Doppelnutzen für Anleger in Liechtenstein: Internationale Investoren profitieren aus EWR-Mitgliedschaft und Bindung zur Schweiz
Das Fürstentum Liechtenstein ist das einzige Land in Europa, das gleichzeitig zwei Wirtschaftsräumen angehört. Der Zollvertrag und das Währungsabkommen mit der Schweiz binden Liechtenstein in das schweizerische Wirtschaftsgebiet ein. Gleichzeitig ist Liechtenstein dank seiner Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auch ein Land des europäischen Binnenmarktes. Die Schweiz wiederum ist nicht EWR-Mitglied. Für Liechtenstein und vor allem für Anleger, die hier investieren wollen, bringt diese einzigartige Konstellation viele Vorteile. Die enge Bindung Liechtensteins an die Schweiz geht auf die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Bis dahin ist das kleine Land am Oberlauf des Rheins - wegen der jahrhundertealten Beziehungen der Fürsten von Liechtenstein zum Hause Habsburg - eng mit der Donaumonarchie verbunden.
Was sich im 19. Jahrhundert als Vorteil erwiesen hat, wird jetzt zum Nachteil: Wie Österreich wird Liechtenstein während des Krieges 1914-1918 von den Alliierten mit einer Rohstoffblockade belegt. Zahlreiche Betriebe müssen schliessen. Die für die Staatskasse unentbehrlichen Zolleinnahmen sinken auf einen Zehntel. Als auch die Lebensmittel knapp werden, springt die Schweiz mit Lieferungen ein. Bis 1919 läuft so eine Schuld von 450\'000 Franken auf, die nur dank einer Spende des Fürsten getilgt werden kann. Durch den Zerfall der österreichischen Krone, damals in Liechtenstein amtliches Zahlungsmittel, verliert das Land praktisch sein gesamtes Sparvermögen.
Hinwendung zur Schweiz
Am 2. August 1919 beschliesst der Liechtensteinische Landtag die Kündigung des 1852 mit Österreich geschlossenen Zollvertrages. Im gleichen Jahr gibt es die erste Annäherung an die Schweiz: In Bern wird eine Gesandtschaft errichtet, und die Schweiz übernimmt die diplomatische Vertretung Liechtensteins gegenüber Drittstaaten. 1920 wird ein Postvertrag ausgehandelt, der am 1. Januar 1921 in Kraft tritt (und 1999 aufgrund der Postprivatisierung ausläuft).
Am 1. Januar 1924 wird Liechtenstein nach dem Abschluss des Zollvertrages von 1923 Teil des schweizerischen Zollgebietes. Ab Mai 1924 ist der Schweizer Franken offizielle Landeswährung.
In der Folgezeit entstehen zwischen den beiden Ländern enge Beziehungen. Sie sind eine wesentliche Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung Liechtensteins. Das Fürstentum übernimmt immer mehr gesetzliche Regelungen von der Schweiz. Einerseits ist es durch den Zollvertrag dazu verpflichtet, andererseits sprechen ganz pragmatische Gründe für die Übernahme bewährten Schweizer Rechts.
Autonom im Finanzsektor
Im Finanz-, Gesellschafts- und Steuerrecht beschreitet Liechtenstein allerdings eigene Wege: 1923 tritt ein innovatives Steuergesetz, 1926 das liberale Personen- und Gesellschaftsrecht in Kraft. Das Holdingprivileg für Sitzgesellschaften und die Vielzahl möglicher Gesellschaftsformen ziehen ausländische Investoren ins Land und geben den Anstoss für den Aufbau des Finanzplatzes Liechtenstein.
Die Banken des Landes sind eng mit dem Finanzwesen der Schweiz verbunden. Das erste Bankengesetz von 1961 lehnt sich stark an das schweizerische an. Die liechtensteinischen Banken pflegen enge Geschäftsbeziehungen mit Bankinstituten in der Schweiz, die für sie eine wichtige Adresse für die Anlage der ihnen anvertrauten Gelder sind. Früh sind die liechtensteinischen Banken auch Mitglieder der Schweizerischen Bankiervereinigung. 1980 folgt ein Währungsabkommen. Es untermauert völkerrechtlich die faktisch längst vollzogene Integration in das schweizerische Währungsgebiet.
Aussenpolitisch selbstbewusst
Die aussenpolitische Entwicklung Liechtensteins ist bis in die späten sechziger Jahre eng mit jener der Schweiz verknüpft. Dann aber stärkt der zunehmende wirtschaftliche Aufschwung das nationale Selbstbewusstsein, und Liechtenstein entfaltet - zunächst zaghaft - eigene aussenpolitische Aktivitäten. Es tritt verschiedenen internationalen Organisationen als selbständiges Mitglied bei. 1975 erhält Liechtenstein den Status eines Beobachters beim Europarat und ist ab 1978 dessen Vollmitglied. Schon vorher nimmt es mit einer eigenen Delegation an der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), der Vorläuferin der heutigen OSZE, teil. 1990 folgt der Beitritt zu den Vereinten Nationen. Er bedeutet die weltweite Anerkennung der liechtensteinischen Souveränität.
Wirtschaftlich integriert in Europa
Parallel zur Autonomie im Finanzsektor und zur Entwicklung des aussenpolitischen Selbstbewusstseins sucht Liechtenstein auch den Anschluss an die wirtschaftliche Integration in Europa. Bei der Gründung der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA im Jahre 1959 ist die liechtensteinische Teilnahme durch ein Zusatzprotokoll geregelt. Am 21. Mai 1991 wird Liechtenstein als Vollmitglied aufgenommen. Die Regierung sichert dem Fürstentum mit diesem Schritt die Möglichkeit, als selbständiger Partner an den Verhandlungen über den Europäischen Wirtschaftsraum teilzunehmen. Gut ein Jahr später erweist sich das als besonders vorteilhaft, weil die Schweizer am 6. Dezember 1992 die Teilnahme am EWR-Abkommen ablehnen, die Liechtensteiner aber nur wenige Tage später zustimmen.
Diese unterschiedlichen Abstimmungsergebnisse zeigen Folgen: Die EWR-Staaten verschieben das für den 1. Januar 1994 geplante Inkrafttreten des Abkommens um ein Jahr. Die Schweiz und Liechtenstein verhandeln darüber, wie die bilateralen Beziehungen zu gestalten sind, um Liechtenstein trotz des Neins der Schweiz eine Teilnahme am EWR zu gestatten. Das erscheint zunächst unmöglich. Doch im Sommer 1994 treffen die beiden Staaten eine Vereinbarung, der sowohl die EWR-Staaten als auch das Parlament in der Schweiz und das liechtensteinische Volk zustimmen. So wird Liechtenstein am 1. Mai 1995 Mitglied des EWR.
Besonderheiten im EWR
Wegen der einmaligen Situation Liechtensteins gelten für die praktische Anwendung des Abkommens einige Besonderheiten.
Der Warenverkehr ist neu geregelt, weil die Schweiz und Liechtenstein weiterhin ein gemeinsames Zollgebiet bilden. In Liechtenstein können heute Waren aus beiden Wirtschaftsräumen gehandelt werden. Nur solche Waren, für die in der Schweiz und im EWR unterschiedliche Vorschriften gelten, unterliegen der staatlichen Kontrolle.
Wegen der geringen Grösse und des bereits hohen Ausländeranteils gilt in Liechtenstein im «freien Personenverkehr» eine Ausnahmeregelung. Über deren künftige Ausgestaltung wird derzeit verhandelt.
Finanzplatz Liechtenstein und EWR
Der Finanzplatz Liechtenstein gewinnt durch den Beitritt des Landes zum EWR zusätzlichen Auftrieb. Das Vertrauen der Investoren baut auf die Tatsache, dass der Verbund mit 17 europäischen Ländern gleichsam die internationale Anerkennung seines Status quo und der aussergewöhnlichen Rahmenbedingungen im Finanzdienstleistungssektor bedeutet.
Entscheidend ist aber, dass der Bereich Steuern im EWR-Abkommen ausgeklammert ist. Deshalb wirken sich auch zukünftige Beschlüsse der EU zur Quellensteuer, Steuerharmonisierung und Amtshilfe in Fiskalsachen nicht auf Liechtenstein aus. So gesehen ist die Situation für internationale Anleger in Liechtenstein wesentlich vorteilhafter als beispielsweise am Finanzplatz Luxemburg, der durch seine EU-Mitgliedschaft an diese Beschlüsse gebunden ist. In der Gesetzgebung folgt Liechtenstein seinen Verpflichtungen aus dem EWR-Abkommen: Geldwäsche und Insiderhandel sind strafbar. Die berufliche Sorgfaltspflicht bei der Entgegennahme von Geldern ist neu geregelt. Sie gilt nicht nur für Banken, sondern - im Gegensatz zur Schweiz - auch für Finanzgesellschaften, Rechtsanwälte und Treuhänder. Ausländische Investoren allerdings bleiben Banken gegenüber anonym, wenn ein Rechtsanwalt oder Treuhänder die Sorgfaltspflicht ausübt.
Auch die liechtensteinischen Banken profitieren vom EWR: Sie können in jedem EWR-Land ihre Dienste anbieten und Niederlassungen eröffnen. Das «Home Country Control Prinzip» des EWR-Rechts bestimmt, dass diese Niederlassungen der liechtensteinischen Bankenaufsicht unterstehen, während Zweigniederlassungen von Banken aus EWR-Ländern in Liechtenstein von den Behörden des jeweiligen Heimatstaates kontrolliert werden. So bleibt das im Bankengesetz von 1993 verankerte, sehr strenge liechtensteinische Bankgeheimnis unangetastet. Es verpflichtet die Mitarbeiter der Banken zu lebenslanger Schweigepflicht, der auch die Institutionen der externen Bankrevision sowie alle in die staatliche Bankenaufsicht involvierten Behörden unterstellt sind.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die vom EWR verlangte Reform des Gesellschaftsrechts lediglich auf die Aktiengesellschaft, die GmbH und die Kommanditaktiengesellschaft anwendbar ist. Die für ausländische Investoren vorteilhaften Gesellschaftsformen Anstalt, Trust und Stiftung bleiben von der Harmonisierung unberührt.
Erfolgreicher Finanzplatz
Der Erfolg Liechtensteins als Finanzplatz fusst auf dem seit Jahrzehnten unverrückbaren Bekenntnis von Fürst und Regierung zum aussergewöhnlich liberalen Gesellschafts- und Steuerrecht. Durch die EWR-Mitgliedschaft ist Liechtenstein in den europäischen Binnenmarkt integriert. Gleichzeitig profitiert es aber auch vom Weiterbestehen der engen Verbundenheit mit dem Finanzplatz Schweiz. Damit bleiben die vorteilhaften Rahmenbedingungen des Fürstentums Liechtenstein als Finanzplatz auch über die Jahrtausendwende hinaus gesichert.
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) - der Weg
Jahrelang stehen sich in Europa zwei Wirtschaftsblöcke gegenüber: Die EWG der Römer Verträge von 1958 (die spätere EG) und seit 1959 die Europäische Freihandelsassoziation EFTA. 1972 unterzeichnen die Mitgliedstaaten beider Gemeinschaften ein Freihandelsabkommen. 1989 schlägt der EG-Kommissionspräsident Jacques Delors vor, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum für alle EG- und EFTA-Staaten zu schaffen. 1991 wird das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum EWR unterzeichnet. Die Schweizer Stimmbürger lehnen die Teilnahme am EWR ab. Alle übrigen EFTA-Staaten stimmen zu. Seit dem 1. Januar 1994 gibt es den EWR - ohne die Schweiz und vorerst auch ohne das Fürstentum Liechtenstein, das mit der Schweiz zunächst über die Zukunft der wechselseitigen Beziehungen verhandeln muss. Am 9. April 1995 genehmigen die Liechtensteiner Stimmbürger die neuen Vereinbarungen mit der Schweiz. Seit dem 1. Mai 1995 ist Liechtenstein Mitglied des EWR.
Steuervorteile und Währung im EWR
Die Steuern sind nicht Gegenstand des EWR-Abkommens. Im Gegensatz zu einer Mitgliedschaft in der EU fordert die EWR-Mitgliedschaft von Liechtenstein weder das Angleichen nationaler Steuersätze noch Amtshilfe in Steuersachen. Der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen EWR-Staaten ist nicht Pflicht. Das Steuerprivileg für Holding- und Sitzgesellschaften bleibt unangetastet. Die Einheitswährung EURO muss nicht eingeführt werden. Der Schweizer Franken ist in Liechtenstein weiterhin die nationale Währung.
F.L. TRENDS
Liechtensteins Banken haben 1998 erneut zugelegt und ihre Bilanzsummen um 4,5 % auf insgesamt 30,4 Mia. CHF gesteigert. Der Reingewinn stieg um 17,6 % auf 365 Mio. CHF. Insgesamt betreuten die Banken bilanzwirksame Kundenvermögen von 24,8 Mia. CHF sowie Kundendepots und Treuhandanlagen in der Höhe von 64,7 Mia. CHF. Im Bankensektor waren Ende 1998 1\'432 Personen beschäftigt.
Im Zuge der Liberalisierung der europäischen Telekommunikation werden auch die liechtensteinischen Kommunikationsdienste - seit 1921 von der Schweiz besorgt - privatisiert. Seit dem 1. Januar 1999 ist für den Inlandverkehr die Swisscom-Tochter Telecom FL AG zuständig, für den Auslandsverkehr und für die Mobilkommunikation hat die Regierung mehrere Konzessionen an private Anbieter vergeben. |