http://www.boerse-online.de/aktie/nachrichten/deutschland/:Autozulieferer--Paragon-Pleite-nach-Plan/623790.html?p=1 Die Insolvenz des Autozulieferers Paragon strotzt vor Abstrusitäten: Gläubiger wie die Deutsche Bank verzichten auf 87 Prozent ihrer Forderungen - und Aktionäre feiern Kursgewinne. Wie kann das sein? paragon Mehr zum Thema Alles scheint an diesem Mann zu glänzen, die goldene Krawatte, die goldene Brille, selbst die Haare, die eigentlich braun sind, im Kameralicht aber gülden schimmern. Es ist Anfang Februar, Klaus Dieter Frers gibt ein Interview im Deutschen Anlegerfernsehen, und natürlich hat er nur Positives zu berichten: Der Vorsteuergewinn stimmt, die Cashposition stimmt. Und die Aktie erst: Die steht nach 1600 Prozent Plus binnen gut eines Jahres bei fast 14 Euro. Kein Wort davon, dass Frers Unternehmen, der Autozulieferer Paragon, vor ein paar Monaten in der Insolvenz steckte. Kein Wort davon, dass die Deutsche Bank, die Commerzbank, die HVB oder die KfW einen zweistelligen Millionenbetrag mit ihrem Paragon-Engagement verloren haben. Frers schaut jetzt nach vorn, in eine, so hofft er, goldene Zukunft. Dabei wäre der Blick zurück viel spannender. Wie kann es sein, dass eine Firma, die eben noch pleite war, nun operativ brilliert? Und warum haben die Banken auf fast 90 Prozent ihrer Forderungen verzichtet - während sich Aktionäre über eine Kursvervielfachung freuen? Meist ist es bei einem Konkurs umgekehrt: Erst haftet das Aktienkapital, danach die Gläubiger. Wie passt das zusammen? Wer sich an die Rekonstruktion des Falls Paragon macht, merkt schnell, wer von der Renaissance der Aktie am stärksten profitiert hat: Frers selbst, der nicht nur Vorstandschef ist, sondern mit 52 Prozent auch Großaktionär. Und die Deutsche Kreditbank DKB, die vordergründig nur eines der 15 Gläubigerinstitute war, tatsächlich aber andere Interessen verfolgte als die übrigen Banken. 2000 geht Paragon an die Börse, von da an wächst der Mittelständler aus dem westfälischen Delbrück rasant, auch dank der DKB, die 2001 als Kreditgeber einsteigt und zu einer Art Hausbank für Frers und dessen Firma wird. In den Jahren darauf eilt Paragon scheinbar von Erfolg zu Erfolg, der auf Sensoren spezialisierte Zulieferer zählt praktisch alle großen Autokonzerne zu seinen Kunden. 2006 macht das Unternehmen erstmals mehr als 100 Mio. Euro Umsatz. Schon damals ist das Wachstum indes stark auf Kredit gebaut, "die Firma hat es nie geschafft, die Bilanz aufzuräumen", sagt ein Insider. Konsequenz: Als 2008/2009 die Krise kommt, droht Paragon unter der Schuldenlast von knapp 140 Mio. Euro zu ersticken. Die Banken sollen daher auf 40 Prozent ihrer Ansprüche verzichten, doch die Gespräche darüber scheitern im September 2009. Kurz darauf kündigt Frers die Insolvenz an. Er will Gläubiger abschütteln und nimmt in Kauf, dass die Aktie auf 81 Prozent abstürzt. Es ist ein riskantes Spiel, denn im Insolvenzverfahren sind die Gläubiger in der stärkeren Position. Frers hat aber zwei Trümpfe in der Hand: Die Banken und der Insolvenzverwalter lassen sich auf ein Planverfahren ein, eine Spezialform des Insolvenzrechts, mit dem Pleitier Frers Herr der Lage bleibt. Und: Eine der Banken, die DKB, steht fest an seiner Seite. Warum? Frers schuldet der DKB Geld, es geht um einen privaten Kredit, mit dem er seine Aktienmehrheit an Paragon finanziert. Besichert ist das Darlehen mit Paragon-Aktien. Der DKB ist also daran gelegen, dass die Aktien werthaltig bleiben und die Eigentümerstruktur trotz der Pleite nicht angetastet wird. Die DKB hält aber noch ein anderes Pfand in der Hand: Während die Kredite anderer Gläubiger kaum besichert sind, hat die DKB als Sicherheit für ihre Paragon-Kredite Zugriff auf die Grundschuld wertvoller Firmengrundstücke. Andere Banken merken erst spät, in welche Lage sie sich manövriert haben: Die Krise ist bald vorbei, Paragon schreibt operativ schwarze Zahlen, die Aktie steigt - doch sie selber sind im Insolvenzverfahren gefangen und drohen bei einer Zerschlagung von Paragon leer auszugehen. Im September 2009 haben sich die Institute noch gegen einen 40-prozentigen Verzicht gewehrt. Im April 2010 stimmt die Gläubigerversammlung mehrheitlich für einen Verzicht von 87 Prozent. Und heute? Im am Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht zeigt sich Paragon lernfähig: Auch in der Vergangenheit habe man gute Gewinne erzielt, "die jedoch durch hohe Zinsen buchstäblich aufgefressen wurden. Hier haben wir klar gegengesteuert." Mehr zum Paragon-Comeback in der aktuellen Ausgabe von Impulse |