(natürlich nicht mit eigenen Worten beschrieben)(ich hoffe Fritz vergibt mir)
Osnabrück. Welcher Roman wird mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet? Am 12. Oktober wird der Preis vergeben. Sechs Bücher stehen auf der Shortlist. Wir stellen die Titel auf den Prüfstand. Heute: Christine Wunnickes Roman "Die Dame mit der bemalten Hand".
Zweimal hatte Wunnicke es zuvor schon auf die Longlist geschafft. In ihren Romanen setzt sie historische Wissenschaftler in den Mittelpunkt, flicht sie in ihre atmosphärische Erzählung ein und beweist, dass historische Romane leicht sein können. Carsten Niebuhr ist die Figur, die Wunnicke sich diesmal ausgesucht hat: Der norddeutsche Mathematiker wird 1761 mit fünf weiteren Expeditionsteilnehmern nach Arabien geschickt. Nacheinander erkranken sie allesamt an Malaria, er überlebt als einziger. Wunnicke greift Niebuhrs Reise gut recherchiert auf und haucht ihr Leben ein: Fiebrig lässt sie ihn auf Elephanta, nahe Mumbai, stranden. Gefunden wird er dort von dem aus Jaipur stammenden Astronomen Musa al-Lahuri, dessen Weg nach Mekka sich zunächst ebenfalls auf der Insel verläuft. Hier weiterlesen: Auf der Shortlist: Anne Webers Roman "Annette, ein Heldinnenepos".
Geistreiche Dialoge
Liebevoll führt Wunnicke ihre Figuren ein: Niebuhr ist ein leidenschaftlicher Wissenschaftler, der seinen Mitmenschen zwar neugierig, aber mit einer urkomischen Ehrfurcht begegnet. Musa ist ein Patriarch, der seinen minderjährigen Diener scheucht, aber unter dem Älterwerden leidet und sich in seinen Erzählungen gern einen Spaß mit Niebuhr erlaubt. Das macht ihre herrlich geistreichen Dialoge zugleich leicht und unterhaltsam. Wunnicke erschafft zwischen den beiden eine Begegnung, in der ihre Verschiedenheit zunächst keine Rolle spielt. Es entsteht ein zartes Band, getragen durch das gemeinsame Interesse an den Sternen und der Mathematik.
Niebuhr als Forscher erfreut sich an Musas Erzählungen über dessen Kultur und Geschichte. So ist Wunnickes Roman ein Einblick in eine fremde Welt. „Ich kann dir nicht folgen“, stellt Niebuhr an einer Stelle fest und das ist wohl die einzige Schwäche des Romans: An mancher Stelle fällt es tatsächlich schwer, den fremden Worten zu folgen. Es scheint, als würde Musa daraufhin zu den Lesenden und nicht nur zu Niebuhr sagen, er solle sich nicht um Einzelheiten scheren: „Ich verbreite nur indische Stimmung, damit du dich indisch fühlst.“ Subtil wird hier deutlich, dass nicht alles verstanden werden muss. Die große Friedensbotschaft bleibt bis zum Schluss aus und das ist, was Wunnicke zurecht auf die Shortlist gebracht hat: Ohne erhobenen Zeigefinger lädt sie ein, in ihre Erzählung einzutauchen und Teil der Begegnung zu sein.
Christine Wunnicke: Die Dame mit der bemalten Hand . Roman. Berenberg Verlag. 168 Seiten. 22 Euro.
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