VW-Strategiechef Thomas Sedran erklärt :
Herr Sedran, wie wird sich die Lithium-Nachfrage in den nächsten Jahren entwickeln? Mit dem Ansteigen der E-Mobilität vor allem ab 2020 und darüber hinaus wird natürlich auch der Bedarf an Lithium überproportional ansteigen. Wir gehen weltweit ungefähr von einer Verdreifachung bis 2025 aus. Auf die Automobilbranche entfällt heute noch ein kleiner Teil, auf längere Sicht gesehen wird es etwa die Hälfte des Weltbedarfes sein. Entsteht da nicht eine völlig neue Abhängigkeit? Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen sind wir beim Lithium in der komfortablen Situation, dass dieser ausreichend vorhanden ist. Wir sehen als Automobilhersteller erst einmal keine Engpässe in der grundsätzlichen Verfügbarkeit. Natürlich stehen wir aber vor der Frage, wie wir als Konzern die Versorgung nachhaltig absichern. Fakt ist: Um den weltweit steigenden Bedarf abdecken zu können, müssen neue Vorkommen erschlossen werden.
Wie wird Volkswagen vorgehen? Im Volkswagen-Konzern haben wir dazu noch keine Grundsatzentscheidung getroffen. Zum einen könnten wir unseren Bedarf über Vereinbarungen mit den Unternehmen decken, die uns künftig mit Batteriezellen beliefern. Genauso gut könnten wir eigene Verträge unmittelbar mit den Lithium-Produzenten abschließen. Vielleicht beteiligen wir uns auch an Minengesellschaften. Wahrscheinlich aber wird es eine Mischung aus allem werden.
Wie wichtig ist die Kooperation mit den Herstellern von Batteriezellen? Die Batteriezellenfertigung ist sehr know-how- und kapitalintensiv. Weltweit gibt es nur ein paar Unternehmen, die das wirklich können. Wir machen die Batterietechnologie zu einer Kernkompetenz im Konzern und wollen die gesamte Prozesskette technologisch verstehen. Die Batterie ist das Herzstück der E-Mobilität und ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, wie es der Verbrennungsmotor heute ist. Für Anbieter wie Samsung, LG oder Panasonic arbeiten Tausende von Chemikern in der Zellentwicklung. Um auf Augenhöhe mit den anderen Herstellern zu bleiben, sind strategische Partnerschaften sowie auch gemeinsame Fertigungen sinnvoll und wichtig. Mit wem, wird gerade verhandelt.
Wie sieht es mit der politischen Stabilität der wichtigsten Lithium-Förderländer aus? Da müssen wir uns glücklicherweise keine großen Sorgen machen. Die drei wichtigsten Förderländer sind Argentinien, Chile und Australien. China wird noch dazukommen. Nach jüngsten Prognosen sollten die Lithium-Reserven ungefähr 400 Jahre ausreichen – vielleicht auch eine längere Zeit. Am Ende verhält es sich beim Lithium wie beim Rohöl: Wenn der Preis steigt, dann können auch jene Fördergebiete erschlossen werden, in denen die Lithium-Gewinnung teurer ist.
Wie wird Lithium überhaupt gefördert? Der überwiegende Teil wird heute aus sogenannten Salaren, das sind Salzseen, gewonnen. Da lässt sich das Lithium vergleichsweise einfach und kostengünstig herausfiltern. Mit dem Ansteigen des Bedarfs müssen die zusätzlich benötigten Mengen dann wahrscheinlich in Minen gewonnen werden. Da sind wir dann im klassischen und maschinell aufwendigeren Bergbau angekommen, dieser sollte aber auch wirtschaftlich realisierbar sein.
Befürchten Sie stark steigende Preise? Als Automobilhersteller sind für uns natürlich stabile Preise ein wichtiges Thema. Für einen Teil unseres Bedarfs werden wir deshalb langfristige Verträge zu festen Preisen abschließen, das erhöht die Planbarkeit. Einen kleineren Rest, der aus dem Mehrbedarf aus Spitzen resultiert, wird man dann immer aktuell zukaufen.
Wie viel Lithium braucht der VW-Konzern? Sie können sicher verstehen, dass ich Ihnen dazu keine genaue Zahl nennen kann. Unser Verbrauch heute ist natürlich noch recht überschaubar.
Wenn man den Weltmarktanteil von Volkswagen nimmt, dürften es Zehntausende Tonnen werden. Das ist sicherlich nicht falsch gerechnet.
Sind Ihre Mitarbeiter vielleicht schon längst in Ländern wie Argentinien unterwegs, um mit Bergbaukonzernen zu verhandeln? Als Unternehmen liegt es in unserer kaufmännischen Verantwortung, den Lithium-Bedarf langfristig abzusichern. Genau zu diesem Zweck haben wir beispielsweise auch in Argentinien Mitarbeiter vor Ort, um mit den Lithium-Förderunternehmen Geschäftsbeziehungen auf- und auszubauen. Umgekehrt gibt es aber allein schon durch die Größe des Volkswagen-Konzerns ein starkes Interesse seitens der Anbieter, mit uns ins Geschäft zu kommen.
China ist eine wachsende Macht bei Lithium. Da sehen wir durchaus ein Thema: Verschiedenste chinesische Unternehmen, darunter auch Autohersteller, haben schon Anteile an Minen gekauft, um ihre Grundversorgung abzusichern. Natürlich beobachten wir die Entwicklungen auf dem Lithium-Weltmarkt sehr genau.
Welche grundsätzlichen Überlegungen spielen da mit rein? Wenn man sich die Grundzüge der chinesischen Industriepolitik vor Augen führt, dann ist das Teil eines größeren Plans. China hat sich ja zum Ziel gesetzt, der weltweit größte Markt und führend in der Technologie für Elektrofahrzeuge zu werden.
Die neuen Minen, die jetzt in China erschlossen werden, sollen wahrscheinlich überwiegend den Eigenbedarf decken? Das erwarten wir.
Nur den Bedarf der lokalen Autohersteller oder auch von Joint Ventures wie mit Volkswagen? Der Volkswagen-Konzern ist in China seit mehr als drei Jahrzehnten ein geschätzter Investor und Partner. Ab 2018 werden wir in einem neuen Joint Venture zusammen mit dem chinesischen Hersteller JAC reine Batterie-Fahrzeuge für die Volumensegmente produzieren. Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass es bei der Lithium-Wertschöpfungskette einen Konsens geben wird. Schließlich ist es im Interesse aller, dass die chinesischen Werke laufen und produktiv sind.
Gibt es wichtige technische Entwicklungen, die sich bei der Batterie abzeichnen? Parallel zur Lithium-Batterie legen wir einen starken Fokus unserer Anstrengungen auf die sogenannte Feststoffbatterie, die die nächste Batterie-Generation darstellt. Sie bringt den großen Vorteil mit sich, dass die Energiedichte um 30 Prozent höher ist. In jedem Kilogramm Batterie steckt deutlich mehr Energie, was auch viel mehr Reichweite bedeutet. Mit der Serienreife der Feststoffbatterie ist jedoch nicht vor 2025 zu rechnen.
Wie lange kalkulieren Sie denn mit der aktuellen Variante der Lithium-Batterie? Die Lithium-Batterie wird zumindest bis zum Jahr 2030 dominieren, danach könnte sich die Feststoffbatterie durchsetzen, die jedoch auch Lithium als Material benötigt.
Sprechen Sie mit anderen Autoherstellern über Einkaufsbündnisse für Lithium? Nein, hier geht jeder Automobilhersteller seinen eigenen Weg, genauso wie jeder seine eigene Strategie in Sachen Elektromobilität verfolgt.
Schon in drei Jahren soll es mit der Produktion von Elektroautos richtig losgehen. Wird das Lithium dann wirklich vorhanden sein? Am Elektroauto führt künftig kein Weg mehr vorbei, und für die Batterien benötigen wir Lithium als Rohstoff. Diese Entwicklung wird auch stark vom Gesetzgeber getrieben, da die Einhaltung der ab 2020 geltenden CO2-Emissionsgrenzen für den Flottenmix nur mit dem Elektroauto zu realisieren ist. Heute haben wir für Lithium Überkapazitäten, und wir gehen davon aus, dass die künftig benötigten Mengen ebenfalls erschlossen werden.
Aber werden Sie die Kunden am Ende wirklich zum Kauf von Elektroautos bewegen können? Aus meiner Sicht haben wir als Hersteller zwei Hebel in der Hand, um E-Mobilität für unsere Kunden attraktiver zu machen. Der erste ist die reale Reichweite, die wir bis 2020 auf rund 500 Kilometer ausbauen werden – vielleicht auch mehr. Der zweite ist der Preis, im Wesentlichen durch sinkende Batteriekosten. Bei der Ladeinfrastruktur hingegen sind uns die Hände schon stärker gebunden, da sind wir auch von staatlichen Interventionen abhängig. Hier müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den Aufbau der Ladeinfrastruktur schneller voranzutreiben.
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