22. März 2012, 15:19 Uhr
Im eisigen Südatlantik tobt eine wilde Propagandaschlacht. Argentinien will die verschlafenen Falklandinseln zurück. Doch Großbritannien verteidigt seinen Außenposten eisern. Der Grund: Im Meeresboden vor den Eilanden soll ein Öl-Schatz ruhen.
Der jüngste Vorstoß für die friedliche Rückeroberung der "Malvinas", wie die Falklandinseln in Lateinamerika genannt werden, erfolgte in Lima, der Hauptstadt von Peru. Dort verbot die Regierung der britischen Fregatte HMS "Montrose", im Hafen von Callao anzulegen. Außerdem sagte Präsident Ollanta Humala einen für Mai vorgesehenen Staatsbesuch in London ab.
Die Solidaritätsgeste der Peruaner ist ein Etappensieg für Buenos Aires im Kalten Krieg um das Archipel im Südatlantik. In den vergangenen Monaten hat Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner den Anspruch Argentiniens auf die Inseln vor ihrer Küste bekräftigt und dabei praktisch ganz Südamerika hinter sich geschart.
Brasilien, Uruguay, Peru und sogar Chile, das unter Diktator Pinochet den Engländern noch logistische Unterstützung im Krieg gewährt hatte, unterstützen den argentinischen Souveränitätsanspruch.
Am 2. April vor dreißig Jahren besetzten argentinische Truppen auf Befehl der damals herrschenden Militärjunta unter der Führung von General Leopoldo Galtieri die Inseln. Großbritanniens Premierministerin Margaret Thatcher entsandte ihre Flotte in den Südatlantik, vor der Hauptstadt Port Stanley kam es zur Seeschlacht.
Gut zwei Monate dauerte der Krieg, über 900 Menschen verloren das Leben, schließlich wehte wieder der Union Jack über Port Stanley. Für die Militärdiktatur in Argentinien läutete die Niederlage das Ende ein, in London wurde die eiserne Lady als Kriegsheldin gefeiert.
Drei Jahrzehnte später steht zwar kein neuer Waffengang zu befürchten, dafür tobt der Kalte Krieg zwischen Buenos Aires und London angesichts des nahenden Jahrestags so heftig wie nie. Beide Seiten bedienen sich diplomatischer, wirtschaftlicher und propagandistischer Mittel, um ihren Anspruch zu untermauern.
London hat seinen verschlafenen Außenposten vor Südamerika in den vergangenen 30 Jahren mit Subventionen aufgepäppelt, 2000 britische Soldaten sind auf der Basis Mount Pleasant stationiert. Der prominenteste ist Prinz William, Sohn des britischen Thronfolgers. Charles' Ältester trainierte zuletzt wochenlang in Port Stanley als Hubschrauberpilot.
London pocht auf das Selbstbestimmungsrecht der Kelpers, wie die 3000 Bewohner heißen. Die wollen ihre britische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben. Sie haben überall auf den Inseln britische Flaggen gehisst. Man fährt links, trinkt Tee und macht sich über den Erzfeind auf dem Festland lustig. Fotos von Ex-Diktator Galtieri zieren die Kloschüsseln in den Inselkneipen.
Kelpers kokettieren mit der Unabhängigkeit
Doch die Siegerpose trügt: Politisch befindet sich Großbritannien in der Defensive. Die Zeit, als in Südamerika brutale Kommissköpfe herrschten, ist lange vorbei, heute wird der Subkontinent von selbstbewussten Demokraten regiert. Wirtschaftlich hat das aufstrebende Brasilien gerade Großbritannien überholt, auch Argentinien steht nicht schlecht dar. Präsidentin Fernández de Kirchner wurde jüngst wiedergewählt, als Feindbild taugt sie nicht.
Auch in den Vereinten Nationen schwindet der Rückhalt für Großbritannien. Die meisten Staaten sehen den Falkland-Konflikt als Relikt des Kolonialismus. Dabei sind die Inseln genau genommen keine Kolonie, sondern ein britisches Überseeterritorium. Einige Kelpers kokettieren damit, dass sie sich unabhängig erklären könnten - doch aus Furcht vor den Nachbarn auf dem Festland bleiben die meisten lieber Bürger des Vereinigten Königreichs.
Eigentlich sei es Argentinien, das die Inseln kolonialistisch unterwerfen wolle, wetterte jüngst Premierminister David Cameron. Buenos Aires leitet seinen Souveränitätsanspruch aus dem Argument ab, dass Argentinien nach seiner Unabhängigkeit in dieser Region der legitime Erbe des spanischen Kolonialreichs sei.
Auf den Inseln wird das Obst knapp
In den vergangenen Wochen hat sich der Konflikt zugespitzt: London schickte ein Kriegsschiff; Buenos Aires überredete seine Verbündeten in der Region, Schiffen unter der Falklandflagge das Anlegen zu verweigern. Das trifft die Inselwirtschaft: Bislang wurden die Falklands via Montevideo in Uruguay oder über Chile mit Lebensmitteln versorgt. Jetzt würden auf den Inseln frische Früchte knapp werden, klagen die Bewohner.
Vor zwei Wochen schien es, als würde Argentiniens Präsidentin einlenken. Sie würde der Einrichtung einer ständigen Flugverbindung von Argentinien auf die Inseln zustimmen, flötete sie. Bislang gibt es nur zwei reguläre Flüge nach Port Stanley, sie starten im chilenischen Punta Arenas. Die Briten durchschauten das Manöver und lehnten empört ab: Wenn sie einer argentinischen Linie das Landerecht auf den Falklands einräumten, würden sie damit ihre Lufthoheit aufgeben, so die Befürchtung.
London startete einen eigenen Propagandafeldzug: Außenminister William Hague tourte durch Südamerika und umwarb Argentiniens Verbündete, Brasilien bot er Unterstützung für einen festen Sitz im Uno-Sicherheitsrat an. Zugleich lud die Regierung Journalisten aus Argentiniens Nachbarländern zu Besuchen nach Port Stanley ein. Bei lauwarmem Bier lernten sie britische Lebensart im Südatlantik kennen, besuchten Pinguinkolonien und durften den Gouverneur interviewen.
Geht es um Ehre - oder um Erdöl?
In Wirklichkeit geht es in dem Streit um mehr als nationale Eitelkeiten: Spezialisten vermuten im Meeresboden bei den Falklandinseln riesige Ölvorkommen. Mehrere britische Firmen suchen rund um das Archipel nach Öl. Der Traum von einer "Nordsee im Süden" sei das eigentliche Motiv für die Eskalation des Konflikts, sagt der ehemalige argentinische Außenminister Jorge Taiana. Argentinien werde "alles tun, was in seiner Macht steht, um die Ölförderung zu verhindern".
Die Regierung drohe allen Firmen, die bei den Falklands nach Öl suchen, mit einer Prozessflut, bestätigte Außenminister Héctor Timerman in der vergangenen Woche: Die Regierung werde alle diplomatischen und juristischen Anstrengungen unternehmen, um die "Ölreserven, die dem Volk und der Republik Argentinien gehören, zu schützen".
Damit würde Buenos Aires womöglich auch einigen Kelpers einen Gefallen tun. Denn nicht alle Inselbewohner sind vor der Aussicht auf einen Ölboom begeistert. "Wir sind hier geblieben wegen der Freiheit, der Ruhe und der Sicherheit, keiner hier schließt seine Haustür ab", sagte die Tierärztin Zoe Luxton jüngst einem Reporter des amerikanischen "Miami Herald". "Ich frage mich, ob das alles eine Geldschwemme überleben wird".