Ökonom gibt Deutschen die Schuld an der US-Misere Ein deutscher Ökonom ruft die US-Parteien auf: Beendet euren Streit. Wir sind schuld an eurem Haushaltsdebakel. Ohne Deutschlands "Machenschaften" wäre es nie so weit gekommen. Von Tina Kaiser, New York
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sagt der Volksmund. Im Fall des amerikanischen Haushaltsstreits hat der Volksmund damit allerdings leider total unrecht. Sollten sich die Demokraten und Republikaner nicht in letzter Sekunde auf einen Haushaltsplan einigen, werden rund eine Million Mitarbeiter des Bundes am Dienstag in Zwangsurlaub geschickt. Ökonomen warnen: Nicht nur die US-Wirtschaft könnte der Stillstand in eine neue Rezession schicken, die Weltwirtschaft ist ebenfalls in Gefahr. Auch aus deutscher Sicht sollte das Interesse also groß sein, den erbitterten Streit der zwei amerikanischen Parteien zu schlichten. Der deutsche Ökonom Uwe Bott macht deswegen einen ungewöhnlichen Kompromissvorschlag: "Blame the Germans" (Gebt den Deutschen die Schuld) fordert er die amerikanischen Politiker in einem Artikel auf. Der Text erschien in dem renommierten Wirtschaftsblog "The Globalist". Herausgeber des seit dem Jahr 2000 täglich in Washington erscheinenden Online-Magazins ist ebenfalls ein Deutscher. Bott schreibt nicht nur für das Blog, er ist gleichzeitig auch Chefökonom des Globalist Research Centers, das regelmäßig Studien zu Globalisierungsthemen veröffentlicht. Kann deutsche Selbstkritik also die Welt vor einer neuen Rezession retten? Ein Versuch ist es wert, glaubt Bott. "Anstatt sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben, sollten die Parteien im Kongress Deutschland für ihre Taten von vor 98 Jahren verurteilen", schreibt der Wirtschaftswissenschaftler.
Unorthodoxe Sichtweise
Weltweit sei eine Schuldenbremse mehr als ungewöhnlich. Es sei letztlich den Deutschen zu verdanken, dass Amerika "in den Abgrund der Zahlungsunfähigkeit schaut." Eine unorthodoxe Sichtweise, aber nicht grundsätzlich falsch. Um das zu verstehen, muss man sich gedanklich zurück ins Jahr 1917 versetzen. Drei Jahre befindet sich die Welt zu dieser Zeit bereits im Kriegszustand, doch die USA unter Präsident Woodrow Wilson haben sich zur Neutralität verpflichtet. Dabei wäre es vermutlich auch geblieben, hätte Deutschland im Januar 1917 nicht den unbeschränkten U-Bootkrieg ausgerufen. Wilson sah sich gezwungen, Deutschland den Krieg zu erklären. Dafür brauchte er Geld, das nur sehr umständlich zu bekommen war. "Jedes einzelne Mal, wenn Wilson Geld an den Märkten leihen wollte, musste der den Kongress um Zustimmung bitten."
Schuldenobergrenze war ein patriotischer Akt
Der patriotisch eingestellte Kongress schlug mit dem Second Liberty Bond Act eine Lösung für dieses Problem vor: Wilson musste den Kongress für neue Schulden nicht mehr um Erlaubnis fragen, dafür wurde ihm ein Kreditlimit gesetzt. Die Schuldenobergrenze war geboren. "Der Grund, warum es überhaupt zu der heutigen Situation des drohenden Durchbrechens der Schuldenobergrenze kommen konnte, ist den kriegerischen Machenschaften der Deutschen zu verdanken", schreibt Bott. Der erste Bruch der US-Schuldenobergrenze läge übrigens auch in der Verantwortung der Deutschen, glaubt der Ökonom. Der Second Liberty Bond Act beinhaltete nämlich die sogenannte "Goldklausel": Diese schrieb vor, dass die Staatsanleihen mit Goldmünzen zurückgezahlt werden müssten. Damit sollten die Geldgeber vor einem Verfall der Währung geschützt werden. Dumm nur, dass den USA dafür die entsprechenden Goldreserven fehlten. Kurz nachdem Adolf Hitler 1933 in Deutschland die Macht ergriff, sah sich der US-Präsident Franklin D. Roosevelt gezwungen, die Goldklausel für unwirksam zu erklären. Bott folgert: Irgendwie auch die Schuld der Deutschen.
Bott bietet eine späte Wiedergutmachung an
Als Wiedergutmachung bietet der deutsche Ökonom den USA eine "goldene Rettungsklausel" an: Hört auf, euch zu streiten und gebt uns die Schuld. "Auf diese Weise könnten beide Parteien im Kongress ihre Hände in Unschuld waschen und die Verantwortung denen zuschieben, die sie tragen müssen: den Deutschen." Die Argumentation mag zwar etwas hanebüchen sein, würde uns allen aber helfen. Im Sinne des großen deutschen Philosophen Helmut Kohl schließen wir uns an. Denn: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt."
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