Broschek Hamburg: „Absurdes Endspiel“
Der 8. April wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem „schwarzen Freitag“ für ver.di in Hamburg werden. An diesem Tag musste der Betriebsrat von Broschek Tiefdruck den Beschäftigten in der außerordentlich einberufenen Betriebsversammlung erklären, dass nun vom „Worst Case“ ausgegangen werden muss. Also Schließung des Betriebes, noch im April, spätestens am 21. April. Von Januar bis März befand sich der Schlott-Konzern, zu dem Broschek Tiefdruck und der angeschlossene Weiterverarbeitungsbetrieb Broschek Services gehören, in der Vorläufigen Insolvenz. Noch zum Ende dieser Phase hin wurden Hoffnungen erweckt, eine Transfergesellschaft könne die schlimmsten Folgen abfedern. Mit Eröffnung der Insolvenzphase am 1, April war auch diese Hoffnung zunichte gemacht: „Massenunzulänglichkeit“ heißt der Fachbegriff dafür, dass nur aus den Erlösen der laufenden Produktion gewirtschaftet werden kann.
Insolvenzverfahren sollen – eben als „geordnete Insolvenz“ – Ordnung in die Abwicklung eines insolvent gegangenen Unternehmens bzw. einer Unternehmensgruppe bringen. „Erst die vorläufige Insolvenz, jetzt die Insolvenz selber hat das Chaos, das der Vorstand der Schlott-Gruppe hinterlassen hat noch potenziert“, bilanziert ver.di-Fachbereichsleiter Martin Dieckmann. „Noch in der vorläufigen Insolvenz schien der Vorstandsvorsitzende, Bernd Rose, wie ein bleibender Chef zu agieren. Chaotisch war das Vorgehen einerseits des Vorstandes und ein spürbarer Kontrollverlust der Insolvenzverwaltung“, kritisiert Dieckmann. Aufträge seien verschoben worden, der Verdacht, dass der Standort Hamburg systematisch „ausgetrocknet“ worden sei, wäre nur schwer zu entkräften, meint Dieckmann.
Sehr früh hat ver.di-Hamburg Kontakte zur Stadt hergestellt. Der damalige Wirtschaftssenator, Karan, dann auch sein Nachfolger, Horch, setzten alles in Bewegung, um den Standort zu sichern. „Von der Insolvenzverwaltung fühlen sich die noch Beschäftigten vollends allein gelassen, es fehlten bis zuletzt erforderliche Unterlagen – wie Zeugnisse, Jahresabrechnungen, sagt Dieckmann. „Hätten wir nicht die schnelle Hilfe von Senat und Behörden erhalten, ständen jetzt die Kolleginnen und Kollegen vollends mit leeren Händen da.“
Absurd das „Endspiel“, wie Dieckmann sagt: Noch am Vorabend der Betriebsversammlung sei das „Angebot“ eines Investors eingegangen, auf den schon zuvor viele Hoffnungen gesetzt hatten. Dieser habe „ein Programm der Grausamkeiten“ vorgelegt, wie Dieckmann sagt. Man wüsste aber mittlerweile, dass zeitgleich dieses Investment auch ganz anders dargestellt worden sei. Absurd sei das Endspiel deswegen: Noch am Vormittag des 8. April besprach ein Anwalt des Insolvenzverwalters mit dem Hamburger Betriebsrat dieses Konzept. Doch mitten in diesem Gespräch erklärte der Investor seinen kompletten Rückzug. Anderthalb Stunden vor Beginn der Betriebsversammlung änderte sich damit die Geschäftsgrundlage radikal. Sie ist nicht mehr gegeben.
In Branchenkreisen wird von einem „dunklen Spiel“ gesprochen. Wer hier wen als Strohmann oder Provokateur vorgeschickt hat, weiß aber niemand genau zu belegen. Dazu muss man wissen, dass es auch nach Entlassung bzw. mit der Arbeitslosigkeit von insgesamt 200 Beschäftigten noch immer um einen höchst interessanten Maschinenpark geht. Wer darauf am Ende den Zuschlag erhält, wird mit entscheiden, wie sich der Tiefdruckmarkt weiter entwickelt. „Ob sich die Marktmächtigen – wie Prinovis – hier am Ende durchsetzen oder nicht, ist sicherlich wichtig für die weitere Marktentwicklung“, sagt dazu Martin Dieckmann, und: „Daran, dass dies eine schwere Niederlage auch für die Gewerkschaft bedeutet, ändert es nichts.“
Am 12 April findet die nächste Sitzung des Gläubigerausschusses statt. Danach wird endgültig klar sein, ob und wie es bei Broschek in Hamburg weitergeht. „Der Ansatz, den Konzern in Gänze an einen neuen Anbieter zu übergeben, ist gescheitert“, sagt Dieckmann. „Broschek Hamburg war dabei sowieso nie vorgesehen. Jetzt droht eine Pulverisierung der letzten Konzernzusammenhänge.“ Informationen, wonach der bisherige Vorstandsvorsitzende Rose in Süddeutschland noch versucht, wieder ins Geschäft zu kommen, kommentiert Dieckmann so: „Das müssen die Kolleginnen und Kollegen dort für sich entscheiden. Wenn sie überhaupt noch etwas zu entscheiden haben. In Hamburg lässt sich Herr Rose wohlweislich nicht blicken.“ In der Broschek-Belegschaft gilt Bernd Rose als ein Hauptverantwortlicher nicht nur der Krise der Schlott-Gruppe, sondern auch des offenbar endgültigen Untergangs der beiden Hamburger Betriebe. |