Silber: Etwas zuviel des Gutenvon Andreas Wolf Liebe Leserin, lieber Leser, ein wenig fühlt man sich wie in die alten Zeiten der Rohstoff-Hausse vom vergangenen Frühjahr 2008 versetzt. Nicht nur Rohöl, sondern auch viele Industrie-und Edelmetalle nehmen trotz der nach wie vor schwierigen Situation an den Absatzmärkten wieder Fahrt auf. Eine starke Performance konnte auch der Silberpreis hinlegen, der nach Abschluss einer Konsolidierungsphase im Verlauf dieses Frühjahres innerhalb der vergangenen vier Wochen mehr als 30 Prozent an Wert gewann. Weniger die Einführung von Futures und Optionen auf das Edelmetall durch die Terminbörse Eurex zu Beginn dieser Woche, sondern vielmehr die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Weltwirtschaft stand hinter dem größten Aufschwung für die Bewertung der Feinunze Silber (31,1 g) seit der ersten Ölkrise von 1973/74. Tatsächlich dürfte aber auch die verstärkte Emission von Exchange Trading Funds (ETFs) durch verschiedene Anbieter wie Börsen oder Banken an dem raketenartigen Anstieg Schuld sein. Denn diese Produkte müssen in der Regel durch physische Ware unterlegt sein, so dass allein durch eine künstlich geschaffene Nachfrage eine gewisse Form der Preismanipulation vorliegen kann. Da zudem die Umsätze an den Rohstoffbörsen im Bezug auf Silber für gewöhnlich eher gering sind, reicht ein kleiner Umsatzanstieg aus, um einen größeren Preisanstieg in Gang zu setzen. Ein ähnlich starker Anstieg des Silber-Preises im Februar/März 2008 führte nur kurze Zeit später zu einer ausgeprägten Verkaufswelle, die die gesamte rasch wieder ausradierte. Die frische Erinnerung an dieses Ereignis könnte deshalb dafür sorgen, dass der aktuelle Anstieg auf einem breiteren Fundament gebaut ist als damals, denn viele Trittbrettspekulanten haben sich damals die Finger derart stark verbrannt, dass sie bei der aktuellen Aufwärtsentwicklung kaum dabei sein dürften.
Leitmetall Gold dient weiter als Orientierungspunkt
Die eingeleitete Korrektur bei Silber hängt unmittelbar mit der Entwicklung des Goldpreises und des US-Dollars zusammen. Eine Abschwächung des Goldpreises geht in der Regel einher mit einem Anstieg der US-Währung, da fast alle Rohstoffe in US-Dollar notiert werden. Der Blick auf die Wertentwicklung bei Gold bleibt für Investoren, die sich für Silber interessieren deshalb unabdingbar. Auf konjunkturelle Einflüsse reagiert Silber hingegen wesentlich stärker als Gold. Die Outperformance der vergangenen vier Wochen hat deshalb auch etwas mit der Hoffnung der Marktteilnehmer zu tun, von einer stärkeren wirtschaftlichen Erholung würde vor allem Silber als Industriemetall besonders profitieren können. Rund 56 Prozent der Silberproduktion werden von der Industrie für ihre Zwecke verwendet, nur ein kleinerer Teil wird durch die Schmucknachfrage oder zur Inflationsabsicherung in Wertpapierdepots verwendet. Der Korrelation zu Gold sind daher Grenzen gesetzt, während der Einfluss der Währungsentwicklung durch den US-Dollar wesentlich höher anzusiedeln ist.
Prognose der Minenbetreiber nicht zuverlässig
Zur Preisbildung tragen natürlich auch fundamentale Faktoren bei. Dazu gehört fraglos die Produktionsprognose der großen Minenbetreiber in Südafrika, Kanada und Russland. Diese Vorhersagen sind allerdings häufig mit Vorsicht zu genießen, denn auch die Produzenten selbst sind an einem hohen Silberpreis interessiert. Die Diskrepanz zwischen der absoluten Produktionszahl und der Vorgesagten kann zum Teil schon eklatant sein, die Schwankungen des Silberpreises sind des dementsprechend auch. Andere Quellen wie Edelmetall-Forschungsinstitute verschiedener Herkunft halten eine Überschuss des Silber-Angebots wegen des starken Einbruchs der Nachfrage um 10 Prozent fast für zwangsläufig, da die Produktion im gleichen Zeitraum nur um 2 Prozent gefallen sein soll. Wäre der Markt dergleichen Auffassung, könnte er es aber unmöglich über einen Zeitraum von sechs Monaten ignorieren und den Silberpreis seit Jahresbeginn um 40 Prozent in die Höhe treiben. Vor allem die unterschwellig auflebende Inflationsangst, die durch die vielen Konjunkturpakete und Ausgabenprogramme der Regierungen der Industriestaaten geschürt wurde, hat die Spekulanten zurück an die Rohstoffmärkte getrieben. Die größte Gruppe der Spekulanten stellen aber die Unternehmen, die Silber für ihre künftige Produktion brauchen. Mit neuen Terminkontrakten wollen sie sich das noch relativ günstige Preisniveau sichern und zugleich einem starken Anstieg der Inflation durch ein Investment in ein Edelmetall absichern. Ein stärkerer Kurseinbruch wie im letzten Jahr dürfte deshalb ausbleiben.
Gebrochener Abwärtstrend wird getestet
Silber hat die jüngste Aufwärtswelle von 4 US-Dollar in den vergangenen Tagen um die Hälfte bereits wieder abkonsolidiert. Gemessen an der ungewöhnlich starken Aufwärtsbewegung im Mai ist ein solch ausgeprägter Rückschlag bei dem Edelmetall nicht als Grund für eine Besorgnis seitens der Bullen anzusehen. Ganz im Gegenteil: Im Zuge der Aufwärtsbewegung gelang es den seit März 2008 gültigen Abwärtstrend zu durchbrechen. Ein Test der überwundenen Abwärtstrendlinie erfolgt in der Regel immer zeitnah. Je stärker die Notierung über die Trendlinie hinaus geschossen ist, ohne eine zwischenzeitliche Konsolidierung vollzogen zu haben, je stärker fällt der sogenannte „Pull-Back" an den ehemaligen Abwärtstrend aus. Ein Rückschlag bis in den Bereich um 13,80 US-Dollar wäre aktuell als völlig unproblematisch anzusehen und würde das mittelfristig bullische Chart-Bild nicht beschädigen. Für eine zusätzliche Unterstützung sorgen in diesem Bereich die 38-und 50- Tage- Durchschnitte, die durch ihren starken Anstiegswinkel kurzfristig kaum nachhaltig unterschritten werden dürften. Der Rücklauf der technischen Trendindikatoren MACD und Momentum verläuft zwar im Einklang mit dem Kursverlauf, deutet aber nur eine moderate Dynamik an. Wird der beschriebene Unterstützungsbereich in den nächsten Tagen erfolgreich verteidigt, wäre das als Trend bestätigendes und damit bullisches Signal zu werten. Fällt das Edelmetall hingegen unter 13,80 US-Dollar zurück, müsste mit weiteren Kursverlusten bis an die nächste Unterstützung bei 12,90 US-Dollar gerechnet werden. |