Georgien verliert den Kampf am Kaukasus
Michail Saakaschwili hat sich im Krieg um Südossetien verkalkuliert. Er hat geglaubt, im Schatten Olympias handstreichartig die Probleme in Südossetien lösen und verlorene Gebiete zurückerobern zu können. Doch die Rechnung geht nicht auf. Vor allem die einkalkulierte Unterstützung des Westens lässt auf sich warten.
Nach dreitägigen Kämpfen im Südkaukasus haben russische Truppen offenbar die Hauptstadt des von Georgien abtrünnigen Gebietes Südossetien, Zchinwali, unter ihre Kontrolle gebracht.
Die Einschläge der russischen Bomben rücken am Sonntag immer näher an die georgische Hauptstadt Tiflis heran. Entsprechend werden auch die Verlautbarungen der georgischen Regierung immer hektischer. Ihre E-Mail-Sendungen, die sie in die ganze Welt schickt, folgen in immer kürzeren Abständen aufeinander.
Am Sonntagmorgen heißt es in einer „dringenden Medienmitteilung“ aus dem Innenministerium in fetten Buchstaben: „Flughafen Tiflis von russischen Kampfjets angegriffen“, „6000 russische Soldaten sind über Nacht über den Roki-Tunnel nach Georgien eingedrungen; 90 Panzer, 150 gepanzerte Truppentransporter; 250 Artilleriegeschütze“, „4000 russische Soldaten landen am Hafen von Oschamschira in Abchasien, sie kommen vom Schwarzmeerhafen Sewastopol“.
Noch in der Nacht hatte Georgien bekannt gegeben, dass russische Kriegsschiffe georgische Häfen blockieren und Nahrungsmittellieferungen unterbinden, was am Sonntag von russischen Quellen mal bestätigt, mal dementiert wird. Die Nervosität der georgischen Regierung wird immer spürbarer. Die E-Mails bekommen den Charakter von Hilfeschreien. Am späten Sonntagnachmittag fallen dann die ersten Bomben auf Tiflis-Stadt.
Selten hat sich ein Politiker so verkalkuliert wie Georgiens Präsident Michail Saakaschwili. Der dachte, mit einem Überraschungsangriff Teile Südossetiens im Handstreich einnehmen und den schwelenden Konflikt so in den Griff bekommen zu können. Georgien ist aber nicht allein schuld an der Eskalation. Die südossetische Seite hatte in den letzten Wochen die Angriffe auf georgisches Gebiet stetig verstärkt. Als der georgische Reintegrationsminister zuletzt in der südossetischen Hauptstadt Tschinwali verhandeln wollte, ist er vom Präsidenten der abtrünnigen Regierung, Eduard Kokoity, nicht mal mehr empfangen worden. Saakaschwili behauptet, Grund der georgischen Attacke seien Meldungen gewesen über russische Panzer, die durch den Roki-Tunnel nach Südossetien gebracht worden seien.
Es gibt unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob die Konfliktverschärfung der letzten Wochen von Moskau gewollt war oder ob die russische Regierung das Regime in Tschinwali, das eine Mischung aus Gangstern und Leuten aus dem russischen Sicherheitsapparat ist, nicht mehr recht unter Kontrolle hatte. Die schnelle russische Reaktion und die massive Antwort spricht jedoch dafür, dass Moskau sich lange auf dieses Szenario vorbereitet hatte. Wenn Russland nun in aller Offenheit die Abspaltung Südossetiens und Abchasiens betreibt, ist das auch die Retourkutsche für die vom Westen unterstützte Unabhängigkeit des Kosovo. Die Botschaft: Wer russische Interessen missachtet, zahlt einen hohen Preis. Es ist das erste Mal seit dem Zerfall der Sowjetunion, dass Russland in Osteuropa militärisch neue Fakten schafft.
Russlands Ex-Präsident und aktueller Premier Wladimir Putin hat ja nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Zerfall des sowjetischen Einflussgebiets als Jahrhundertkatastrophe ansieht. Nun fühlt sich Moskau offenbar stark genug, die Landkarte am Schwarzen Meer neu zu zeichnen. Abchasien und Südossetien dürften für Georgien verloren sein. Und noch wagt sich niemand in der EU und in der Nato, die Frage zu stellen: Und was, wenn die russischen Truppen nicht an der Grenze zum georgischen Kernland haltmachen?
Der Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Alexander Lomaia, sagte bei einer Telefonkonferenz, die georgische Regierung sei von der UN-Mission Unomig darüber informiert worden, dass die russische Regierung darum gebeten habe, russische Soldaten durchzulassen. Unomig sichert das Gebiet zwischen der abtrünnigen Republik Abchasien im Westen und georgischem Kernland. Trifft das zu, würde Russland hier eine zweite Front gegen Georgien eröffnen. Die mit Russland verbündeten abchasischen Separatistengruppen greifen schon georgische Stellungen an.
Der russische Bär ist gereizt und schlägt mit aller Macht zurück. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, zurzeit auch EU-Ratspräsident, hat in Peking noch versucht, Putin zu besänftigen. Ein westlicher Diplomat bezeichnete das Treffen gegenüber der „New York Times“ als „sehr, sehr hart“. Putin habe gesagt: „Wir werden sie bezahlen lassen. Wir werden für Gerechtigkeit sorgen.“ Das jedenfalls, was man in Moskau als Gerechtigkeit ansieht. Denn nach internationalem Recht kann es keinen Zweifel daran geben, dass Russlands Vorgehen ein völkerrechtswidriger Angriff auf einen souveränen Staat ist.
Obwohl die Verlautbarungen aus Washington von Anfang an einen dringlicheren Ton hatten als die „Besorgnis“-Kommuniques aus Brüssel und Berlin, so fällt doch die relative Zurückhaltung der Vereinigten Staaten auf. Schließlich ist Georgien einer der wichtigsten verbündeten der USA. George W. Bush hat sich auf dem letzten Nato-Gipfel in Bukarest persönlich dafür eingesetzt, Georgien offiziell zum Beitrittskandidaten zu erklären, und musste sich dann mit einer informellen Zusage zufrieden geben. Saakaschwili hatte offenbar darauf spekuliert, dass der große Bruder schon bereitstehen würde, wenn sein Spiel schiefläuft.
Doch auch die US-Regierung ist im Sommerurlaub. Selbst die Entsendung eines Vermittlers wird verschoben, weil, so ein Mitarbeiter des Außenministeriums zur „Washington Post“, „unser Team, das sich mit Georgien beschäftigt, nicht so groß ist“. Am Samstag kann man sich zumindest dazu durchringen, die Benutzung von strategischen Bombern auf russischer Seite als „gefährliche Eskalation“ zu bezeichnen. Am Sonntag merken die Amerikaner dann, dass sie den Russen energischere Signale senden müssen. Nun warnt der stellvertretende nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, James Jeffrey, die Russen vor einer weiteren „unverhältnismäßigen und gefährlichen Eskalation“. Andernfalls werde dies „bedeutsame langfristige“ Auswirkungen auf die US-amerikanisch-russischen Beziehungen haben. Die Amerikaner helfen auch, die etwa 2000 georgischen Soldaten aus dem Irak in die Heimat zu fliegen.
Zahlen zur Truppenstärke von Russland und Georgien Die USA sind als globale Ordnungsmacht gefragt in einer Region, in der der Westen und Russland gegensätzliche Interessen haben. Im Kaukasus befinden sich Gas- und Erdölvorkommen, er ist aber vor allem ein wichtiges Drehkreuz für Energietransporte vom Kaspischen Meer. Russland hat lange versucht, die einzige Pipeline aus der kaspischen Region zu verhindern, die nicht über russisches Territorium führt. Sie entspringt nahe der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer und läuft an Tiflis in Georgien vorbei bis nach Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste.
Die BTC-Pipeline hat für den Westen große geopolitische Bedeutung, weil sie weder Öl aus Russland noch aus den Opec-Förderländern transportiert. Die Öl- und Gasreserven aus Zentralasien verringern die Abhängigkeit von Russland und der Opec. Im Frühjahr 2006 wurde die Pipeline in Betrieb genommen. Sie befördert etwa eine Million Barrel Öl pro Tag. Der georgische Sicherheitsberater Lomaia sagt, die Russen hätten sechs Bomben auf die Pipeline abgeworfen, sie aber nicht getroffen. Sollte das zutreffen, wäre es der Beweis, dass Russlands Militäraktion viel weiter reichende strategische Ziele hat, als nur, wie Moskau behauptet, eine humanitäre Krise in Südossetien zu verhindern.
Die „Washington Post“ berichtet derweil, dass die georgische Regierung sich auch einem koordinierten Cyberkrieg aus Russland ausgesetzt sieht. So sei die Webseite des Außenministeriums von Hackern geknackt worden, die dann Bilder von Präsident Saakaschwili als Nazi draufgestellt hätten. Die Seite wurde vom Netz genommen und war auch am Sonntag noch nicht wieder aufrufbar. Auch für die Wirtschaft wichtige Internetserver sollen von Junk-Mails überflutet und in die Knie gezwungen worden sein. Das ähnelt dem virtuellen Krieg, den russische Hacker vergangenen Monat gegen Litauen geführt haben und im April 2007 gegen Estland wegen des Streits über ein sowjetisches Kriegsdenkmal.
Die Russen statuieren ein Exempel. Sie wollen zeigen, wie es denen ergeht, die sich aus dem russischen Machtbereich entfernen und dem Westen anschließen wollen. Länder, die, wie die Ukraine ebenfalls, weg von Moskau wollen, wissen nun, was sie erwartet. Und sie wissen jetzt auch, dass sie sich auf den Westen nicht verlassen können.
Bei den Georgiern liegen inzwischen die Nerven blank, es macht sich Untergangsstimmung breit. „Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat vor hohen diplomatischen Vertretern geäußert, man wolle Georgien auslöschen“, sagte Präsident Saakaschwili der "Rhein-Zeitung“. Die Russen wollten Georgien übernehmen. Ob Putin, der sich als der wahre starke Mann erwiesen hat, so weit geht, wird man in den nächsten Tagen sehen. Dass es den Russen aber zumindest um einen Regimewechsel in Tiflis geht, wie Saakaschwili sagt, davon ist auszugehen.
http://www.welt.de/politik/arti2309385/..._den_Kampf_am_Kaukasus.html ----------- MfG kiiwiipedia
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"...und wo ist Beeeheck? " |