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Ein Gewitter entlädt sich über den Windaktien Die einstigen Börsenlieblinge sind von den Anlegern zuletzt ziemlich gerupft worden. Windanlagenbauer aus Europa spüren einen erheblichen Margendruck. Amerika ist für die Branche eine einzige Enttäuschung.
Von Holger Paul
Stromgeber: Windräder in KüstrowStromgeber: Windräder in Küstrow 15. November 2010
Die Aktienkurse der europäischen Windanlagenbauer Vestas, Repower Systems und Nordex gleichen Fallwinden: In den vergangenen Monaten haben sie deutlich an Wert verloren. Der Kurs des Weltmarktführers Vestas sank innerhalb eines Jahres um mehr als die Hälfte. In den Zentralen der beiden Konkurrenten Nordex und Repower dürften die beiden Vorstandschefs Thomas Richterich und Andreas Nauen sich daher glücklich schätzen, dass sie beide jeweils einen bestimmenden Großaktionär hinter sich wissen. Denn viele Analysten sehen das Ende der Flaute auf dem Windmarkt noch nicht erreicht und haben ihre Kursziele nach der jüngsten Vorlage von Neunmonatszahlen entsprechend gesenkt.
Der Markt für Windanlagen ist dabei, sich grundlegend zu wandeln. Und das bringt insbesondere viele europäische Hersteller unter Druck, wie Fachleute unlängst sogar auf der Leitmesse Husum Wind einräumten, wo die jahrelang erfolgsverwöhnte Branche eigentlich nur Optimismus zeigen wollte. Vorneweg marschieren am Markt große Industriekonzerne wie Siemens und General Electric, die über entscheidende Vorteile verfügen. „Ein Komplettanbieter wie Siemens kann umfangreiche Angebote inklusive einer Finanzierungslösung machen“, erläutert Holger Fechner, Analyst der Nord LB. Das hilft im Neugeschäft angesichts des immer noch zögerlichen Investitionsverhaltens vieler Kunden ungemein. Auch haben die großen Mischkonzerne eher die Chance, den zum Teil erheblichen Preiskampf am Windturbinenmarkt abzufangen, heißt es - etwa durch margenträchtigere große Serviceaufträge. Anzeige Jemand wartet auf Dich.
Irgendwo in dieser Stadt gibt es sie, die Eine. Es wird Zeit, dass sich die Wege kreuzen. Amerika ist für die Branche eine einzige Enttäuschung
Börse: Ein Gewitter entlädt sich über den Windaktien
Hinzu kommt, dass die staatlich stark geförderten chinesischen Windanlagenbauer ihren Heimatmarkt über kurz oder lang verlassen und sich auch im Rest der Welt Marktanteile mit niedrigen Preisen erkaufen werden. In der Weltrangliste sind mit Sinovel, Goldwind und Dongfang drei chinesische Windanlagenbauer schon unter den ersten zehn vertreten. „Im Brot- und Buttergeschäft mit Anlagen zwischen 1,5 und 2,5 Megawatt Leistung sind die chinesischen Hersteller bereits sehr gut“, sagt Nektarios Kessidis, Fondsmanager der DWS Investments. Und mittelfristig, ist er sich sicher, „werden die Chinesen auch im Premiumsegment mithalten können.“ Die Folge für die mittelgroßen europäischen Konzerne, die sich nicht auf eine Marktnische konzentrieren können, ist klar: „Das wird den Margendruck erhöhen“, sagt Nord-LB-Analyst Fechner. Die Wettbewerbsintensität wird weiter steigen und die vorhandenen Überkapazitäten im Bau neuer Turbinen werden wohl auch 2011 nicht aus dem Markt verschwinden, bestätigen auch die Analysten der Deutschen Bank.
Geholfen wäre der Branche, wenn der amerikanische Markt endlich wie erhofft wieder anspringen würde. „Wenn dort eine Erholung einsetzt und die Strompreise in Amerika wieder steigen, dann machen auch die kleineren Windturbinenhersteller ein gutes Geschäft“, erläutert DWS-Fondsmanager Kessidis. Derzeit ist Amerika für die Branche jedoch eine einzige Enttäuschung. Der durchschnittliche Großhandelspreis für Strom ist auf weniger als 40 Dollar je Megawattstunde gesunken. Damit ist der Anreiz für die Versorgungskonzerne, Geld in neue Windparks zu stecken, deutlich gesunken. Hinzu kommt, dass nicht klar ist, wie die Förderung der Windenergie in Amerika weitergehen soll, wenn die bestehenden Fördermaßnahmen und Abnahmeverträge auslaufen. „Außerdem können sich die Windparkentwickler derzeit aussuchen, wo sie die Turbinen am Markt am günstigsten kaufen, weil die Branche in den vergangenen Jahren erhebliche Produktionskapazitäten aufgebaut hat“, fügt Kessidis hinzu. An ein baldiges starkes Wachstum des amerikanischen Windmarktes glaubt er nicht: „2011 wird dort noch keine nennenswerte Erholung bringen.“ Zum Thema
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Bauen können die Europäer daher in erster Linie auf ihren noch vorhandenen technologischen Vorsprung, die nachgewiesene Leistungsfähigkeit ihrer Turbinen und die zuletzt eingeleiteten Maßnahmen zur Kostensenkung. Um rund 10 Prozent, so lauten derzeit die Schätzungen, wird der globale Windmarkt im kommenden Jahr wieder wachsen, insbesondere in Deutschland und anderen europäischen Ländern soll das Geschäft wieder deutlich anziehen. Wie viel davon bei Nordex, Repower oder Vestas ankommen wird, traut sich im Moment allerdings niemand zu prognostizieren - und auch das drückt spürbar auf die Börsentimmung.
Text: F.A.Z. Bildmaterial: dpa, F.A.Z. |