Mit dem neuen Gesetz zum Delisting ist der Gesetzgeber wieder zu einer Rechtslage zurückgekehrt, die es schon einmal gab. Vor der sogenannten Frosta-Entscheidung im Oktober 2013 konnten Unternehmen ein Delisting der eigenen Aktien aus dem regulierten Markt nur durchführen, wenn den Aktionären ein Abfindungsangebot gemacht wurde. Das ist jetzt wieder so.
Das neue Gesetz dürfte in den Vorstandsetagen der börsennotierten Unternehmen und ihrer Hauptaktionäre erst einmal keine Kopfschmerzen bereiten. Denn nach dem neuen Gesetz ist für ein Delisting weder eine Zustimmung der Hauptversammlung, noch – mit zwei Ausnahmen – eine Abfindung nach Ertragswert zu bezahlen. Damit sind die wesentlichen Unsicherheitsfaktoren früherer Tage von vornherein überwunden: Die Gesellschaft muss sich weder mit ihren Aktionären in einer Hauptversammlung und nachfolgenden Anfechtungsklagen auseinandersetzen, noch drohen jahrelange Spruchverfahren, in denen um die richtige Bewertung der Gesellschaft gerungen wird. Nachträgliche Angebotspflicht bei laufenden Delisting-Verfahren
Die paradiesischen Zeiten ohne Angebotspflicht an die Aktionäre sind allerdings vorbei. Alle Gesellschaften, die den Antrag auf Delisting nach dem 7. September gestellt haben, werden darum wohl nicht herumkommen. Ein kurzes Zeitfenster gibt es zwar noch: wenn die entsprechende Börse auf den Antrag des Unternehmens bereits reagiert hat und der sogenannte Widerrufsbescheid zum Delisting schon rechtskräftig wird, bevor das neue Gesetz in Kraft tritt. Allzu große Hoffnungen sollten sich die CFOs, die den Prozess bereits angestoßen haben, jedoch nicht machen, da dies schon bald der Fall sein wird.
Stattdessen sollten sich Finanzchefs, die nach dem Stichtag einen Delisting-Antrag gestellt haben, schon jetzt darauf vorbereiten, dass den Aktionären ein nachträgliches Angebot gemacht werden muss. Das wird bei vielen Unternehmen die Pläne zur Abwicklung des Delistings erheblich ändern. Es kann außerdem der Fall eintreten, dass ein Unternehmen für das jetzt ablaufende Geschäftsjahr nach wie vor die Rechnungslegungsstandards und Berichtspflichten börsennotierter Gesellschaften einhalten und die damit erhöhten Aufwendungen tragen muss, weil der Widerrufsbescheid nicht mehr innerhalb des betreffenden Geschäftsjahrs wirksam werden konnte.
Voraussetzungen für ein Delisting
Nach dem neuen Gesetz ist ein Delisting der Aktien eines Unternehmens nur zulässig, wenn bei der Antragstellung ein Angebot zum Erwerb aller Wertpapiere, die Gegenstand des Antrags sind, nach den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes veröffentlicht wurde.
Vorausgesetzt wird also ein Angebot, das sich auf den noch zu stellenden Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung richten muss. Nach außen wird die Absicht des Delistings daher durch eine Mitteilung des Hauptaktionärs (oder eines sonstigen Bieters) bekannt zu machen sein, wenn nicht der Emittent selbst zuvor eine Mitteilung veröffentlicht haben sollte. Da sich die Entscheidungen von Emittent und Bieter gegenseitig bedingen, dürfte es in der Praxis hier häufig zu praktisch gleichzeitigen Mitteilungen kommen.
Höhe der Abfindung
Die Höhe der Abfindung, die den Aktionären im Falle eines Delistings zu zahlen ist, war im Vorfeld der Neuregelung ein großer Streitpunkt. Das neue Gesetz sieht vor, dass sich das Angebot nach dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten sechs Monate vor der Bekanntmachung richten muss. Außerdem steht den Aktionären ein Nachbesserungsanspruch zu, falls der Bieter, also meist der Hauptaktionär, während der Angebotsphase und bis zu ein Jahr danach Aktien des Unternehmens zu einer höheren Preis kaufen sollte.
Interessant sind die Ausnahmefälle, in denen der Börsenkurs nicht maßgeblich sein soll: Die erste Ausnahme gibt es im Falle einer Manipulation. Wenn ein Unternehmen den eigenen Börsenkurs zum Beispiel durch die Verletzung von Insiderrechten verändert, dann muss sich das Angebot am Ertragswert orientieren. Es sei denn die Verletzung hat nur eine geringe Veränderung des Börsenkurses bewirkt. Durch diese Einschränkung wird die Bestimmung wohl nur sehr selten zum Tragen kommen.
Der zweite Ausnahmefall betrifft Aktien von Gesellschaften, deren Aktien nur wenig gehandelt werden. Wenn die Börsenkurse nur an einem Drittel der Börsentage des Sechsmonatszeitraums festgestellt werden konnten und drei darin nacheinander festgestellte Kurse um mehr als fünf Prozent voneinander abweichen, dann greift eine Sonderregel.
In diesen Fällen muss das Angebot an die Aktionäre sich nicht am Börsenkurs sondern am Ertragswert orientieren. Stellt sich erst nach dem Antrag auf Delisting heraus, dass die Abfindung nicht nach dem Börsenkurs ermittelt werden darf, dann kann das zu einer deutlichen Verzögerung des Delisting-Ablaufs führen. In dem Fall muss das Unternehmen dann die Ermittlung des Ertragswerts in Auftrag geben, wenn es das schon nicht – in weiser Voraussicht – parallel hat vornehmen lassen. Damit werden gerade die wenig gehandelten und meist auch finanzschwächeren Unternehmen vor eine beachtliche Hürde gestellt.
Auch wenn die neuen Regelungen teilweise nur die frühere Rechtslage wiederherstellen, sollten Finanzchefs sich eng mit den Geschäftsführungen der Börsen abstimmen. Außerdem ist ein guter Austausch über den Prozess mit der BaFin wichtig, damit Unternehmen ihre Planungssicherheit erhöhen können. |