Hamburg - In Deutschland ist es Usus, dass Unternehmen auf Parteitagen Informationsstände aufstellen; ebenso gilt es als normal, dass Firmen dafür oft Tausende Euro zahlen. Seit der Sponsoring-Affäre um Jürgen Rüttgers wird diese Art der Parteienfinanzierung allerdings kritisch betrachtet: Rechtfertigen die Zusatzeinnahmen für die Parteikasse es wirklich, dass man Wirtschaftslobbyisten gerade dort eine Bühne bietet, wo Parteien ihre politische Linie definieren und wichtige personelle Entscheidungen treffen?
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Wie wichtig diese Frage ist, zeigt eine Geschichte vom FDP-Parteitag 2009: Sie belegt, wie groß die Möglichkeiten von Lobbyisten sind, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen.
Am 17. Mai 2009 betrieb die Agentur für Erneuerbare Energien auf dem 60. Bundesparteitag der Liberalen einen knapp 70 Quadratmeter großen Stand. Kosten: 15.400 Euro, plus einige Tausend Euro für Auf- und Abbau, Strom und Catering. Anders als im Fall Rüttgers gab es kein Angebot, gegen Aufpreis einen Spitzenpolitiker exklusiv als Gesprächspartner oder Fotomotiv an den Stand zu bekommen, erklärt ein Verbandssprecher.
Dennoch hat sich die Investition - vor allem aus Sicht der Solar-Industrie - offenbar gelohnt. Deren zentrale Interessenvertretung, der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), war an dem Stand vertreten, und nach dem Parteitag brüstete er sich in einem Rundschreiben an die Mitglieder damit, wie groß die politische Einflussnahme vor Ort gewesen sei:
"Mit einem energiepolitischen Paradigmenwechsel endete der Bundesparteitag der FDP", heißt es in dem Brief vom 20. Mai 2009, der SPIEGEL ONLINE vorliegt. "Mit knapper Mehrheit beschlossen die rund 500 Delegierten einen Änderungsantrag, der ein klares Bekenntnis zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) setzt."
"FDP-Kontakte genutzt"
Die Wende war in der Tat beachtlich: Jahrelang hatte die FDP auf die Abschaffung des EEG gepocht; sie wollte stattdessen eine sogenannte Mengensteuerung einführen. Die Energieversorger wären so zur Abnahme einer bestimmten Menge Regenerativstroms verpflichtet worden. Anders als beim EEG wäre die Ökostromförderung so begrenzt worden. 2005 hatte die etablierte Kohle- und Atomwirtschaft einen weitgehend identischen Vorschlag gemacht.
Jetzt plötzlich ließ sich aus Sicht der Solarkonzerne sagen: Mehr FDP, mehr Öko. Oder, genauer: Mehr FDP, mehr Öko-Subventionen. Und der Solar-Verband rühmte sich ausgiebig damit, die FDP umgepolt zu haben.
Auslöser der "programmatischen Wende" sei eine Initiative des Regensburger Bundestagsabgeordneten Horst Meierhofer gewesen, "der durch die tatkräftige Unterstützung des BSW und zahlreicher Branchenvertreter ausreichend Rückhalt bei den FDP-Delegierten fand", heißt es in dem Schreiben. Und weiter: "Bereits im Vorfeld hatten insbesondere die BSW-Solar-Vorstände Frank Asbeck (Solarworld) und Klaus Hofmann (Schott) ihre guten FDP-Kontakte genutzt."
Auf dem Parteitag, am Stand der Agentur für Erneuerbare Energien, zahlte sich die minutiöse Vorarbeit nach BSW-Darstellung aus: Dort "spielten sich BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig und BSW-Lobbyist Rainer Brohm mit Kollegen des Dachverbandes BEE und Vertretern der anderen Spartenverbände die Bälle zu".
Hervorzuheben sei zudem das Engagement einzelner BSW-Mitglieder. "Im Rahmen vieler Einzelgespräche konnten Delegierte aus zahlreichen FDP-Landesverbänden für die Unterstützung des Antrags gewonnen werden", heißt es in dem Schreiben weiter - unter anderem "die Landesvorsitzenden aus Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin sowie weitere wichtige Delegierte aus Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein".
Umweltministerium an Agentur für Erneuerbare Energien beteiligt
Der BSW verteidigte die eigene Initiative auf Anfrage: "Parteitage haben zunehmend messeartigen Charakter", teilte ein Sprecher mit. "Eine Vertretung der Erneuerbaren Energien als inhaltliches Gegengewicht zu dem Auftritt der großen konventionellen Energiewirtschaft erscheint mir legitim."
Die FDP teilte mit, man sei vom BSW nicht beeinflusst worden. "Der erwähnte Beschluss war in verschiedenen Teilen der Partei bereits länger als ein Jahr vor diesem Parteitag vorbereitet worden", teilte ein Sprecher der Parteipressestelle mit. "Lobbyisten mögen ihre eigene Arbeit preisen, in der Parteiwirklichkeit bilden sich aber Mehrheiten unabhängig davon." Auch der Abgeordnete Horst Meierhofer sagte, seine Entscheidung sei vom BSW nicht beeinflusst worden.
Tatsächlich ist es möglich, dass der BSW die eigene Macht in dem Schreiben zu Werbezwecken übertreibt. Dennoch zeigt das Beispiel, wie problematisch es ist, Lobbyvertretern auf Parteitagen Stände zu vermieten: Die Möglichkeiten, unmittelbar vor wichtigen Abstimmungen Einfluss zu nehmen, sind beträchtlich.
Und die Geschichte vom FDP-Parteitag ist noch aus einem weiteren Grund problematisch: Die Agentur für Erneuerbare Energien wird zu einem beträchtlichen Teil vom Bundesumweltministerium (BMU) finanziert.
Die Agentur für Erneuerbare Energien ist aus einer Informationskampagne der Regierung für saubere Strom- und Wärmeerzeugung hervorgegangen und hat sich erst später zu einem Branchenverband entwickelt. 2009 - unter den Fittichen von Sigmar Gabriel (SPD) - trug das BMU noch zu 30 Prozent die Verbandskosten. 2010
- unter der Führung seines Nachfolgers Norbert Röttgen - wurde dieser Anteil auf 25 Prozent zurückgefahren. 2011 soll die Agentur ganz aus privatwirtschaftlicher Hand finanziert werden.
Ein Verbandssprecher betonte, das Bundesumweltministerium habe für den Stand auf dem FDP-Parteitag "kein Geld beigesteuert". Zwar habe die Agentur für Erneuerbare Energien die Kosten zunächst übernommen; sie seien den Unternehmen, die den Stand genutzt haben, aber später in Rechnung gestellt worden. Der Solarverband BSW teilte mit, man habe sich an den Standkosten nicht beteiligt. Das BMU selbst hat sich auf Anfrage bislang nicht zu dem Vorfall geäußert.
Die Möglichkeit zur Unternehmenspräsentation auf Bundesparteitagen will die Agentur für Erneuerbare Energien nach eigenen Angaben auch 2010 nutzen, unter anderem vom 24. bis 25. April in Köln bei der FDP, im September in Berlin bei der SPD, vom 14. bis 16. November in Karlsruhe bei der CDU, vom 19. bis 20 November in Freiburg bei den Grünen und vom 29. bis 30. Oktober in München bei der CSU.
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