Mit der Osterweiterung will die Europäische Union Stabilität, Wohlstand und Sicherheit exportieren. Das alte Europa hofft zugleich, dass der Handel mit den neuen Mitgliedern die lahmende Konjunktur wieder ankurbelt. Teil II der EU-Serie.
von Bernd Oswald Am 1. Mai 2004 bekommt die EU-Familie Zuwachs um die zehn mittel- und osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Zypern und Malta. Weitere Kandidaten stehen schon in Verhandlungen mit der EU oder haben zumindest den Status eines Beitrittskandidaten.
Knapp anderthalb Jahrzehnte nach der Zeitenwende in Europa ist die Einigung des Kontinents somit beschlossene Sache. Die Einheit Europas ist ein greifbares Ziel geworden, das von allen Beteiligten angestrebt wird: die EU als Wertegemeinschaft will Sicherheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, politische und (markt-) wirtschaftliche Stabilität, sowie Menschenrechts- und Minderheitenschutz in den Osten des Kontinents exportieren.
Bisher teuerste EU-Erweiterung
Die neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa kommen in diese politische Gemeinschaft mit ihrem riesigen Binnenmarkt, um Frieden, Freiheit und Wohlstand dauerhaft zu sichern. In der EU der 25 werden 451 Millionen Menschen leben, die ein Bruttosozialprodukt von 11,1 Billionen Euro erwirtschaften, in etwa genauso viel wie die USA.
Für die EU ist die Osterweiterung mit großen finanziellen Ausgaben verbunden. Ihre fünfte Erweiterung wird die teuerste sein. 40,852 Milliarden Euro lässt sich Brüssel die Aufnahme der zehn Neuen in den Jahren 2004 bis 2006 kosten. Etwa 80 Prozent dieser Mittel sind für die Agrar- und Strukturpolitik gedacht. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die landwirtschaftliche Fläche der EU mit der Erweiterung um etwa die Hälfte wächst.
Große Umverteilung der EU-Mittel
Die Produktivität der Landwirtschaften in den MOE-Ländern liegt bei gerade einmal zehn Prozent der Produktivität in den EU-Staaten.
Bei den Strukturfonds wird es ebenfalls eine große Umverteilung geben. Mit ihrer Strukturpolitik will die EU regionale Unterschiede verringern, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt stärken sowie die Angleichung der Lebensverhältnisse in den Regionen der Mitgliedsländer fördern.
Dabei unterscheiden die EU-Programme nach drei Zielgebieten. 52 der 56 Regionen der MOE-Staaten sind Ziel Eins-Gebiete, das heißt Regionen, in denen das Bruttoinlandsprodukt pro-Kopf unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts liegt. Viele Mittel werden auch in den Ausbau der Verkehrsverbindungen zwischen West- und Osteuropa fließen, um die neuen Märkte im Osten besser und kostengünstiger anzubinden und zu erschließen.
Erweiterung als Wachstumsprogramm?
Auch für die Jahre nach 2006 werden weitere Ausgaben im Milliardenbereich anfallen. Bis die Beitrittsländer wirtschaftlich und strukturell auf EU-Durchschnittsniveau sind, werden vermutlich noch zwei, eher drei Jahrzehnte vergehen.
Erst dann werden die neuen Mitglieder mehr in den EU-Haushalt einzahlen als sie an direkten Mitteln von der EU erhalten.
Andererseits rechnet die EU damit, wirtschaftlich von der Erweiterung zu profitieren. Es wird erwartet, dass die Erweiterung des Binnenmarktes soviel Wirtschaftswachstum produziert, dass die Kosten der Erweiterung auf lange Sicht aufgefangen werden.
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