" 06. November 2018
Der chinesische Online-Händler JD.com steigt über eine Partnerschaft mit der zur HNA Group gehörenden Tianjin Air Cargo in den chinesischen Luftfrachtmarkt ein. Ein Boeing-737-Frachter mit JD-Logistics-Logo verbindet seit heute sechsmal pro Woche die Stadt Tianjin in der Nähe von Peking im Nordosten des Landes mit dem südchinesischen Guangzhou in beide Richtungen.
Der Zeitpunkt sei clever gewählt, sagt Yi Sun von Ernst & Young. Auf diese Weise habe JD.com den in China für Online-Händler umsatzstärksten Tag für des Jahres mitnehmen können. „Das war ein Signal an die Kunden und die Konkurrenz: Wir werden den sogenannten Singles’ Day am 11. November trotz des hohen Bestellaufkommens stemmen“, sagt Sun. Vergangenes Jahr setzte JD.com bei dem Shopping-Event innerhalb von 24 Stunden 19,1 Mrd. Dollar um, das ist rund ein Drittel des Jahresumsatzes. Mit dem Einstieg ins Frachtgeschäft folgt JD.com dem von Amazon vor drei Jahren begründeten Trend, dass sich große Online-Händler beim Lufttransport ihrer Pakete zunehmend unabhängiger machen wollen von externen Dienstleistern und stattdessen ihre Lieferketten in Eigenregie organisieren möchten. Bislang hat JD.com seine Sendungen als Bellyfracht transportieren lassen, es bestehen Partnerschaften mit China Eastern Airlines und China Southern Airlines.
Auf mehr als 50 Passagierflügen pro Tag lasse JD.com seine Fracht transportieren, sagt Ökonom Armin Schwolgin. Doch die Anforderungen der Online-Händler an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ließen sich auf diese Weise kaum noch erfüllen, so der Professor für Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach. „Zudem sind die neuen Flugzeuge stärker auf die Bedürfnisse der Passagiere ausgerichtet und werden weniger Frachtraum bieten“, sagt Schwolgin, der eine Gastprofessur an der Beijing Wuzi University hat.
JD will mit der Kooperation einerseits die Kapazitäten für landesweite Zustellungen am selben oder nächsten Tag ausbauen. Andererseits wird die Frachtmaschine auch genutzt für das wachsende Logistikgeschäft von JD inklusive B2B-Transporten und individuellen Paketzustellungen in China. Das Beratungsunternehmen iReasearch geht in einer Marktanalyse davon aus, dass in China bis zum Jahr 2020 pro Jahr rund 60 Milliarden Pakete transportiert werden. Das wären dreimal mehr als noch 2015. „Klassische Kep-Dienstleister, die eigene Frachtmaschinen haben wie SF Express oder YTO, schaffen dieses Volumen zumindest in Spitzenzeiten nicht“, sagt Schwolgin.
JD.com will mit seinem Einstieg ins Luftfrachtgeschäft seine Kapazitäten ausbauen für landesweite Zustellungen, die am selben Tag oder spätestens einen Tag nach Bestellung an der Haustür der Kunden eintreffen. Außerdem wird die Frachtmaschine für B2B-Transporte genutzt. Anders als der große Konkurrent Alibaba setzt JD.com auf eine eigene, hochmoderne Lieferkette. Zudem betreibt das Unternehmen automatisierte Hochregal-Lager, Paketsortieranlagen mit Robotertechnik und wendet künstliche Inteligenz an. Zudem nutzt JD.com jedes Mittel, um seine Waren zuzustellen: Lieferwagen fahren über Land, in Städten setzt das Unternehmen auf Boten mit Fahrrädern und Motorrollern. Und seit 2017 transportieren Drohnen Pakete in entlegenen, schlecht erschlossenen Gegenden. (ol)" |