bringen den vollen Erfolg. Livemitschnitt:
Der Kippengnom und andere ungerufene Geister von Janvanleckwitz | Duisburg | 10 mal gelesen Resümee einer durch und durch verkackten Woche. Gewidmet Lady Di, der RAF, der Tabakindustrie und freenet.de Sonntag, spätnachmittags in der City. Der Steppke ist, großzügig betrachtet, höchstens neun Jahre alt. Aber seine Mutti hat ihm die Post-Punk-Frisur seines Lieblings-Splatter-Action-Helden gemacht und auf dem Rücken seiner Jacke steht „Dart Devil“. Die dicke Lippe mit Billy-Idol-Gedenkappeal hat er auch perfekt drauf, und damit quatscht er dich an:
„Hamse ma’ ’ne Zigarette?“ „Hab ich“, sagst du, „aber nicht für Kinder“
Jetzt setzt er den zur stiff upper lip passenden „I’d sell my soul for Rock’n’Roll“-Bösewichtblick auf. Er sei doch kein Kind mehr! Määän! Breit Kaugummi kauend tascht er die Hände ein, um beleidigt von dannen zu ziehen.
„Hömma, Kurzen, willze mich verarschen!?“, rufst du hinterher, und trotzig-kleinlaut mault der Bursche:
„War doch nur ’ne Frage...“
„Ich reich die Frage gleich anne Bullen weiter!“, platzt dir der Kragen. Der hatte dir gerade noch gefehlt. Von allen Nervensägen der letzten Tage ist der nun wirklich der Fladen Taubenschiss auf dem „i“. Blenden wir mal zurück zum Wochenbeginn.
Montagnachmittag. Es klingelt an der Tür. Besuch erwartest du nicht. Also Nahkampfbereitschaft einnehmen. Gleich mal prophylaktisch paranoid aus der waschbedürftigen Wäsche gucken. Eine Mond-von-Wanne-Eickel-runde Fresse mit rotblondem Haarkranz steht vor der Tür:
„Guten Tag, ich bin von freenet.de. Haben Sie einen Festnetzanschluss, Telefon, Internet?“
Dreisilbig bringst du ihm bei, dass du die Lizenz zum Andeneiernaufhängen hast. „Verpiss dich!“. Die Showeinlage reicht aus, um ihn davon abzuhalten, es vielleicht auch noch bei den Nachbarn in den oberen Stockwerken zu versuchen. Er rauscht gleich wieder durch die Haustür ab. Du widmest dich wieder deinem frisch aufgebrühten Nachmittagskaffee und schaltest den Glotzofen an. Zappst. Und begreifst rasch, dass Nahost, Klimakatastrophe, Oligarchenkriege, Drittwelthorror, AIDS, Menschenhandel, Gammelfleischskandale und Folterknäste nur eine Heilige brauchen, um endgültig vom Planeten zu verschwinden. Die dahingeraffte Windsor-Blondine mit dem Chanel-Arsch. Deren Omnipräsenz der Schöpfer in einer schwachen Stunde vor zehn Jahren auch nicht mehr ertrug und beschloss: „Lady, die!“. Womit er das Gegenteil all dessen erreichte, das er sich offenbar vorgenommen hatte. Du nimmst dir fest vor, das mal dem stets nach Raki stinkenden Türken im Lidl-Markt zu erzählen, der immer, wenn einer die Kassiererinnen anmault, beschwichtigend behauptet, nur Gott mache keine Fehler.
Mittwoch, gegen 12. Natürlich klingelt es an der Tür, wenn du gerade am Herd stehst oder bereits dein Mittagessen zu dir nimmst. Es gibt nur einen Anlass, der noch mehr Grund bietet, ungebetene Besucher auf der Stelle über die Wupper zu schicken: Beim Vögeln gestört zu werden. So unheilig können nur die Zeugen Jehovas sein. Statt aber nur „Gott ist tooot!“ durch die geschlossene Tür zu brüllen, öffnest du sie, und draußen steht ein öliger, schlanker Typ von afrikanischem Aussehen und sagt:
„Guten Tag, ich bin von freenet.de. Haben Sie einen Festnetzanschluss, Telefon, Internet?“
„Dein Kollege, der vorgestern hier war“, trittst du entschlossen auf ihn zu und benutzt deinen Zeigefinger seiner Bestimmung gemäß, „hat diese Tür genommen, Bimbo!“. Die bewusst gewählt rassistische Schlussbemerkung sorgt hoffentlich dafür, dass dem Typ der Tag endgültig versaut ist und er seinen Kollegen rät, dein Viertel als No-Go-Area anzusehen. Nach dem Essen guckst du in die Zeitung. Mit der wespenärschigen Prinzessin konkurriert um die Tagesherrschaft ihre Royal Air Force. Quatsch, es ist die RAF. 10 Jahre Pariser Tunneltod versus 30 Jahre deutscher Herbst. Terrorismusdebatte, Terrorismusdebatte, Terrorismusdebatte, Terrorismusdebatte... auf allen Kanälen, dazwischen immer wieder „Goodbye England’s Rose“... „Bild“ bringt Dianas letzte Stunden als Comic – als Comic! -, dann gleich wieder Terrorismusdebatte, juhu, bald ist elfter September, Betroffenheitsfähnchen raus hängen, Terrorismusdebatte, Terrorismusdebatte, das alles ist für sich schon Terror, und noch kein Mensch hat nachzudenken angefangen über freenet.de-Terrorismus. Denn am Vormittag des Donnerstag steht schon wieder so ein Flatrate-Mafioso von der selben Sippschaft vor der Tür. Vielleicht 20, schnodderiger Kaugummibläser, unentschlossene Frisur, zu kurz geraten, flegelhafter Tonfall:
„Guten Tag, ich bin von freenet.de. Haben Sie einen Festnetzanschl...“
Letzter Versuch. Totschlägerpose, Django-Kolloratur:
„Ich hab’n Nummernkonto bei der Samenbank, du Lümmel, und solltest du zufällig meiner sein, würdest du Steine statt Sprüche kloppen, klar?“
„Alles klar...“, japst er erblassenderweise und schiebt sich rückwärts an die frische Luft. Aber weil du ja auf keinen Fall dazu kommen sollst, deinen Haushalt in Ordnung zu bringen, deine Gedanken zu sortieren, deine Wäsche zu waschen, deine Tiere mit Aufmerksamkeit und Futter zu versorgen, kommt natürlich zwischendurch noch einer von den Stadtwerken, irgendein Paketbote will was loswerden, das nicht für dich ist, und wahrscheinlich sind all diese Schellemännchen und Kretins dafür verantwortlich, dass dich nachts die Schlafdämonen mit Flüchen belegen und dich, wenn sie dich dann mal schlafen lassen, ein Ausnahmezustand!, mit den idiotischsten Träumen belegen, die dich täglich bis zum Mittag begleiten. Mit der Folge, dass der Konsum von gerade mal vier großen Gläsern Pils auf der Fete von Samstag für einen Kater von Berglöwenformat ausreicht; der dann auch noch. Und in dieser Verfassung als Krönung ein nikotingeiler Gnom, ein Kanalrattenbaby. Was wünschen wir dieser Zecke denn wohl an den Hals? Jugendamt? Fürsorge? Fußfesseln? Ach was!
Der sei das ganz große Drama. Der Bastard eines Prügelprinzen, gezeugt mit dem Zimmermädchen im Lastenaufzug vom Hotel Atlantik, Erna Stodolowsky, und diese Erna Stodolowsky lasse dieses Wechselbalg zeitgeistgemäß weitgehend verwahrlost aufwachsen, während sie selbst in Saus und Braus von den fürstlichen Alimenten lebt, freilich ohne den Sohn über seinen Blaublutanteil aufzuklären. Und dann werde der Steppke elfjährig zum Waisen, weil seine Mutter in einer Badewanne voller Lafitte Rothschild ersäuft und müsse in einer Pflegefamilie militanter Nichtraucher aufwachsen, wo er zum derangierten Paranoiden mutiert, später als freenet.de-Vertreter immer nur an Typen wie dich gerät und darüber zum Terroristen wird. Und erst, als er den mit dem schon tickenden Zeitzünder unterm Fahrersitz im Porsche Carrera aufs Bundeskanzleramt zu rast, erfährt er per SMS, dass er Millionen aus dem Hause derer von und zu Hintervotzingen im Breisgau erbt. Zu spät. Bumm. Er erlischt unter den Augen Merkels like a candle in the wind.
Ja. Nur zu gern ließest du dir eine Anhäufung billiger Plattitüden vorwerfen. Der gedankliche Aufwand kann gar nicht groß genug sein. Um eine wahrlich beschissene letzte Augustwoche zu verarbeiten. Aber Kopf hoch, denk nun positiv: Es kommen bessere Tage. Und sollte wieder ein Zwerg kommen und dich anschnorren um Tabak oder Schabau, bekunde vorbildlichen Pragmatismus und hau ihm einfach eine rein. Dann nehmen die Dinge ihren Lauf. Ganz ohne dein Drehbuch.
Gruß Franke |