Was bedeutet der Begriff "Kollektivschuld" ?
Der im Zusammenhang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus häufig fallende Begriff Kollektivschuld ist eines der wichtigsten propagandistischen Konstrukte nationalistischer Ideologie, auf das immer wieder auch Antifaschisten hereinfallen.
Der Begriff unterstellt zweierlei:
- Der Begriff Kollektivschuld unterstellt, dass ein Volk ein politisches Kollektiv sei, was aber gerade für die Zeit des Nationalsozialismus nicht stimmt, was am Ausmaß der Verfolgung von Oppositionellen durch die NS-Machthaber offenkundig wird. Man könnte eher das Gegenteil behaupten, dass die Deutschen zu keiner anderen Zeit weniger ein "Kollektiv" waren als unter der NS-Diktatur.
- Der Begriff Kollektivschuld unterstellt über die "Kollektivität" hinaus, dass den Deutschen eine gemeinsame Schuld vorgeworfen werde. Aber auch das widerspricht der historischen Wahrheit. Die alliierten Siegermächte des 2.Weltkriegs lehnten ausdrücklich eine Kollektivschuld ab.
Das Urteil der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse gegen die I.G. Farben entschied: "Es ist undenkbar, dass die Mehrheit aller Deutschen verdammt werden soll mit der Begründung, dass sie Verbrechen gegen den Frieden begangen hätten. Das würde der Billigung des Begriffes der Kollektivschuld gleichkommen, und daraus würde logischerweise Massenbestrafung folgen, für die es keinen Präzedenzfall im Völkerrecht und keine Rechtfertigung in den Beziehungen zwischen den Menschen gibt."
Warum sprechen Rechtsextremisten trotzdem von "Kollektivschuld" ?
Auf den ersten Blick scheint es widersinnig, wenn Nazis sich vor "Kollektivschuld" verwahren, zumal es ausschließlich um Nazi-Verbrechen und also "Nazi-Schuld" geht. Sie könnten sich allenfalls dagegen verwahren, mit Hitler in einen Topf gerührt zu werden, aber zur Differenzierung haben Antifaschisten nur dann Veranlassung, wenn sich heutige Nazis selbst von ihrem "Vorbild" distanzieren, wofür nicht gerade spricht, wenn sie dessen Antisemitismus nachplappern und seinen Geburtstag feiern.
Es geht Nazis nicht um die "Kollektivschuld", sondern um die Schuld überhaupt, denn sie halten nach wie vor die Verbrechen des NS-Regimes für gerechtfertigt, andere Länder zu überfallen und für die vermeintliche "Herrenrasse" "Lebensraum im Osten zu erobern". Sie halten es nach wie vor für gerechtfertigt, Oppositionelle massenweise gefoltert und ermordet zu haben, geistig Behinderte, Homosexuelle, Juden, Slawen, Sinti und Roma, ... als "minderwertiges Leben" und als "Untermenschen" zu diffamieren und industriell zu ermorden. Nichts davon wird bereut. Nichts davon wird als Schuld eingestanden.
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An User BeMi, bitte nicht falsch verstehen, das ist nur eine allgemeingültige Erklärung zu dem Begriff "Kollektivschuld". Dein Beitrag ist dennoch zutreffend, wenn auch Selbst- und Fremdeinschätzung (der Deutschen) immer Unterschiede in sich tragen. |