Totenschändung durch deutsche Soldaten
Angst vor der Rache der Afghanen
Die sechs Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan, die in teils obszönen Gesten mit einem Totenschädel posieren, sind identifiziert. Einer soll die Tat sogar schon gestanden haben. Das beruhigt Experten und den Verteidigungsminister jedoch wenig. Sie befürchten Vergeltungsschläge der Afghanen. Dabei seien die deutschen Soldaten selbst gar nicht mal am gefährdetsten.
HB BERLIN. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung sagte am Mittwochabend im ZDF, vier der sechs seien inzwischen nicht mehr bei der Bundeswehr. „Bei zwei weiteren werden wir die entsprechenden Konsequenzen ziehen“, sagte Jung, „wer sich so verhält, hat in der Bundeswehr keinen Platz.“ Nach Veröffentlichung der Fotos in der „Bild“-Zeitung stehe das Ansehen der Bundeswehr und der an Auslandseinsätzen beteiligten Soldaten auf dem Spiel. Nach Informationen des Deutschlandfunks hat einer der Vernommenen die Tat bereits gestanden.
Die von der „Bild“-Zeitung veröffentlichten Fotos zeigen unter anderem einen deutschen Soldaten, der den Totenschädel auf eine Stahlstrebe eines Militär-Geländewagens spießt. Auf einem anderen Bild hält ein Soldat den Schädel an sein entblößtes Glied. Die Aufnahmen sollen im Frühjahr 2003 bei einer Patrouillenfahrt nahe Kabul entstanden sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Fotos am Mittwoch abscheulich. „Die Bundesregierung wird gegen die Soldaten, die dabei eine Rolle spielen, ermitteln und mit aller Härte durchgreifen“, sagte sie in Berlin. Auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer kritisierte den Vorfall. Die Friedenstruppe Isaf steht unter Nato-Kommando.
Gefahr für zivile Helfer
Jung sagte, er hoffe zwar, dass mit Bekanntwerden der Bilder keine erhöhte Gefährdungslage für die deutschen Soldaten eintrete. Sein Ministerium habe aber die Soldaten in dem Land zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen.
Die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Citha Maaß, warnte in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vor Vergeltungsanschlägen auf die deutschen Truppen in Afghanistan. „Die Störung der Totenruhe ist (...) ein absoluter Tabubruch, der in islamischen Augen an Unerträglichkeit kaum zu überbieten ist“, zitierte die „Netzeitung“ den Experten Conrad Schetter vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn. Besonders die Vertreter deutscher Hilfsorganisationen könnten nun gefährdet sein, weil sie im Gegensatz zu den Soldaten nicht in gesicherten Lagern lebten.
Besonders scharfe Kritik übte der Chef des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz. Die Bilder seien nicht nur abstoßend, Ekel erregend und pervers, sondern unglaublich dumm, weil sie die Sicherheit der deutschen Soldaten gefährdeten, sagte er Reuters TV. „Natürlich besteht die Gefahr, dass gegnerische Gruppierungen wie die Taliban oder Al-Kaida solche Fotos instrumentalisieren und ihren Landsleuten sagen: Seht mal, so gehen die Ungläubigen, so gehen die Deutschen mit unseren Toten um“. Die Kommandeure vor Ort müssten sich überlegen, mit welchen Reaktionen sie zu rechnen haben.
Jung bat die „Bild“-Zeitung, dem Ministerium die ungeschwärzten Bilder zu überlassen, um die Ermittlungen zu erleichtern. Auch die Staatsanwaltschaft Potsdam leitete Ermittlungen wegen des Verdachts auf Störung der Totenruhe ein, was mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe bis zu drei Jahren geahndet wird. Nach Angaben des Ministeriums kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Totenschädel von einem durch Witterungseinflüsse freigelegten afghanischen Friedhof südlich von Kabul stamme.
Merkel für Fortsetzung des Einsatzes
„Ein solches Verhalten ist durch nichts zu entschuldigen“, betonte Merkel. Zugleich bekannte sie sich zur Fortsetzung des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan, der politisch zunehmend umstritten ist. Das Kabinett hatte zuvor die Verlängerung des Anti-Terror-Einsatzes Enduring Freedom beschlossen, unter dem die Elitetruppe KSK in Afghanistan eingesetzt werden kann. Kommende Woche will sich der zum Untersuchungsausschuss umgewandelte Verteidigungsausschuss konstituieren, der die Misshandlungsvorwürfe des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz gegen zwei KSK-Soldaten aufklären soll.
Der frühere Bundeswehr-General Klaus Reinhardt sprach sich ebenfalls für eine Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes aus. „Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“ sagte Reinhardt der „Berliner Zeitung“. Die an Auslandseinsätzen beteiligten Soldaten der Bundeswehr würden so intensiv ausgebildet wie in keiner anderen Armee. Die veröffentlichten Fotos bezeichnete Reinhardt, der 1999 Kommandeur der internationalen Friedenstruppe im Kosovo war, als „absolut geschmacklos“.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 26. Oktober 2006, 07:37 Uhr
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