Steigende Preise für Öl und Erz bieten gute Chancen. Doch es gibt auch Gefahren für Volkswirtschaft und Anleger
von Manfred Fischer
Boomende Märkte, Übernahmeschlachten um unbekannte Unternehmen, Kurssprünge bei Aktien um 50 oder 100 Prozent - kommt der New-Economy-Rausch vom Ende des letzten Jahrhunderts in neuer Verkleidung zurück? Werden Rohstoffe zur Goldgrube, für die bis vor nicht allzu langer Zeit noch Internet und neue Medien gehalten wurden?
Es sieht so aus. Die stürmische wirtschaftliche Entwicklung in China, die nachrückende Nachfrage aus Indien, zugleich die gute Verfassung der Weltwirtschaft treibt die Rohstoffpreise in beängstigende Höhen.
Das Öl notiert deutlich über 50 Dollar für das Faß und schickt sich an, den Rekordpreis des Jahres 2004 zu brechen. Kohle und Koks, einst Symbole der abgewirtschafteten Old Economy, werden von Tag zu Tag teurer. Der Weltmarktführer für Eisenerz, die brasilianische Companhia Vale do Rio Doce, dankenswert abgekürzt zu CVRD, setzt gerade Preiserhöhungen von über 70 Prozent bei ihren Kunden durch, darunter die deutsche ThyssenKrupp AG.
Für den amerikanischen Kult-Autor und Anlageprofi Jim Rogers sind die Perspektiven eindeutig: "Rohstoffe - der attraktivste Markt der Welt", heißt sein neues Buch, das Ende kommender Woche in München erscheint. Wer auf Rohstoffe setzt, so das Credo des Gurus, der kann nichts falsch machen.
Was die Rohstoffhändler und Geldanleger in Rauschzustände versetzt, alarmiert den Rest der Wirtschaft. Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder wird sich am Dienstag auf dem Kongreß Rohstoffsicherheit des Bundesverbandes der Deutschen Industrie mit dem brisanten Thema befassen. Schließlich treiben steigende Rohstoffpreise die Inflation in die Höhe, bremsen das Wirtschaftswachstum und können zur Bedrohung für verarbeitende Industrie und Volkswirtschaft werden.
Für den Anleger bietet dies Szenario entsprechende Chancen. Allerdings ist mit deutschen Werten in der Sache wenig auszurichten. Außer bei den Baustoffen Steine und Erden gibt es kaum Rohstoffe in Deutschland. Allenfalls der Eon-Konzern verfügt über seine Tochtergesellschaft Ruhrgas über direkten, wenn auch begrenzten Zugriff zu russischen Erdgas-Vorräten. Auch das Chemieunternehmen BASF hat mit seiner Gesellschaft Wintershall Zugang zu Öl- und Gasquellen. Profitiert hat bislang auch Thyssen-Krupp von der steigenden Nachfrage nach Stahl, weil es gelang, die höheren Kosten für Eisenerz und Koks an die Kunden weiterzureichen. Doch abgesehen von diesen Standardwerten muß, wer an Rohstoffen verdienen will, ausländische Papiere kaufen.
Gut gefahren sind die Anleger bislang mit Ölaktien. Konzern wie BP und Shell verdienen am hohen Ölpreis glänzend und belohnen die Aktionäre mit Kurssteigerungen und Dividenden. Zunehmend knapper werdendes Erdöl reizt auch zu Investitionen in jene Gesellschaften, die hauptsächlich mit der Suche nach dem Rohstoff befaßt sind. Dazu zähen etwas die US-Unternehmen Schlumberger und Baker Hughes.
Einen rasanten Kursanstieg hat der australische Minenkonzern Rio Tinto in den vergangenen Monaten vorgelegt. Die Aktien notieren auf Rekordniveau, bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 nach den für 2005 geschätzten Zahlen scheint die Aktie immer noch nicht zu teuer.
Risikoärmer ist es allerdings, auf Fonds zu setzen. Der World Mining Fund der Investmentbank Merrill Lynch investiert in Bergbaukonzerne rund um den Globus. Größter Einzelwert ist die brasilianische CVRD mit einem Anteil von zehn Prozent. Danach folgen die Werte der australischen Konzerne BHP Billiton und Rio Tinto. Auf Platz vier liegt der Schweizer Rohstoffkonzern Xstrata. Der versucht gerade, die australische Gesellschaft WMC Ressources zu kaufen, die sich aber der Übernahme widersetzt. Die Schlacht hat den WMC-Kurs schon deutlich nach oben getrieben.
Ganz auf US-Unternehmen setzt der Rohstoffonds der Hypo-Vereinsbank-Gesellschaft Activest. Zur Hälfte ist der Kurs gegen Kursschwankungen abgesichert, so daß ein weiteres Sinken des Dollarkurses nur gebremst auf den Wert der Anlage durchschlägt.
Fundsmanager Johann Fürstenberger ist ohnehin frei von Enthusiasmus bei der Einschätzung der Chancen, mit Rohstoffen reich zu werden. Nur fünf bis zehn Prozent seines Vermögens sollte der private Anleger in Rohstoffe investieren. Zum einen seien die Rohstoffpreise notorisch schwankend, daran ändert auch die wachsende Nachfrage nach Rohstoffen nichts. "Der Boom, den wir sehen, kommt aus den Emerging-Market-Ländern", sagt er. Diese Entwicklungsländer seien selten ein Muster der Zuverlässigkeit bei ihrer Entwicklung. Das kann zu erheblichen Kursrückschlägen führen, die sowohl finanziell als auch nervlich verkraftet werden müssen.
Auch seien, so Fürstenberger, Preise und Kurse bei Rohstoffen in den vergangenen zwölf Monaten schon deutlich gestiegen. "Was passiert, wenn alle gleichzeitig den Ausgang aus dem Markt suchen?" fragt er sich.
Was dann passiert, haben wir schon erlebt: als der Internet-Boom zu Ende ging.
Artikel erschienen am 6. März 2005 |