"Analystengeschwätz hoch Drei
09:00 11.04.08 In den letzten Tagen und Wochen habe ich mich wiederholt über einen Berufstand aufgeregt und geärgert. Da Ärger, den man runterschluckt früher oder später zu Infarkten oder sonstigen Malaisen führt, möchte ich an dieser Stelle meinem aufgestauten Unmut einmal Luft machen. Und diejenigen, die versehentlich mit unter die Räder kommen, mögen mir verzeihen und sich bei ihren Kollegen beschweren.
Wie Sie an der Überschrift bereits lesen konnten, ist es unschwer zu erkennen, um welchen Berufsstand es sich handelt. Ich rede von den Analysten oder solche, die sich dafür halten. Wobei ich mich zunehmend frage, ob man – nach dem was ich mitunter lesen muss – von einem Berufsstand sprechen kann.
Und wer meine Kolumnen in der Vergangenheit studiert hat, wird schnell erahnen, welcher Wert Auslöser für meine Missgunst ist. Die Ursache meines Ärgers hat einen Namen und heißt Arques Industries AG. Ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell es ist, Unternehmen in Schwierigkeiten zu einem symbolischen Preis aufzukaufen, sie umzudrehen, und dann mit einem deutlichen Aufschlag wieder zu verkaufen. Über 50 % EBIT-Zuwachs in 2007 sprechen für die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells möchte man meinen.
Es ist aber nicht nur dieser Wert. Ich könnte eine ganze Reihe aufzählen – die Merck KGaA wäre z.B. ein weiterer – wo man das Versagen dieser Kaste studieren kann.
Und um den Skeptikern vorweg gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ja ich besitze Anteile z.B. an der Arques und anderen. Und pushe die nicht künstlich um meine Verluste aufzuholen, sondern weil ich rechnen kann. Und weil ich mir im Gegensatz zu jenen, die Arbeit mache, die Unternehmen auf Herz und Nieren zu prüfen, und somit auch weiß, wovon ich spreche. Und weil ich zugreife, wenn ich für 50 Cent einen Euro kaufen kann.
Wie katastrophal manche Analysten unterwegs sind, möchte ich Ihnen im Folgenden exemplarisch an einem Beispiel aus einem anderen Bereich aufzeigen.
Nehmen wir einmal an, Sie wollten im August letzten Jahres ein Haus kaufen. Und nehmen wir weiter an, dass Sie einen Sachverständigen hinzugezogen haben, der Ihnen ein Wertgutachten erstellt hat. Das Objekt Ihrer Träume ist demnach, sagen wir mal, 600.000. Euro wert. Da Sie sich auf das Gutachten verlassen haben und das Haus Ihnen gefällt, schlagen Sie schließlich zu und kaufen das Objekt. Soweit so gut.
Ein halbes Jahr später, nämlich heute, schauen Sie zufällig in eine Veröffentlichung des Gutachters und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Haus, das sie noch im August 2007 für 600.000 Euro gekauft haben, steht dort nur noch mit einem Wert von einem Drittel, nämlich 200.000 zu Buche. Das Ihnen dabei der Kragen platzt, ist nur allzu verständlich. Auch, dass der Sachverständige gut daran tut, Ihnen künftig nicht nachts zufällig zu begegnen.
Warum erzähle ich das. Weil es bei der Arques zahlreiche Analysten geschafft haben, ihre eigenen Analysen innerhalb nicht einmal eines halben Jahres in den Papierkorb zu schmeißen und das Kurspotential und damit den Unternehmenswert dramatisch zu senken, bis hin zu einer Drittelung des ursprünglichen Wertes. Ich nenne hier nur stellvertretend die Helden der HSBC, der WestLB und des Bankhauses Lampe. Und jetzt kommt der Hammer. Das Risiko bezüglich der Actebis sei im letzten Halbjahr so stark gestiegen. Obwohl die schon seit längerem in den Büchern ist.
Ich will gar nicht lange drum rum reden. Hätte ich einen Analysten im Hause, der innerhalb eines Jahres seine eigene Analyse drittelt, den würde ich vor die Türe setzen. Warum? Weil der seinen Job verfehlt hat. Entweder hat er damals seine Arbeit nicht ordentlich gemacht oder heute. Und dabei weiß ich nicht was schlimmer ist. Wobei ich immer noch - blauäugig wie ich bin - unterstelle, dass da irgendwelche Arbeitshandlungen unternommen wurden. Und die nicht die Glaskugel bemüht haben oder vom Nachbar abgeschrieben haben.
Und ich will noch deutlicher werden. Wenn ich derzeit - jedenfalls nach den allgemeingültigen Bewertungsmodellen - eine Unternehmensbewertung vornehme, kann ich auf Werte von um die 7 bis 9 Euro gar nicht kommen. Das ist ausgeschlossen. Es sei den dass ich den Risikozinssatz gegen unendlich laufen lasse. Und dann stellt sich die Frage, ob ich überhaupt einen Wert nennen würde. Oder um es noch klarer zu sagen. Entweder man kommt zu einem deutlich höheren Wert oder man muss das Geschäftsmodell des Unternehmens in Frage stellen und dann ganz davon abraten. Halb schwanger geht auch hier nicht!
Und bei der Merck KGaA erlebte ich das gleiche Spiel. Kaum war die miesepetrige Studie aus der Analyseabteilung der Deutsche Bank AG über den angeblich dahinsiechenden Flüssigkeitskristallbereich der Merck KGaA im Markt, zogen innerhalb von Stunden gleich ein zwei Analysten großer Schweizer Banken sklavenhaft hinterher. Wobei man daran erkennen kann, dass Rückgrat und Vertrauen auf die eigene Arbeit nicht gerade hervorstechend für diese Zahlenverdreher sind. Sei’s drum.
So, nun ist der Dampf raus. Jetzt geht es mir schon gleich wieder ein klein wenig besser. Und damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bleibe bei meiner Analyse. Denn die ist wohl begründet. Und ich werde die Jungs und den Wert weiter im Auge behalten. Und sie beizeiten stellen und dann Ross und Reiter deutlich nennen. Mal schauen, zu welchem Ergebnis die Analysten der genannten Häuser in einem halben Jahr stehen. Big Brother is watching you!
Damit die Anleger draußen erkennen, auf wenn man sich verlassen kann und auf wen nicht.
Einen schönen Tag und hohe Renditen wünscht Ihnen.
Ihr Norbert Lohrke"
Quelle: http://www.stock-world.de/analysen/...lystengeschwaetz_hoch_Drei.html |