Bergbaufirmen werden zur Kasse gebeten von Urs Wälterlin Quelle: Handelsblatt Online Australische Rohstoffunternehmen sollen auf rekordhohe Gewinne mehr Steuern bezahlen. Ein entsprechendes Gesetz wurde in der Nacht auf Mittwoch verabschiedet - gegen den massiven Widerstand der Industrie. Canberra Nach zweijährigen heftigen politischen Grabenkämpfen, die sogar einen Premierminister das Amt kosteten, passierte das historische Gesetz zur Einführung einer Bergbausteuer in der Nacht zum Mittwoch fast stillschweigend ihre wichtigste Hürde. Das australische Unterhaus stimmte dem Gesetzesvorschlag um 2.42 Uhr (Ortszeit) mit 73 gegen 71 Stimmen zu, nachdem die regierende Laborpartei unter Premierministerin Julia Gillard kurz zuvor mit den Grünen Partei einen Kompromissvertrag ausgehandelt hatte. Das Gesetz wird Anfang 2012 noch vom Senat behandelt. Dort werden allerdings kaum Widerstände erwartet. Die lange und zähe Geburt des Gesetzes wurde von anderen rohstoffreichen Ländern mit großem Interesse verfolgt. Ziel der australischen Regierung ist es, die Öffentlichkeit prominenter am seit Jahren laufenden Ressourcenboom teilhaben zu lassen. „Diese Rohstoffe können nur einmal ausgegraben und verkauft werden“, so Gillard in Canberra. Unternehmen wie BHP Billiton und Rio Tinto, aber auch dutzende kleinere Firmen, verbuchen dank der enormen Nachfrage nach Rohstoffen in China seit Jahren Rekordgewinne. Statt wie bisher rund 14 Prozent Steuern sollen Förderer von Eisenerz und Kohle, die im Jahr einen Gewinn von mehr als 75 Millionen australischer Dollar (54,5 Millionen Euro) ausweisen, künftig 30 Prozent dieses so genannten „Superprofits“ an den Fiskus abliefern. Wenn man die diversen Spezial-Steuerabzüge berücksichtigt, die die Rohstoffindustrie genießt, sinkt die Zahl auf einen effektiven Satz von 22,5 Prozent. Etwa 30 der größten australischen Minenunternehmen sind von der Steuer betroffen. Canberra erwartet für die ersten zwei Jahre 7,7 Milliarden australische Dollar (5,6 Milliarden Euro) an zusätzlichen Einnahmen. Die Mittel sollen ab Juli 2012 in Steuererleichterungen für andere Sektoren der australischen Wirtschaft investiert werden, in den Bau von Infrastruktur, sowie zur Kompensation von Firmen für höhere Rentenkassenbeiträge. Vehementer Widerstand der Industrie Die Rohstoffindustrie wehrte sich seit gut zwei Jahren vehement gegen die Pläne. Unterstützt von der liberal-nationalen Opposition und den konservativen Medien der von Rupert Murdoch kontrollierten News Limited-Gruppe orchestrierte die Ressourcenindustrie eine aggressive Public-Relations-Kampagne gegen den Gesetzesvorschlag und gegen die Laborregierung. Mitte letzten Jahres setzte die Partei in einer Panikreaktion Premierminister Kevin Rudd ab, nachdem seine Position unter den Wählern auf ein Allzeittief gefallen war. Mit dem Hinweis, die mineralischen Rohstoffe gehörten „dem Volk und nicht nur den Ressourcenkonzernen“, hatte Rudd zuvor eine Steuer von 40 Prozent vorgeschlagen. Seine Nachfolgerin Julia Gillard einigte sich mit den drei mächtigsten Kritikern, Rio Tinto, BHP Billiton und Xstrata, bald auf eine abgespeckte Version der Steuer. Trotzdem riss der Widerstand der Industrie nicht ab. Kleinere Unternehmen sahen sich von den drei Großen verraten. Andrew Forrest, der Chef von Fortescue Metals, dem drittgrößten Eisenerzproduzenten Australiens, kritisierte, die Steuer benachteilige kleinere Produzenten. Die endgültige Fassung der Steuer ist ein Produkt vieler weiterer Kompromisse. So einigte sich Gillard mit der Industrie darauf, dass die Abgabe erst bei einem Gewinn ab 75 Millionen australischer Dollar erhoben wird, statt wie ursprünglich geplant schon bei 50 Millionen. Außerdem sind nur Eisenerz- und Kohle betroffen, nicht die meisten anderen Rohstoffe, wie unter Rudd’s Vorschlag. Den Grünen und zwei Unabhängigen, die im Unterhaus die Balance der Macht halten und die Regierung zu Fall bringen könnten, gestand Gillard ein Programm zu, mit dem die Auswirkungen der umstrittenen Kohleflözgasgewinnung auf die Umwelt erforscht werden soll. Oppositionsführer Tony Abbott versprach am Mittwoch, das Gesetz im Falle eines Wahlsieges der Konservativen in zwei Jahren wieder abzuschaffen. Es sei das Ergebnis eines „geheimen Abkommens“ zwischen den Grünen und Labor. Trotz der heftigen politischen Rhetorik in der Öffentlichkeit sind die meisten Vertreter der Bergbauindustrie privat wenig besorgt über die neue Maßnahme. Die Gewinne aus dem Rohstoffboom sind dank der anhaltenden Nachfrage in Asien so groß, dass sich die zusätzlichen Steuern nur unwesentlich auf die Bilanzen auswirken dürften. Laut dem staatlichen Rohstoffforschungsbüro Abare sollen alleine die Eisenerzexporte im laufenden Finanzjahr um acht Prozent auf 437 Millionen Tonnen zunehmen. Der Gewinn aus den Ausfuhren werde trotz gegenwärtig schwächerer Preise um 17 Prozent zulegen. Die australische Börse reagierte kaum auf die Ankündigung. Die anhaltenden Schuldenprobleme in Europa beschäftigten Händler deutlich stärker als die neue Steuer. Auch der australische Dollar reagierte nicht. http://www.wiwo.de/politik/ausland/...-zur-kasse-gebeten/5876840.html |