Aus der FTD vom 17.9.2003 Deutsche Web-Apotheken fiebern Startschuss entgegen Von Martin Dowideit, Hamburg
Der Kampf um die beste Ausgangsposition für den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland hat begonnen. Die Unternehmen wittern einen schnell wachsenden Markt.
"Wir werden im Frühjahr 2004 in das Geschäft einsteigen", sagte Dieter Zocholl, Geschäftsführer des Dienstleisters Internetportals Gesundheitscout 24, am Mittwoch der FTD. Der Beschluss der Gesellschafter stünde zwar noch aus, doch deren Zustimmung sei "sehr, sehr wahrscheinlich". Die Duisburger Web-Apotheke wird damit eine der ersten sein, die von deutschem Boden aus agiert.
Das Verbot für den Medikamentenversand fällt in Deutschland am 1. Januar. Dagegen hatten sich vor allem die Apothekerverbände gewehrt. Sie fürchten, dass "pharmazeutischen Laien" dadurch der Einzug in den Markt ermöglicht und die Arzneimittelsicherheit untergraben wird. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte sich in den Verhandlungen über die Gesundheitsreform jedoch für die Einführung des Versandhandels stark gemacht. Grund: Schätzungen gehen von mindestens mehreren 100 Mio. Euro aus, die Krankenkassen durch Rahmenverträge mit Internetapotheken sparen können. Allerdings hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kürzlich bei einem Preisvergleich von 30 Internetapotheken, die bereits aus dem Ausland nach Deutschland liefern, festgestellt, dass nur wenige wirklich günstiger sind als stationäre Apotheken. Gesundheitscout-24-Chef Zocholl erwartet, dass der Pillenversand in den kommenden fünf Jahren einen Anteil von 20 Prozent am deutschen Pharmaumsatz erreichen kann. Allerdings würden sich die Gewohnheiten der Kunden nicht in wenigen Monaten ändern. "Das wird einige Jahre dauern", sagte Zocholl.
Quelle prüft Einstieg
Die Duisburger werden sich vor allem gegen Anbieter wie Getpharma oder Pharmakontor durchsetzen müssen, die bereits heute Medikamente aus dem Ausland nach Deutschland liefern. Der niederländische Platzhirsch DocMorris erwartet in diesem Jahr bereits einen Umsatz von 45 Mio. Euro. Das Unternehmen macht schon 75 Prozent seines Geschäfts in Deutschland. Auch DocMorris-Chef Ralf Däinghaus hat den Aufbau eines Standorts in Deutschland angekündigt. Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt.
Unterdessen hat eine Klage des Deutschen Apothekerverbandes gegen DocMorris bereits an Bedeutung verloren. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird in den kommenden Wochen erwartet, aber unabhängig davon wird der Internethandel ab dem 1. Januar in Deutschland erlaubt sein.
Auch das größte deutsche Versandhaus Quelle prüft derzeit, ob sich ein Einstieg in das Geschäft lohnen könnte. "Generell können wir uns die Aufnahme solcher beratungsintensiver Sortimente vorstellen", so ein Sprecher. Doch eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Bereits vor einigen Tagen ist in Hamburg das Arznei-Haus 24 gestartet und bietet Tausende Medikamente an. Auf der Internetseite lockt die frisch gegründete Firma damit, keine Rezeptgebühr zu verlangen. Dies sei durch Einkaufsrabatte möglich, die ein großer Pharmahändler einräume, und die an die Kunden weitergegeben würden. Die Präparate werden derzeit von fünf stationären Partnerapotheken über die Deutsche Post geliefert.
Kammern wehren sich
"Das Angebot ist bislang ganz klar gesetzwidrig", sagt Reinhard Hanpft, Geschäftsführer der Apothekerkammer Hamburg. "Die wollen auf der Erfolgswelle ausländischer Versandapotheken mitschwimmen." Selbst die Neuregelung des Gesetzes legalisiere das Arznei-Haus nicht automatisch. Erst müsse die Aufsichtsbehörde eine Erlaubnis für den Pillenversand erteilen und prüfen, ob die pharmazeutische Beratung und die Lieferung innerhalb von zwei Arbeitstagen geboten werde. Die Hamburger Behörde für Umwelt und Gesundheit untersucht daher, ob das Arznei-Haus kurz nach der Öffnung die Tore wieder schließen muss. Arznei-Haus-Geschäftsführer Thomas Grenzow ist jedoch überzeugt, dass rechtlich alles in Ordnung ist. "Wir sehen uns nicht als Versandhändler, sondern als Vermittler zwischen Patient und Apotheke", sagt er. Derzeit bereitet er eine Werbekampagne vor, um sein Angebot deutschlandweit bekannt zu machen.
Indes gehen nun auch die deutschen Apotheker in die Offensive. Auf dem Apothekertag am Mittwoch in Köln werden sie ein neues Konzept vorstellen: In Zukunft sollen Patienten auch von der Apotheke um die Ecke die Medikamente nach Hause geliefert bekommen, wenn sie über das Internetportal Aponet bestellt werden. Über Aponet sind 9000 Apotheken erreichbar. Thomas Kerkhoff, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheker, sieht darin keine Konkurrenz für die Onlineapotheken. Der Marktanteil für den Arzneiversand in Deutschland werde so oder so etwa acht Prozent erreichen. © 2003 Financial Times Deutschland
Quelle: http://www.ftd.de/tm/me/1063435803679.html?nv=hpm |