Hohe Preise haben im Sommer die deutschen Kunden vergrault. Seither sind die Anlagen deutlich billiger geworden, 2007 sollen sie nochmal günstiger werden. So glauben die Hersteller an weiterhin kräftiges Wachstum. Gewinnwarnungen wie von der Hamburger Sun Energy bleiben deshalb Ausnahmen. Von Michael Schneider
Hamburg - Noch vor wenigen Monaten war Martin Schulz-Colmant bester Stimmung. Der Vorstandssprecher des Hamburger Solarunternehmens Reinecke + Pohl Sun Energy AG hatte für das erste Halbjahr mit der Verdreifachung des Umsatzes auf 32,7 Millionen Euro einen glänzenden Abschluss vorgelegt und zugleich eine atemberaubende Prognose gegeben: Die Geschäfte sollten sich bis zum Ende 2007 nochmal mehr als verdoppeln.
Doch die Euphorie ist längst verflogen. Denn für Sun Energy kam es seither knüppeldick. Der Geschäftsführer einer der beiden operativen Tochtergesellschaften in Meppen schied wegen juristischer Verstrickungen, die überhaupt nicht mit der Firma in Verbindung stehen, plötzlich aus dem Unternehmen aus. Abschreibungen auf Forderung aus einem nicht realisierten Projekt und hohe Kosten für eine ausgegebene Wandelschuldverschreibung verunzierten das Zahlenwerk. Mehr noch: Die Nachfrage nach Solartechnik blieb deutlich schwächer als erwartet. Am 20. Oktober musste das börsennotierte Unternehmen schließlich eine Gewinnwarnung herausgeben. Die Ziele für 2007 seien nicht mehr zu erreichen, hieß es.
Für Experten kam die Botschaft kaum überraschend, denn längst waren über der erfolgsverwöhnten Solarbranche dunkle Wolken aufgezogen - was auch zahlreiche andere norddeutsche Firmen wie Conergy, Aleo Solar, BP Solar oder Sharp Electronics heftig zu spüren bekamen. So hatten Anfang Oktober Hochrechnungen der renommierten Fachzeitschrift "Photon" ergeben, dass in Deutschland die Zahl der installierten Anlagen in diesem Jahr kontinuierlich sinkt. 2005 gingen Solarmodule mit rund 850 Megawatt (MW) ans Netz, 2006 dürften es nur noch 600 MW sein.
Die schwächelnde Nachfrage hat einen einfachen Grund: Solaranlegen waren bis zum Sommer so teuer geworden, dass sich die Investitionen auch nach Abzug der Einspeisevergütung nach dem Gesetz über Erneuerbare Energien (EEG) immer schlechter rechneten.
Hans-Martin Rüter, Vorstandschef des Hamburger Branchenführers Conergy AG (Umsatz 2005: 530 Millionen Euro), sieht darin jedoch keinen Anlass zur Beunruhigung: "Die Preise lagen zur Jahresmitte um rund zehn Prozent höher als zwölf Monate zuvor - während die Einspeisevergütung wie jedes Jahr um fünf Prozent zurückging. Kein Wunder, dass die Rechnung für die Kunden nicht mehr stimmte."
Doch schon jetzt zeigten sich laut Rüter deutliche Tendenzen der Besserung. Das Preisniveau sei wegen des inzwischen verstopften Marktes seit dem Sommer um zehn Prozent gefallen, und bis Mitte 2007 rechne die Branche nochmal mit einem Rückgang in gleicher Höhe. Rüter: "Dann haben wir wieder Preise wie 2005, und es wird wieder aufwärts gehen."
Rüter spricht nicht nur für sein Unternehmen, er ist zugleich Vorsitzender des Vorstands des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW). Rüter: "Wir sind trotz der Delle im Verband ganz entspannt. Im nächsten Jahr wird die Nachfrage wegen der günstigeren Preise wieder stark anziehen."
Dafür spricht seiner Meinung nach vor allem die abzusehende Versorgungslage bei dem für die Solarzellenherstellung entscheidenden und knapper werdenden Rohstoff Silizium. Die Lieferanten hätten zuletzt so massiv investiert, dass für die kommenden zwei Jahre mit Verdoppelung der Volumina gerechnet werden könne.
Auch die Margen der Solarfirmen dürften sich mittelfristig wieder bessern. Denn mit neuen Technologien wie der sogenannten Dünnschichttechnik steige der Wirkungsgrad der Anlagen und somit auch die Produktivität.
Hinzu komme, dass die gegenwärtige Stagnation lediglich den deutschen Markt betreffe. Rüter: "Der Weltmarkt ist kerngesund." Davon profitieren viele Firmen wie Conergy. Allein im ersten Halbjahr 2006 verdreifachte die Firma ihren Auslandsumsatz von 20,4 Millionen auf 60,5 Millionen Euro, das ist rund ein Viertel des Gesamtumsatzes. Die Geschäfte in Europa, aber auch in den USA florieren deshalb, weil inzwischen in zahlreichen Ländern dem EEG ähnliche Förderprogramme aufgelegt wurden.
Nicht nur deshalb werde es von Conergy in den nächsten Wochen keine Gewinnwarnung geben, das Unternehmen rechne nach wie vor für 2006 mit einer Umsatzsteigerung von 50 auf mehr als 800 Millionen Euro, sagt Rüter. Im Großhandelsgeschäft spüre man die Inlandschwäche zwar, aber gute Margen bei den Projektgeschäften der operativen Töchter SunTechnics oder Voltwerk glichen das allemal aus. Zudem sei Conergy massiv in die Bio-Energie eingestiegen und deshalb breiter aufgestellt als viele Konkurrenten.
Auch Franz Nieper, für Investor Relations zuständiger Manager bei der Oldenburger Aleo Solar AG, gibt sich optimistisch. Vor allem habe die Nachfrage wieder angezogen, sagt Nieper. Auch aufgrund des guten Auslandsgeschäfts glaubt Aleo Solar die Prognose für 2006 halten zu können: Der Umsatz (2005: 106,9 Millionen Euro) soll um mindestens 25 Prozent wachsen.
So herrscht denn auch bei der gebeutelten Sun Energy keineswegs nur Katzenjammer. Die Firma habe unverändert gute Zukunftsaussichten und eine gute Finanzausstattung, schrieb Schulz-Colmant in seiner Gewinnwarnung.
Artikel erschienen am 29.10.2006 |