mit Veridium zu tun, etwas langer Artikel:
Vorfahrt mit Stroh Biodiesel aus der Zapfsäule Biosprit »Brasilien: Schnaps-Renner »Herbert Kohler: „Die Anteile mit der Zeit erhöhen“ Sprit aus Biomasse» An der Tankstelle kommt es in den nächsten Jahren zur Revolution: Mit neuem Kraftstoff aus Biomasse wollen die Industrieländer unabhängiger vom immer teureren Erdöl werden.
"Alaska ist mein Lieblingsland“, sagt Tom Blades unter dem Gelächter seiner Zuhörer. Dabei meint es der Vorstandschef des sächsischen Unternehmens Choren durchaus ernst. „Die Wälder dort sind vom Borkenkäfer völlig zerfressen. Deshalb zahlen die Behörden gutes Geld, wenn sich jemand findet, der ihnen das Holz abnimmt.“ Er nähme das Holz gerne: Choren produziert Diesel aus jedweder Biomasse, auch aus Holz.
Dennoch wird Blades keine Fabrik in Alaska bauen, zumindest jetzt noch nicht. Vorrang hat für ihn derzeit die Fertigstellung der ersten großen Produktionsstätte für synthetischen Kraftstoff im sächsischen Freiberg. Vom Frühjahr 2007 an sollen hier jährlich bis zu 15.000 Tonnen „SunFuel“ hergestellt werden – Dieselkraftstoff aus Biomasse, in der die Energie der Sonne gespeichert ist. Schon bald sollen eine 200.000-Tonnen-Anlage in Lubmin an der Ostsee sowie weitere Raffinerien in Deutschland und in Europa folgen. Und Alaska? „Wir wollen uns nicht verzetteln“, bremst Bodo Wolf, der Erfinder des Sun-Fuel-Verfahrens, den Eifer der Kollegen.
Der Produktion von Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen haben sich weltweit eine ganze Reihe junger Unternehmen verschrieben, Choren ist eines davon. Die steigenden Preise von Rohöl und Erdgas sowie die Anstrengungen der USA und der Europäischen Union, die Abhängigkeit vom fossilen Brennstoff Erdöl und den oft politisch labilen Förderländern zu verringern, beflügeln derzeit die Produktion von flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen aus landwirtschaftlichen Produkten und Biomasse. Biodiesel, synthetischer Diesel, Biogas und Ethanol als Benzinersatz: Mit Sprit aus landwirtschaftlichen Produkten und organischen Abfällen soll der Anteil der mineralischen Treibstoffe in den kommenden Jahren massiv zurückgedrängt werden.
In Deutschland gibt es so viel überschüssige Rohstoffe (Restholz, Stroh, Küchenabfälle, Klärschlamm), dass sich daraus 30 Millionen Tonnen Diesel gewinnen ließen: Das hat Professor Konrad Scheffer vom Institut für Nutzpflanzenkunde an der Universität Kassel errechnet. Das wäre sogar noch etwas mehr als die Menge Dieselkraftstoff, die 2005 in Deutschland verbraucht wurde – 28,7 Millionen Tonnen.
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In anderen Staaten sind die Möglichkeiten, fossile durch biologische Rohstoffe zu ersetzen, noch größer. Sowohl in Brasilien wie auch in den USA schlummern noch große Reserven. Vor allem, wenn Zucker und Mais als Rohstoff durch Biomasse ersetzt werden. Heute liegt der Anteil von Bioethanol am gesamten Benzinverbrauch bei weniger als zwei Prozent, obwohl die USA mit 16,6 Milliarden Liter 2005 ebenso viel Fusel für Autos produzierte wie Brasilien (16,7 Milliarden Liter). In Brasilien sind bereits 80 Prozent aller Neuwagen für einen Betrieb mit Bio-ethanol ausgerüstet. Die USA müssten ihre Produktion bis 2025 beinahe verzehnfachen, um das Ziel von US-Präsident George W. Bush zu erreichen, 75 Prozent der Rohölimporte zu ersetzen. Vinod Khosla, Wagniskapitalgeber im Silicon Valley, ist ein großer Befürworter von Bioethanol. Er ist sicher, „dass wir in den USA genügend Ethanol produzieren können, um den größten Teil der konventionellen Kraftstoffe zu ersetzen“, und ohne die Anbaufläche für Nahrungsmittel zu reduzieren.
Ob Bioethanol oder SunFuel, synthetischer Diesel: An der Tankstelle zeichnet sich eine Revolution ab. Die neuen Treibstoffe sind qualitativ deutlich besser als herkömmliche. SunFuel ist schwefelfrei, klopffester als mineralischer Kraftstoff und dazu vollkommen frei von Aromaten, die für die Rußbildung in Verbrennungsmotoren verantwortlich sind. Beim Verbrennen im Motor wird 90 Prozent weniger Kohlendioxid frei als beim Einsatz von fossilem Diesel. „Biokraftstoffe sind ein wichtiger Beitrag zur Ressourcen-Schonung“, sagt Herbert Kohler, der Umweltbevollmächtigte von DaimlerChrysler und Leiter der Forschung Fahrzeugbau und Antrieb.
Das gilt erst recht, wenn Ökodiesel, der heute bereits in größeren Mengen aus Erdgas gewonnen wird, in Zukunft aus Biomasse entsteht. Vor allem in Deutschland wird derzeit an neuen Verfahren ge-arbeitet, die helfen sollen, den SunFuel wirtschaftlich herzustellen. Während Choren heute noch mit 70 Eurocent pro Liter rechnet, will beispielsweise Rainer Lange, Chef von Novoinvest in Konz bei Trier, aus Biomasse SynFuel für 30 Eurocent pro Liter herstellen. Das Geheimnis des niedrigen Preises ist das Ausgangsmaterial: Lange will auch Krankenhausabfälle, Papiermüll, Kunststoffe, ja selbst Schlachtabfälle und Tierkadaver in Dieselkraftstoff verwandeln. In einer ersten Anlage des Typs in Mexiko werden nach Langes Angaben bereits 500 Liter Diesel pro Stunde aus Biomasse produziert.
Die Aussicht, durch die Verwertung von Biomasse zum Ölscheich zu werden, treibt findige Verfahrenstechniker zu allerlei Experimenten. So hat das Engineeringunternehmen Lübbecker Maschinenhandel im westfälische Bünde eine Anlage gebaut, die bis zu 1000 Liter Diesel aus Stroh gewinnt, wie Geschäftsführer Eckardt Siekmann beteuert. Die Anlage geht in diesen Tagen in Betrieb. Zehn weitere sollen noch in diesem Jahr folgen. Da der Biosprit noch nicht für Fahrzeuge zugelassen ist, wird er zunächst zu Strom verarbeitet. „Das bringt wegen der hohen Einspeisevergütung fast 70 Cent pro Liter“, rechnet Siekmann vor.
Nicht weniger erfindungsreich ist Manfred Sappok, einer der beiden Geschäftsführer der Clyvia Technology in Wegberg bei Mönchengladbach. In seiner Pilotanlage entsteht, ebenfalls durch Aufspaltung der Kohlenwasserstoffketten, Diesel, zunächst aus Altölen und Kunststoff. versenden» drucken» Seite 1/3 S.2 Vorfahrt mit Stroh„Unser Ziel ist es, in dezentralen Anlagen synthetischen Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen und mineralischen Abfällen zu gewinnen“, sagt Sappok. Eine technisch vergleichbare Anlage wird derzeit in Pirmasens fertig gestellt. Der dortige Maschinenbauer Schoen + Sand errichtet sie im Auftrag der New Energy Engineering aus dem hessischen Bensheim. Auch hier geht es zunächst um die Dieselproduktion aus Altölen, mit der Option, später nachwachsende Rohstoffe einzusetzen.
Am weitesten aus dem Fenster lehnt sich das kanadische Biotechnikunternehmen Iogen. Mit finanzieller Unterstützung von Shell arbeiten die Kanadier an einem Verfahren zur Produktion von Ethanol aus Zellulose. Ziel ist eine Anlage mit einer Jahreskapazität von 170 Millionen Litern. Die erste Fabrik könnte in Deutschland gebaut werden, zusammen mit Volkswagen prüft Iogen derzeit die wirtschaftliche Machbarkeit einer Sprit-aus-Stroh-Anlage.
Derzeit betreibt das Unternehmen in Ottawa nur eine Pilotanlage. Deren Ausbeute ist allerdings mager, berichten Experten. Grund: Die Hefe, die Iogen zur Umwandlung von Zucker in Alkohol einsetzt, kann nur den kleinen Glucose-Anteil im Stroh verwerten. Bei zwei weiteren Zuckerarten, Xylose und Arabinose, versagt sie.
Helfen könnte ein genmanipulierter Hefestamm einer deutsch-schwedischen Gruppe, die der Frankfurter Mikrobiologe Eckhard Boles leitet. Iogen hat deshalb bereits seine Fühler zum Mainufer ausgestreckt. Großes Interesse haben die Kanadier auch an Forschungsarbeiten der Technischen Universität Delft. Dort hat sich eine Arbeitsgruppe ebenfalls auf die Manipulation des Hefepilzes spezialisiert. Deren Ergebnisse kommen bisher in erster Linie Royal Nedalco zugute. Die Tochter des Zuckerproduzenten Cosun zählt in Holland zu den größten Produzenten von Alkohol aus landwirtschaftlichen Produkten und hofft nun, ähnlich wie Südzucker in Deutschland, mit der Produktion von Bioethanol aus Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln ein neues Geschäftsfeld zu finden.
Die Rahmenbedingungen für die Forscher und Sprit-Produzenten sind gut: Die EU will den Biokraftstoffen mit Fördermitteln den Weg bahnen, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken und eines Tages vielleicht ganz auf Erdöl verzichten zu können. Nebenbei sollen Arbeitsplätze in ländlichen Regionen entstehen. Entsprechend ehrgeizig sind die Ziele: Bis 2010 soll der Marktanteil der Biokraftstoffe von heute zwei auf 5,75 Prozent steigen. Die Bundesregierung geht in ihrer Kraftstoffstrategie von acht Prozent im Jahr 2020 aus. Auch die US-Regierung ist beim Sprit auf dem Öko-Trip: In den nächsten sechs Jahren soll dort der Absatz von Biokraftstoffen von derzeit 4,0 Milliarden auf 7,5 Milliarden Gallonen oder 28,3 Milliarden Liter erhöht werden. Gerhard Schmidt, der deutsche Forschungschef der Ford Motor Company, ist deshalb ganz sicher: „Wir werden in Zukunft aus verschiedenen Quellen tanken.“
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An der Tankstelle von Jörg Blasweiler in Hennef an der Sieg hat die Zukunft bereits begonnen. Seit Anfang Februar fließt dort aus zwei Zapfsäulen „Crop Power 85“, der Liter zu 81,9 Cent. Der klopffeste Markensprit mit 110 Oktan besteht zu 15 Prozent aus konventionellem Benzin und zu 85 Prozent aus Bioethanol. Der wird bei Südzucker Bioethanol GmbH im sächsischen Zeitz durch die Fermentation einer speziellen Weizensorte gewonnen. Die Nachfrage nach dem Biokraftstoff ist zwar noch bescheiden, Blasweiler verkauft in der Woche wenige Tankfüllungen, nur „einige hundert Liter“, wie er sagt. Doch für die Betreiber der Tankstellenkette Oil, die zum Unternehmensverbund Marquard & Bahls aus Hamburg zählt, ist das nur ein Anfang: „Wir planen nach den Pilotanlagen in Hennef, Troisdorf und Saarlouis über ein Dutzend weitere Tankstellen in Deutschland“, kündigt Vertriebsmanager Moritz Böcking an.
Die Standorte sind nicht zufällig gewählt: Sie liegen allesamt im Umkreis von Standorten der Ford-Werke sowie der wichtigsten Standorte von Saab in Deutschland. Ford und Saab sind derzeit die einzigen Autohersteller, die geeignete Fahrzeuge anbieten. Die Modelle Focus Flexifuel und Ford C-Max Flexifuel (Aufpreis gegenüber einem herkömmlichen Modell: 200 Euro) sowie der Saab 9-5 Bio-Power (Aufpreis 1000 Euro) können sowohl konventionellen Kraftstoff wie auch hochprozentigen Alkohol tanken – die Motorsteuerung erkennt über die Lambda-Sonde die jeweilige Kraftstoffzusammensetzung und passt Zündzeitpunkt und Einspritzmenge automatisch an. Da Ethanol hochkorrosiv ist, verfügen die Fahrzeuge zudem über Ventile aus härterem Stahl und beschichtete Kraftstoffleitungen. In den USA haben die beiden Muttergesellschaften Ford und General Motors bereits weit über eine halbe Million Autos mit Flex-Fuel-Technik verkauft. versenden» drucken» Seite 2/3 S.3 Vorfahrt mit StrohVolkswagen war 2003 das erste Unternehmen, das in Brasilien mit dem Kleinwagen Fox ein Modell mit Flex-Fuel-Einspritzsystem von Bosch anbot. In Europa werden alkoholgetriebene Fahrzeuge bisher nur in Schweden in größerer Stückzahl verkauft, und dort auch nur dank großzügiger Förderung durch die Regierung. Der nötige Kraftstoff muss dazu aus Brasilien importiert werden. In Deutschland hingegen entdecken Industrie und Autofahrer nur langsam die Vorteile des umweltfreundlichen Antriebs. So hat Ford seit dem Verkaufsstart im Dezember vergangenen Jahres hier zu Lande rund 300 Autos mit Flex-Fuel-Technik verkauft, Saab von seinem Bio-Power-Modell erst „ein paar wenige“. Schuld daran hat neben dem dünnen Tankstellennetz auch, dass der Kraftstoffverbrauch der Autos beim Tanken von E85 wegen des niedrigeren Brennwerts des Biosprits wenigstens um ein Drittel höher ist als bei konventionellem Benzinantrieb: Bei flotter Fahrweise konsumiert der Ford Focus Flexifuel knapp 14 Liter Crop 85. Das relativiert den Preisvorteil an der Zapfsäule.
Dies ist auch ein Grund, warum andere Hersteller zögern, dem Beispiel von Ford und Saab schon jetzt zu folgen. Volkswagen und Mercedes-Benz bieten zwar in Brasilien und den USA mehrere Modelle an, die problemlos Bioethanol verkraften. Doch ein Verkauf in Deutschland ist vorerst nicht geplant. „Wir haben unsere Gründe“, sagt VW-Entwickler Ekkehard Pott und verweist auf die Kaltstartprobleme von alkoholgetriebenen Autos, die in Schweden mit einer elektrischen Vorheizung gelöst werden. Das größere Problem aber sei das lückenhafte Tankstellennetz – und die Frage, wie Biokraftstoffe künftig besteuert werden. Der Plan der Bundesregierung, auf Biosprit eine Abgabe von 10 bis 15 Cent zu erheben, hat die Hersteller ein wenig geschockt.
„Solange die Rahmenbedingungen für Biokraftstoffe noch nicht stabil sind, müssen steuerliche Anreize erhalten bleiben“, plädierte dieser Tage Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena) auf der Konferenz „Biokraftstoffe der Zukunft“ in Berlin. Der Meinung ist auch Peter Sauermann, der Leiter der Kraftstoffforschung bei BP-Aral.
Wenn man die ehrgeizigen Ziele der EU erreichen wolle, dürfe man, so Sauermann, nicht auf eine einzige Technologie und nur einen biogenen Kraftstoff setzen: „Mit Beimischungen kommen wir schneller zum Ziel und können obendrein Versorgungsengpässe ausgleichen.“ Zudem erziele man damit eine größere Breitenwirkung, da „Blends“, also Gemische aus herkömmlichem Kraftstoff mit einem Bio-Anteil von bis zu zehn Prozent, problemlos auch von Altfahrzeugen getankt werden können.
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Strittig ist unter Experten noch, in welchem Umfang die Biokraftstoffe Benzin und Diesel im Straßenverkehr ersetzen können. „Wenn man mittelfristig einen Marktanteil zwischen 5 und 15 Prozent zu Stande brächte, wäre das schon beachtlich“, findet Ford-Forschungschef Schmidt.
Nach der EU-Energiestrategie sollte der Sprit vom Acker eigentlich heute schon einen Marktanteil von zwei Prozent erreicht haben. Doch das Ziel wurde mit einem Anteil von 1,4 Prozent klar verfehlt. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1,8 Millionen Tonnen abgesetzt, ein Drittel davon als Beimischung. Die für 2010 europaweit angepeilten 5,75 Prozent werden „schwer zu realisieren sein“, glaubt Tobias Lewe, der für A.T. Kearney gerade eine Studie über Biokraftstoffe vorgelegt hat. Allein in Deutschland müsste dafür die Produktionskapazität von heute rund 600.000 Kubikmeter pro Jahr mehr als vervierfacht werden. Derartige Volumina werden nach Berechnungen von Lewe erst jenseits von 2010 zur Verfügung stehen.
Ganz optimistisch ist Berthold Nolte, Geschäftsführer von Südzucker Bioethanol: „Aus Getreide- und Zuckerüberschüssen sowie durch Getreideanbau auf stillgelegten Ackerflächen ließen sich acht Millionen Kubikmeter Biosprit pro Jahr herstellen und damit bis zu 25 Prozent des Benzinbedarfs in Deutschland abdecken.“ Importe aus Brasilien oder USA sind da noch nicht eingerechnet. Von den Bio-kraftstoffen der zweiten Generation ganz zu schweigen.
Die Zeit bis zum Anbruch des Wasserstoff-Zeitalters im Straßenverkehr sollte sich damit eigentlich gut überbrücken lassen. [30.03.2006] wolfgang.kempkens@wiwo.de, franz w. rother Aus der WirtschaftsWoche 13/2006. Nichts ist spannender als Wirtschaft. Lesen Sie in der WirtschaftsWoche, was die Wirtschaft bewegt.
versenden» drucken» Seite 3/3 Gruß Lichtblick |