6 Mio. $ (operative Kosten von 27 Mio. $) EBT: 2,6 Mio. $ (Zinsaufwendungen: 9 Mio. $) Nettoausweis: 2,1 Mio. $ (Steuerquote: 18%).
Sollte es zu keinen negativen, nicht liquiditätswirksamen Effekte kommen wie die quartalsmäßige Neubewertung von Währungsderivaten (Renminbi, US-Dollar, Euro) oder der Wandelanleihe, dann wird Jinko in Q2 nicht nur einen positiven operativen Gewinn generieren, sondern auch einen kleinen Nettogewinn auf GuV-Basis. Meiner Meinung nach hat das die Börse am Freitag (noch) nicht so ganz erfasst, denn sonst wäre die 10 $-Marke wohl auch nachhaltig geknackt worden. Vielleicht ist das auch nur ein Wunschdenken von mir. Diese kleine Q2-Prognoserechnung von mir zeigt aber schon auch recht deutlich, dass es noch ein sehr weiter und mühsamer Weg sein wird bis endlich wieder gute Gewinnzahlen hinten raus kommen werden und das wird nur der Fall sein wenn es Bruttomargen von über 20% gibt. Das darf man bei aller Freude über die guten Jinko Q1-Zahlen bzw. Q2-Prognose nie vergessen. Der Break Even ist die eine Sache, aber wieder auf gute und erträgliche Gewinne zu kommen, ist ein ganz anderer Sachverhalt.
Kurz zu diesen "Retainage Contracts". Ist ja auch etwas sehr ungewöhnliches. In China muss der Kunde 5 bis 10% der Rechnung erst nach 1 bis 2 Jahren begleichen und das läuft dann unter "Retainage Contracts". Übrigens sind mittlerweile rd. 22 Mio. $ an kumulierten Umsatz durch Retainage bei Jinko aufgelaufen, die noch nicht verbucht sind. So waren es z.B. in Q4 rd. 10 Mio. $ und in Q1 rd. 1,5 Mio. $. Ab Q3 werden diese (verzögerten) Umsätze dann peu a peu von Jinko gebucht werden und das wird dann natürlich auch zu Cash Flows führen. Jedoch werden die kumulierten Retainages, die sind ja im Prinzip nichts anderes wie Forderungen auf Lieferungen und Leistung, bis Ende des Jahres auf rd. 50 Mio. $ anwachsen, die dann bei den Umsätzen und selbstredend bei den Cash Flows fehlen werden in Q2, Q3 und Q4. Das ganze dürfte sich dann erst so ab Q2 2014 einigermaßen einpendeln (alte Retainage werden bezahlt, neue Retainage fallen an). Das heißt nichts anderes, als dass Jinko eigentlich höhere Umsätze und bessere Cash Flows generieren würde bzw. hat als ausgewiesen, aber diese Retainage werden erst dann gebucht, wenn der tatsächliche Geldfluss erfolgt ist. Ist auch korrekt so.
Die Börse könnte etwas verschnupft sein aufgrund des Jinko-Aussagen im Conference Call über die zukünftige Lieferungsstrategie in die EU, wenn die hohen Zölle ab August Wirklichkeit werden. Jinko will sich bei EU-Zöllen von über 40% offenbar fast komplett aus dem EU-Markt zurückziehen und rechnet in Europa mittlerweile nur noch mit einem Modulabsatzanteil von 20% für dieses Jahr (ca. 300 MW). In Q1 hatte Jinko noch ein Ziel von 30% (ca. 450 MW). So weit wie ich das einschätze, dürfte Jinko in Q1 in die EU ca. 110 bis 130 MW importiert haben (ca. 42% vom Q1-Modulabsatz) und etwas mehr wird es wohl in Q2 werden (ca. 28% vom Q2-Modulabsatz). So dass Jinko im 1.Halbjahr schon ca. 250 bis 270 MW in die EU importiert haben wird und es im 2.Halbjahr zu fast keinen EU-Exporte kommen wird, insofern es ab 6.August tatsächlich zu Zöllen über 40% kommen wird. Sicher stellen sich jetzt einige die Frage ob diese sich eventuell auftretende Absatzlücke in der EU Jinko im 2.Halbjahr wirklich mit anderen Märkten (z.B. Indien, Thailand, Japan, USA) kompensieren kann.
Zum Abschluss noch kurz ein Blick auf die Unternehmensbilanz und die ist leider nicht ganz so erfreulich wie die Q1-Zahlen bzw. die Q2-Guidance. Die Nettofinanzverschuldung liegt bei 538 Mio. $ und ist damit um 90 Mio. $ gegenüber Q4 gestiegen. Das ist jetzt nicht großartig besorgniserregend, da Jinko aufgrund der zu erwarteten sehr guten Q2-Absatzzahlen ihre Lagerbestände zwangsläufig deutlich um 35 Mio. $ aufgebaut hat und das gesamte Working Capital hat sich gegenüber Q4 um 95,7 Mio. $ auf 251,1 Mio. $ erhöht. Ist für ein Jahresauftaktquartal nicht ungewöhnlich, dass das Working Capital ansteigt. Investiert wurden in Q1 25 Mio. $. Die Entwicklung der Nettofinanzverschuldung sollte man trotzdem durchaus in den nächsten Quartalen im Auge behalten, denn die Erhöhung des Working Capitals müsste sich in den nächsten Quartalen dann schon auf deutlich positive Cash Flows niederschlagen und damit zur Verringerung der Nettofinanzverschuldung. Die Eigenkapitalquote liegt bei nicht allzu guten 15% (Q4 2012: 19,5%). Die Bilanzkennzahlen haben sich also in Q1 schon deutlich verschlechtert was aber großteils auf die Erhöhung der Bilanzsumme zurückzuführen ist und die ist aufgrund des höheren Working Capitals und des höheren eigenen Projektvolumens angestiegen. Das alles ist noch nicht großartig alarmierend, da alles nachvollziehbar ist, aber in den nächsten Quartalen sollten sich dann durch Projektverkäufe (Projektassets von 99,7 Mio. $ bilanziert/Ende Q4 waren es 86,1 Mio. $), einem niedrigeren Working Capital und dem sukzessiven Rückfluss der Retainage Contracts die Bilanzkennzahlen schon wieder verbessern, denn sonst ist der Vorteil von Jinko gegenüber anderen Solarunternehmen hinsichtlich einer relativ guten Unternehmensbilanz nicht mehr gegeben. |