aufeinander. Die meisten Anleger kaufen Aktien, die sich im intakten Uptrend befinden - in der Hoffnung, dass sich dieser fortsetzt. Das ist die "Trendfolge-Strategie".
Andere (dazu zähle auch ich) sind Turnaround-Investoren, die gern Aktien kaufen, die gerade vom Chart her eine Schwächeperiode zeigen - in der Erwartung, dass diese Schwäche nur temporär ist.
Idealerweise sind Turnaround-Aktien zu Unrecht im Keller, d.h. sie sind nicht pleitegefährdet, nicht übermäßig verschuldet (relativ zu den Einkünften), haben möglichst überhaupt noch Gewinne, die nur gesunken sind (obwohl auch Aktien, die Verluste schreiben, Turnaround-Kandidaten sein können), und es bestehen berechtigte Aussichten, dass sich die Schieflagen, die aktuell auf den Kurs drücken, in absehbarer Zeit wieder legen.
Die Turnaround-Strategie ist aufwändiger, weil sie umfangreiche Fundamental-Recherchen erfordert, und zudem riskanter und teils frustrierender, als z. B. einer Microsoft oder Nvidia "beim Steigen zuzuschauen". Es winken mittelfristig aber sehr gute Gewinne, WENN man auf die richtigen Titel setzt.
Die richtigen Titel zu finden, ist das A&O bei Turnarounds.
Ich habe z. B. mal (um 2018) General Electric gekauft, nachdem diese Aktie - nach jahrelangem Downtrend, wegen einer Gewinnwarnung zur Eröffnung von 12 auf 6,50 Dollar gefallen war (sie kam von 100 Dollar in den 1990er Jahren). Bei GE war fundamental erkennbar, dass die Teile der Firma - addiert - mehr Wert waren als GEs runtergeprügelte Marktkapitalisierung. Tatsächlich war GE dann (auch wegen Shorteindeckungen) innerhalb weniger Tage/Wochen wieder bei 12. Eine so schnelle Verdoppelung bekommt man Microsoft und Nvidia NICHT hin.
Was also IST ein geeigneter Titel für Turnarounds? Hier kommt man in den Bereich aufwändiger Fundamentalrecherche. Und selbst die liefert nicht zwingend verlässlichen Ergebnisse, weil die "Zahlen", wie z. B. bei Wirecard, ja betrügerisch gefälscht sein können.
VW ist mMn ein Turnaround-Kandidat, weil die Gewinne wohl auch künftig nicht in dem Maße wegbrechen werden (wegen BYD-, Tesla-Konkurrenz und generell zu viel Angebot im Neuwagenmarkt), wie es der runtergeprügelte Aktienkurs suggeriert.
Das KGV ist deshalb so niedrig, weil das K (Kurs) - das im Zähler des KGV-Bruches steht - so stark gefallen ist. Da aber die Gewinne noch einigermaßen fließen, wurde die Dividende (bislang) nicht gekürzt, so dass der stark gefallene Kurs auch zu einer sehr hohen Divi-Rendite von aktuell 8,5% führt. Die geplanten Sparprogramme (Entschlackungen in der Verwaltung) dürften sich mittelfristig ebenfalls positiv auswirken. Last not least sind die Strafzahlungen aus dem Abgasskandal von 2015 inzwischen größtenteils geleistet, so dass sie nicht länger auf die VW-Gewinne drücken.
Wer jetzt VW kauft, ist entweder mit der Dividende zufrieden (so sie denn in dieser Höhe weiter gezahlt wird) oder - dass trifft auf mich zu - erhofft, dass der Markt den Kurs übertrieben nach unten gedrückt hat, so dass er nächstes Jahr vielleicht wieder bei 130 Euro notieren wird.
D.h. jeder Turnaround-Investor kauft "in den fallenden Trend rein" und hofft, dass irgendwann nach seinem Kauf der Trend wieder nach oben dreht. Charttechnikern stehen bei einer solchen Strategie die Haare zu Berge. Die sagen dann: "Du siehst doch, dass der Kurs seit Jahren fällt. Never catch a falling knife."
Obwohl die VW-Aktien prinzipiell Turnaround-Kandidaten sind, müssen Anleger, die jetzt kaufen, notgedrungen auf die erhoffte "überfällige Trendwende nach oben" warten. Denn der Downtrend ist noch intakt. Das kann ziemlich nerven, wenn der Kurs - wie bei VW - nach der Dividende fast täglich weiter fällt. Niemand weiß, wo der Boden ist.
Diese Qual lässt sich mildern oder umgehen, wenn man sehr spät im Downtrend einsteigt - idealerweise dann, wenn die Kurse auf Panik-Level sind (z. B. 7% tiefer als im Vortag wegen einer Gewinnwarnung). Das ist ebenfalls ein (markt-)technischer Aspekt. MMn herrscht bei VW aktuell noch keine Panik. Ich warte daher auf Kurse von 80 bis 90 Euro, die kommen könnten,
a) wenn die US-Indizes 20% nach unten korrigieren und den Dax mit runterziehen (ist überfällig mMn)
b) nach einer Gewinnwarnung von VW, wenn schwache Halter schmeißen
c) nach Kriegsbeginn in Taiwan, dann aber wohl eher bei Kursen um 70 Euro.
Punkt c) ist der Hauptgrund, warum ich VW bislang nicht längerfristig ins Depot genommen habe. VW ist extrem stark in China aktiv, und wenn nach Ausbruch des Taiwankriegs Sanktionen kommen wie jetzt die Russlandsanktionen, könnte bei VW-Anlegern in der Tat Panik aufkommen. Selbst dann, wenn sich die Sanktionen auf VWs interne Chinageschäfte gar nicht so stark auswirken. Der Missmut chin. Käufer gegenüber Autos aus Deutschland könnte dann allerdings noch weiter steigen, bereits jetzt trägt er offenbar aus gepolitischen Gründen dazu bei, dass Chinesen vermehrt Autos chinesischer Firmen (wie BYD) erwerben.
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Ich habe zurzeit die größte Posi in Schaeffler (ebenfalls 8,5% Dividende) - eine Aktie, die sich ebenfalls in langem Downtrend befindet, weil bei Schaeffler das China-Geschäft nicht so bedeutend ist wie bei VW. Außerdem wird am 1. Oktober die bereits abgesegnete Fusion mit Vitesco (ehemalige "Power Train"-Sparte von Continental) vollzogen, was dazu führen wird, dass Schaeffler vom SDAX in den MDAX aufsteigt.
Grundsätzlich sind Aktien mit relativ kleiner Marktkapitalisierung die interessanteren Turnaround-Kandidaten, weil sie deutlich mehr Aufwärtspotenzial haben als Big Caps wie VW, vor allem, wenn sich fundamental etwas tut. |