25.09.08 13:07 Bonn (aktiencheck.de AG) - Die vier von den Analysten von Postbank Research analysierten Indices erreichten im Verlauf des 18. September neue Jahrestiefstände.
Der DAX habe an drei aufeinander folgenden Tagen in dieser Woche unter der Marke von 6.000 Punkten geschlossen. Eine weitere Eskalation der Finanzkrise sei den Kursverlusten an den Börsen vorweg gegangen.
Seien Anfang September die drohenden Insolvenzen der halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac noch mit Unterstützung der US-Regierung bzw. der US-Notenbank (FED) abgewendet worden, hätten diese helfenden Hände in der Folgezeit zumindest zunächst ihre Unterstützung versagt. Anfang der 38. Kalenderwoche hätten sich daraufhin die Ereignisse überschlagen. Die Finanzkrise sei mit Wucht in die USA, das Ursprungsland der (Subprime-)Krise zurückgekehrt. Lehman Brothers habe Insolvenz angemeldet und Merrill Lynch sei in einer "Nacht und Nebel"-Aktion von Bank of America übernommen worden.
American International Group (AIG), der einst größte Versicherer der Welt, habe deutliche Liquiditätsprobleme gemeldet und die FED um einen Überbrückungskredit ersucht. Diesem Ersuchen sei zunächst nicht entsprochen worden. Unter dem Eindruck dieser Negativmeldungen hätten weltweit die Aktienkurse, angeführt von den Finanzwerten, nachgegeben. Bei den Anlegern hätten "die Nerven blank" gelegen.
Anschaulich werde diese Panikstimmung am Kursverlauf der britischen Halifax Bank of Scotland (HBOS) am Vormittag des 17. September. Aufgrund von Gerüchten über Liquiditätsprobleme bei HBOS habe die HBOS-Aktie binnen weniger als 60 Minuten mehr als 50% an Wert verloren bzw. seien mehr als 6 Mrd. Euro an Marktkapitalisierung vernichtet worden. Keine Stunde später seien diese Kursverluste mehr als aufgeholt gewesen. Gerüchte über eine Fusion von HBOS mit Lloyds TSB, einer anderen großen britischen Bank, hätten diese Kursrally initiiert.
Erst eine gemeinsame Stützungsaktion der wichtigsten internationalen Notenbanken habe am 18. September die Marktteilnehmer beruhigt. Am gleichen Tag sei auf Initiative von US-Finanzminister Henry Paulson TARP ins Leben gerufen worden. TARP stehe für Troubled Asset Relief Program. Hinter diesem Namen verberge sich - kurz gesagt - eine Auffanggesellschaft, die Finanzinstituten problembehaftete Vermögenswerte (Assets) abkaufen und so die Bilanzen der Finanzinstitute entlasten solle. Die Börsen im Allgemeinen und die Aktien der Finanzwerte im Besonderen hätten mit deutlichen Kurssprüngen auf diese Nachricht reagiert.
Nach einigen wenigen Tagen der Euphorie an den Börsen sei inzwischen aber schon wieder eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Bei Marktteilnehmern habe die Unsicherheit darüber zugenommen, ob ein Rettungsprogramm komme und wenn ja, wann, und wie die Details ausgestaltet sein würden.
Nach Ansicht der Analysten von Postbank Research werde ein Rettungsprogramm als gemeinsame Maßnahme der US-Regierung und der FED kommen. Nur ob es TARP heißen werde oder nicht, stehe aktuell noch nicht definitiv fest. Die USA müssten das Rettungsprogramm wohl alleine stemmen, denn auf Nachfrage hätten die Regierungen der anderen G7-Staaten eine Beteiligung an einem Programm in den letzten Tagen abgelehnt. Die Anhörung von US-Finanzminister Henry Paulson und FED-Chef Ben Bernanke vor dem Bankenausschuss des US-Senats am 23. September habe die noch offenen Fragen sowohl vonseiten der Republikaner als auch der Demokraten an das Programm deutlich aufgezeigt.
Neben dem Senat müsse auch das US-Repräsentantenhaus einem Rettungsprogramm zustimmen. Die grundsätzliche Bereitschaft, ein Rettungsprogramm mit zu tragen, habe die Vorsitzende des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi zwar schon signalisiert, wie im Senat dürften aber auch hier diverse Detailfragen offen sein. Diese Fragen gelte es nun auszuräumen und ein für alle Beteiligten tragfähiges Rettungsprogramm zu schnüren. Die Analysten würden eine Entscheidung spätestens im Laufe der kommenden Woche erwarten (40. KW).
Die Analysten von Postbank Research würden sich fragen, ob Henry Paulson und Ben Bernanke mit TARP, wie damals Alexander der Große den Gordischen Knoten zerschlagen habe, heute die Schlinge der Finanzkrise um den Hals vieler Finanzinstitute zerschlagen könnten. Nach Einschätzung der Analysten könnten sie die Schlinge nicht durchtrennen, wohl aber lockern. Ein Durchtrennen der Schlinge wäre gleichbedeutend mit der Beendigung der Krise. Dies könne TARP nach Ansicht der Analysten nicht leisten.
TARP mindere das Risiko der Insolvenz eines weiteren größeren Finanzinstituts wie Lehman Brothers deutlich. Ein in Schwierigkeiten geratenes Institut könne TARP als Notausgang nutzen und sich so von Risikoassets trennen. Die Beendigung der Finanzkrise als Ganzes liege aber allein in den Händen der globalen Finanzinstitute und sei eine Frage des Vertrauens, das sie sich gegenseitig bei Geldgeschäften entgegenbringen würden.
Euribor und Libor würden die Zinsniveaus wiedergeben, die Banken untereinander bei Geldgeschäften verrechnen würden. Die aktuell hohen Differenzen zwischen den jeweiligen Drei-Monats-Geldern und den entsprechenden Leitzinsen der Notenbanken - sowohl in den USA als auch in der Eurozone - würden das fehlende Vertrauen der Finanzinstitute untereinander mehr als deutlich zeigen. Die Differenzen würden aktuell jeweils ein Vielfaches des langfristig Üblichen betragen.
Mithilfe von TARP könne hier eine leichte Entspannung eintreten und die Funktionsfähigkeit der Geldmärkte wieder zunehmen. TARP müsse so ausgestaltet sein, dass es die Finanzinstitute als gangbaren Weg zur Befreiung von Altlasten annehmen und nicht erst in Notsituationen auf es zurückgreifen würden. Andererseits dürfe ihnen der Ausstieg aus problembehafteten Vermögenswerten aber auch nicht zu attraktiv gestaltet werden. Fingerspitzengefühl sei hier bei der Preisfindung für die Assets gefragt. Nach Einschätzung der Analysten von Postbank Research seien das US-Finanzministerium und die FED mit umgekehrten Auktionen und Marktpreisverfahren auf dem richtigen Weg. Bis das Vertrauen unter den globalen Finanzinstituten in Gänze wieder hergestellt sei, würden die Analysten aber bestimmt schon das Jahr 2009 schreiben.
TARP werde die US-Staatsverschuldung deutlich erhöhen. 700 Mrd. US-Dollar würden 5% des US-BIP entsprechen. Echte Verluste für den Staat und damit den US-Steuerzahler würden aber erst dann eintreten, wenn der Marktpreis für die angekauften Assets nicht die Ausfallrisiken widerspiegele.
Wenn TARP anlaufe und die Details - vor allem bei der Preisfindung - trotz des Zeitdrucks mit Sorgfalt fixiert seien, würden die Banken nach Einschätzung der Analysten erst mit und mit Assets einreichen. Der Prozess werde sich über Monate und Quartale erstrecken. Die 700 Mrd. US-Dollar würden daher nicht schlagartig abgerufen. Die Finanzierung durch Emission von US-Staatsanleihen könne dann über einen längeren Zeitraum erfolgen. Dies sollte die Belastung des Anleihemarktes reduzieren. Dies zeige auch der TARP-Entwurf vom US-Finanzministerium und der FED. Sie hätten einen Zeitraum von zwei Jahren für das Programm angedacht.
Die Marktbewegungen der letzten Tage hätten es angedeutet. Nach der ersten Euphorie würden sich die Anleger nun wieder zurückhalten. Sie würden zunächst die detaillierte Ausgestaltung von TARP und dessen Wirkung auf die Märkte abwarten. Auf Sicht der nächsten Monate würden die Analysten von Postbank Research eine Fortsetzung der volatilen Kursbewegungen der letzten Monate erwarten.
Die Stimmung bei den Unternehmen sei aktuell gedrückt, wie der nochmalige Rückgang des ifo-Index exemplarisch für Deutschland zeige. Die massiven Anstiege der Rohstoff- und Energiepreise sowie die starke Aufwertung des Euro im ersten Halbjahr 2008 würden immer noch nachwirken und die Ertragsaussichten für das laufende Jahr belasten. Die Analysten würden daher einen leichten Rückgang der für den DAX aggregierten Firmengewinne 2008 im Vergleich zu 2007 erwarten. Zum Jahreswechsel 2008/2009 würden sie den DAX daher nur leicht über dem aktuellen Niveau im Bereich von 6.150 bis 6.350 Punkten erwarten.
Beiderseits des Atlantiks würden die Analysten im Verlauf von 2009 eine moderate konjunkturelle Belebung erwarten. Dies und ein Ölpreis im Bereich von 100 US-Dollar je Barrel und ein Euro-Wechselkurs von rund 1,40 US-Dollar sollten im kommenden Jahr moderate Gewinnsteigerungen im mittleren einstelligen Prozentbereich ermöglichen. TARP eröffne zudem die Chance, die Finanzkrise sukzessive abzuarbeiten und in 2009 ad acta zu legen. Ohne dieses Damoklesschwert und unter dem Eindruck der positiveren Geschäftsaussichten für die Unternehmen im kommenden Jahr würden die Analysten für 2009 eine positive Kursentwicklung für die von ihnen analysierten Indices erwarten. (Perspektiven Oktober 2008) (25.09.2008/ac/a/m) Marktbericht-Datum: 25.09.2008
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