Die Schweiz und China unterzeichnen Freihandelsabkommen (07.07.2013)
Positive Reaktionen trotz nicht allumfassender Zollfreiheit
Peking/Bern (awp/sda) - Nach zweieinhalb Jahren und neun Verhandlungsrunden hat die Schweiz am Samstag das Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet. Wirtschaftsvertreter sind sich einig, dass das Abkommen vor allem für die Exportwirtschaft eine grosse Bedeutung haben wird - auch wenn längst nicht alle Branchen von einer Zollfreiheit profitieren werden.
Das Abkommen sei "eine zentrale Etappe zur Verbesserung des Marktzugangs in China", hielt der Wirtschaftsdachverband economiesuisse in einer Stellungnahme fest. Beide Länder setzten damit "ein klares politisches Signal gegen den weiterhin schwelenden Protektionismus vieler Nationen".
Trotzdem hätte die Schweiz auch bittere Pillen zu schlucken: "Die Zollsatzreduktionen sind nicht umfassend." Aus Sicht der Exportunternehmen sei es daher wichtig, dass die verbleibenden Ausnahmen bei nächster Gelegenheit ebenfalls aufgehoben werden können.
Höheres Wachstum garantiert
Trotz solcher Zugeständnisse sprach Bundesrat Johann Schneider-Ammann von einem "historischen Moment", nachdem er das Freihandelsabkommen unterzeichnet hatte. Die Anwesenheit einer dreissigköpfigen Delegation aus Wirtschaftsvertretern unterstrich die Bedeutung des Abkommens für die Schweiz zusätzlich.
Nach der feierlichen Unterzeichnungszeremonie im chinesischen Handelsministerium in Peking gab Schneider-Ammann seiner Hoffnung Ausdruck, dass mit dem Abkommen die rasante Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern eine Fortsetzung finde.
Schweizer Unternehmen hätten nun einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Firmen aus Ländern, die über kein solches Abkommen mit China verfügten, hiess es in einer Erklärung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).
Keine alltägliche Unterschrift
Auch für Handelsminister Gao Hucheng, der auf chinesischer Seite das 1152 Seiten umfassende Dokument unterzeichnete, ist das Abkommen offenbar nicht etwas Alltägliches - zumal die Schweiz nach Island erst das zweite Land in Europa ist, welches mit China ein Freihandelsabkommen abschliesst.
Gao sagte, das Abkommen sei "umfassend, hochqualitativ und von gegenseitigem Nutzen". Obschon die Schweiz bevölkerungsmässig kein Schwergewicht sei wie China, so sei sie doch in vielen Wirtschaftsbereichen an der Spitze. Der Austausch mit der Schweiz werde zudem auch die Zusammenarbeit mit Europa stärken.
In Kraft treten dürfte das Freihandelsabkommen in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres. Die Ratifizierung des Abkommens werde wahrscheinlich etwa ein Jahr in Anspruch nehmen, sagte Schneider-Ammann. Dem Abkommen zustimmen muss nun noch das Parlament.
Lange Übergangsfristen
Der Vertrag deckt ein breites Spektrum an Themen ab. Neben dem Abbau von Zöllen für Industriegüter und landwirtschaftliche Produkte regelt er beispielsweise auch die Verwendung von Herkunftsbezeichnungen und den Schutz geistigen Eigentums.
Aus Schweizer Sicht steckt der Teufel allerdings im Detail: Während die Zölle für 99,7 Prozent aller chinesischen Güter in die Schweiz mit Inkrafttreten des Abkommens sofort wegfallen, wird umgekehrt nur auf 84,2 Prozent aller Schweizer Produkte beim Export nach China kein Zoll mehr anfallen.
Zudem sind für einzelne Produkteklassen von Industriegütern lange Übergangsfristen vorgesehen, bis China die Zölle senkt. Schneider-Ammann versicherte jedoch, das Abkommen werde sich "mit der Zeit weiterentwickeln".
Selbst Bauern vorerst positiv eingestellt
Dass zumindest für die Industrie und auch für den Dienstleistungssektor das Positive überwiegt, zeigt sich in den ersten Reaktionen. Der Schweizerische Gewerbeverband beispielsweise sieht im Freihandelsabkommen mit China eine grosse Chance für die Schweizer KMU.
Auch bei der Uhrenindustrie, bei der Pharma und Chemie und bei der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie stösst das Abkommen auf Anklang. Zwar hätten sich viele eine totale und sofortige Zollfreiheit erhofft, jedoch sei das Resultat angesichts des mächtigen Verhandlungspartners begrüssenswert.
Selbst die Bauern stehen dem Freihandelsabkommen nun vorsichtig positiv gegenüber. Erste Informationen bestätigten, dass die zentralen Forderungen der Landwirtschaft berücksichtigt worden seien, hiess es in einer Stellungnahme des Schweizerischen Bauernverbands. Nun müsse man den Vertrag im Detail analysieren.
Kritik von links
Menschenrechts- und Entwicklungshilfeorganisationen kritisierten aber insbesondere, dass von Schweizer Seite nicht darauf bestanden wurde, dass auch die Menschenrechte im Vertrag erwähnt werden. Der Begriff Menschenrechte tauche im gesamten Abkommen nicht ein einziges Mal auf, schreibt die Erklärung von Bern im Namen von insgesamt fünf Nichtregierungsorganisationen auf ihrer Homepage.
Auch Grüne und SP kritisieren, dass im Abkommen keine verbindlichen sozialen, arbeitsrechtlichen und ökologischen Standards festgesetzt sind. Falls solche Regeln in der parlamentarischen Diskussion nicht nachgeholt würden, sei ein Ja zum Abkommen zumindest fraglich. |