Aufruf an die Muslime
"Wir müssen mehr tun als nur Abscheu zu zeigen" Aiman Mazyek, lange Jahre Pressesprecher des Zentralrats der Muslime in Deutschland, ist derzeit Chefredakteur von islam.de. Nach den Terroranschlägen in London fordert er alle Muslime auf, mitzuhelfen, "den Nährboden der nihilistischen, selbstzerstörerischen Kraft zu beseitigen, der einige Anhänger des Islam anheim gefallen sind." Von Aiman A. Mazyek
Die Terrorfratze hat in Europa wieder zugeschlagen. Viele Dutzend Tote, Hunderte Verletzte.
Nebenbei liquidiert Mussa al-Sarkawi den ägyptischen Botschafter in Irak - kaum bemerkt wegen der stündlich sich steigernden Horrormeldungen aus London.
Unser Mitgefühl und Solidarität gilt in diesen Stunden den unzähligen Verletzten und Toten und deren Angehörigen, denjenigen, die ihre Liebsten verloren haben, denjenigen, die verletzt worden sind.
"Freut euch, Gemeinschaft der Muslime", heißt es in einem vermeintlichen Bekennerschreiben der Terroristen. Was sollen wir? Sarkastischer und ekelerregender, hässlicher und grauenhafter kann ein Aufruf an die Adresse der mehr als 20 Millionen Muslime in Europa nicht sein - an die Adresse von Menschen, die das Gegenteil von Freude empfinden!
Angst und Schrecken geht bei allen Menschen um. Und bei den Muslimen noch ein wenig mehr. Weil sie nicht selten die Wut und die Ohnmacht vieler Nichtmuslime nun besonders gegen sich gerichtet sehen.
Abgesehen davon, dass auch Muslime zu den Betroffenen in den U-Bahnen, in den Bussen und auf den Strassen Londons zählen - jetzt müssen wir wieder mit den Gefühl leben, unter Generalverdacht zu stehen.
Eine Gruppe weltweit operierender fanatischer Verbrecher, die unter Missbrauch einer Weltreligion ihre schändlichen Ziele verfolgt, meint nun, sie kann uns zu Komplizen machen. Wir lassen das nicht zu!
Und dennoch, sie macht uns zu Geiseln und zu ihren Gefangenen, wenn wir uns nicht deutlicher als bisher dagegen erheben.
Mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln müssen wir uns dieser grauenhaften Botschaft entgegenstellen. Mit Friedensgebeten, Mahnwachen, Kundgebungen, Freitagsansprachen. Stehen wir auf. Stellen wir uns diesen Verbrechern entgegen!
Jetzt wird von uns Muslimen mehr abverlangt, als nur unsere Bestürzung und Verurteilung zum Ausdruck zu bringen. Die wichtigsten islamischen Organisationen in Europa und Vertreter der islamischen Staaten haben das Gott sei dank unmissverständlich und direkt gemacht.
Wir müssen aber mehr als bisher mithelfen, den Nährboden dieser nihilistischen, selbstzerstörerischen Kraft, der einige Anhänger des Islam anheim gefallen sind, zu beseitigen.
Wir müssen erkennen, dass es falsch verstandene Solidarität bedeutet, wenn wir nicht diese „Fitna“ (wörtl.: Heimsuchung, hier: Irrglaube) mit allen legalen Mitteln bekämpfen. Mit diesem ideologischen Bodensatz darf es keine noch so versteckte Affinität mehr geben.
Wir dürfen ihnen aus falsch verstandener islamischer Brüderlichkeit keinen Raum mehr in den Hinterhöfen, Vereinen und wo sie auch auftauchen mögen, geben. Auch das ist die Lehre aus diesen Tagen.
Sie mögen uns deshalb zum „Kafir“ (Ungläubigen) erklären, ja gar als Heuchler. Das nehmen wir gerne auf uns, sind sie es doch, die in die Irre gehen.
Wie viele Beweise dafür wollen wir noch abwarten? Couragiert ist heute derjenige Muslim, der diese „Fitna“ endlich beim Namen nennt.
Terrorismus und Selbstmordattentate haben weder eine Grundlage im Koran noch haben sie im Leben des Propheten eine Rolle gespielt - und Unrecht darf nicht mit Unrecht beglichen werden. Die Antwort auf Abu Ghraib und Guantanamo kann und darf nicht die Abschlachtung unschuldiger Zivilsten sein.
Das Ziel der Terroristen, Volksgruppen und Religionsgruppen gegeneinander aufzuhetzen, Angst und Schrecken zu verbreiten, die zerstörerische Kraft des Hasses weiter zu säen, sie darf nicht in Erfüllung gehen!
Die Botschaft der Mörder lautet: Muslime sind alle Terroristen. Doch in Wahrheit heißt die Botschaft für uns: Heute sind wir alle Londoner, gleich ob Muslim, Christ, Jude oder Atheist.
Aiman A. Mazyek (36) wurde in Aachen als Sohn einer deutschen Mutter und eines syrischen Vaters geboren. Er war lange Jahre Pressesprecher des Zentralrats der Muslime in Deutschland. 2000 war er Direktor des ersten Islampavillons auf einer EXPO (Hannover). Zur Zeit ist Mazyek Chefredakteur von islam.de, einem bekannten deutsch-islamischen webportal und stellvertretender Vorsitzender der von ihm und Rupert Neudeck gegründeten Hilfsorganisation Grünhelme.
scheint bei einigen bei uns unbekannt zu sein. |