es gibts sie ja doch, die vernünftigen Stimmen in Deutschland (und anderswo). Hier ein realistischer Artikel der beiden Seiten ausleuchtet im Spiegel-online. Nicht Wahlkampfgelaber (aber auch kein rechtpopulistisches Gegengelaber) sondern realpolitische Einschätzung und Diskussion, dies scheint mir Voraussetzung für einen niveauvollen demokratischen Weg. Deutschland profitiert auch ziemlich massiv von der Schweiz. Fragt eure Landsgenossen (aktuell: 220'000 + 3000 mehr pro Monat) die in der Schweiz leben mittlerweile, wieso sie es in D nicht mehr aushalten und dann fangt an was in eurem Land zu ändern. Thats the way!
Von Mathieu von Rohr Nichts schweißt die Schweizer so sehr zusammen wie der Vorstoß eines Deutschen, der mit der Peitsche droht: Peer Steinbrücks Angriffe auf das Bankgeheimnis haben einen regelrechten Volkszorn entfacht. Die rechtspopulistische SVP vergleicht den Finanzminister sogar mit den Nazis.
Hamburg - Er hat es schon wieder getan. Am Montagabend war Finanzminister Peer Steinbrück bei "Beckmann" und griff die Schweiz an. Bullig saß er da, mit gerötetem Gesicht, und machte klar, dass er gar nichts zurückzunehmen gedenkt. Weder seinen Vorwurf von vergangener Woche, dass die Schweiz Steuerhinterzieher einlade, noch seine Drohung, dass er nun – nebst Zuckerbrot – auch "die Peitsche" gegen sie einsetzen wolle. Finanzminister Steinbrück: Peitsche und Daumenschrauben gegen Steuerparadiese Stattdessen donnerte er: Nicht er missachte die Souveränität der Schweiz, sondern die Schweiz "berühre" die Souveränität Deutschlands. Und falls sie nicht einlenke, müsse man sie eben wie Liechtenstein mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen zur Räson bringen. Es war das dritte Mal binnen einer Woche, dass Steinbrück zu dieser harten Rhetorik griff. Während seine Worte in Deutschland eher am Rande notiert wurden, haben sie in der Schweiz einen regelrechten Volkszorn entfesselt. Falls es Steinbrücks Ziel war, für ein ganzes Land zur Hassfigur zu werden, dann hat er das geschafft – wahrscheinlicher ist, dass er entweder nicht ahnte, welchen empfindlichen Nerv er mit seinen Bemerkungen treffen würde, oder – noch wahrscheinlicher – dass es ihm herzlich egal war.
Antideutsche Gefühle provoziert Für den kollektiven Entrüstungssturm sorgte gar nicht in erster Linie die inhaltliche Kritik an der Schweiz – sie ist schließlich nicht neu. Vielmehr waren es Urheber und Tonfall, die einen nationalistischen Reflex geradezu herausforderten: Martialische Drohungen aus Deutschland wecken bei den Schweizern auch 63 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Angst und Trotzgefühle gegenüber dem Giganten im Norden. Nichts schweißt die Schweizer so sehr zusammen wie der Angriff eines Deutschen, der mit der Peitsche droht. Steinbrück erfüllt so sehr die Klischeevorstellungen der Schweizer vom aggressiven Teutonen, dass er als Feindbild wie gerufen kommt. Vor allem die Drohung mit der Peitsche schlug in der harmoniesüchtigen Schweiz – wo man auch im Streit immer freundlich bleibt – wie ein Artilleriegeschoss ein. Steinbrücks Worte haben tiefsitzende antideutsche Gefühle angestachelt. Politiker von links bis rechts reagieren mit großer Empörung, die Leserbriefspalten in den Zeitungen quellen über, auch die Regierung protestiert in ungewohnt scharfen Worten. Außenministerin Micheline Calmy-Rey, eine Sozialdemokratin, war wegen der Peitschendrohung noch tagelang aufgebracht, bestellte den deutschen Botschafter ein und verbarg ihre Wut keine Sekunde lang hinter diplomatischen Floskeln: "Wir sind doch keine Kinder", sagte sie vergangene Woche auf einer Pressekonferenz, und setzte nach: "Auch gegenüber Kindern darf man das nicht tun."
Deutschland gilt als wirtschaftlicher Problemfall Dem SPIEGEL sagte sie, sie sei "überrascht, befremdet und vor allem enttäuscht über diesen Tonfall", und: "Offenbar geht es darum, dass Deutschland Geld braucht." Sie warnte außerdem, Steinbrück schüre bei den Schweizern Vorurteile gegenüber Deutschen – und erwähnte im gleichen Atemzug die inzwischen mehr als 220.000 Deutschen, die in der Schweiz leben. Nur wenige linke Politiker und Kommentatoren trauen sich in dieser aufgeheizten Stimmung darauf hinzuweisen, dass das Schweizer Bankgeheimnis tatsächlich auch deutsche Steuerhinterzieher schützt, und dass darin ein moralisches Problem liegen könnte – die Empörung über Steinbrücks Wortwahl überwiegt, und die meisten Kommentatoren sehen darin reine Interessenpolitik.
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