Kulturkampf in der Lausitz Das sorbische Volk behauptet sich seit vielen Jahrhunderten von Johannes Hofmeister
Heute leben etwa 60000 Sorben in Sachsen und Brandenburg. Über dieses slawische Volk in der Lausitz, das den Status einer nationalen Minderheit hat und auch unter der Bezeichnung Wenden bekannt ist, erfährt man in der bundesdeutschen Öffentlichkeit nicht viel. Nur vor kurzem geriet dieses Volk in die Berichterstattung der Medien, als im sächsischen Crostwitz eine sorbische Schulklasse wegen zu geringer Schüleranzahl von der Schließung bedroht war. Im sorbischen Siedlungsgebiet werden zwei Sprachen gesprochen. In der Niederlausitz (Brandenburg) spricht man das dem Polnischen ähnliche Niedersorbisch, das in der Oberlausitz (Sachsen) gesprochene Obersorbisch ist der tschechischen Sprache ähnlich. Beide Sprachen sind als Minderheitensprachen anerkannt und im sorbischen Siedlungsgebiet findet man zweisprachige Ortsschilder. So ist z.B. der sorbische Name von Cottbus "Chosebuz", der von Bautzen "Budysin". Die Sorben wurden zum ersten Mal vom fränkischen Chronisten Fredegar im Jahr 631 erwähnt. Er sprach von den "Surbi", womit er allerdings noch weitere slawische Stämme, die östlich von Saale und Elbe siedelten, mit einschloß. Dort lebten sie anfangs in Frieden, bis etwa zum Ende des 8. Jahrhunderts, als es zu ersten Auseinandersetzungen mit den Franken kam. Karl der Große unterwarf dann die sorbischen Stämme, die sich allerdings ihre Unabhängigkeit wieder erkämpfen konnten. Jedoch in der Zeit nach der Entstehung des ostfränkischen Reiches kam es erneut zu kriegerischen Konfikten, deren Ziel die Unterwerfung der slawischen Stämme im Saale-Elbe-Gebiet war. Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts kam es erneut zu einer einschneidenden Veränderung im Sorbengebiet. Nun wanderten massenhaft flämische, sächsische thüringische und fränkische Siedler in deren Gebiet ein. Dadurch gab es im Elbe-Saale-Gebiet ein Übergewicht deutscher Siedler, was zu einer allmählichen Assimilierung der Sorben führte. In den sorbischen Siedlungsgebieten außerhalb der Lausitz wurden darüber hinaus auch noch diskriminierende Gesetze erlassen, die u.a. den Gebrauch der sorbischen Sprache verboten. Dort ging die sorbische Kultur unter. In der Lausitz konnte sich die sorbische Sprache und Kultur jedoch behaupten und auch die Stellung der Sorben war dort insgesamt besser. Das Siedlungsgebiet schrumpfte dennoch aufgrund von antisorbischen Gesetzen. Aber die lutherische Reformation bewirkte eine Aufwertung der sorbischen Sprache. Dann wurde das sorbisch besiedelte Gebiet erneut eingeengt durch eine Pestwelle in den Jahren 1632/33, die zu großen Bevölkerungsverlusten in der Lausitz führte. Eine weitere Welle der antisorbischen Gesetgebung setzte mit dem Zeitalter des Absolutismus Ende des 17. Jahrhunderts ein. Nun gab es vor allem in der Niederlausitz Bestrebungen, die sorbische Kultur regelrecht zu vernichten. Ein weiterer Rückgang des sorbischen Gebietes war die Folge. Die territorialen Veränderungen nach dem Wiener Kongreß 1815 führten dazu, daß Bestrebungen, eine gesamtsorbische territoriale Einheit zu bilden, obsolet wurden. Im nun geschrumpftem Königreich Sachsen lebten etwa ein Fünftel der gesamten sorbischen Bevölkerung (ca. 50000), der Rest lebte nun auf dem Gebiet des Königreichs Preußen, in dem eine stark antisorbische Gesetzgebung vorherrschte, Sachsen war hingegen toleranter. Aber die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war in Europa auch die Zeit der nationalen Bewegungen, wovon auch das sorbische Volk erfaßt wurde. Neben der Bildung eines sorbischen Nationalbewußtseins verstärkten sich nun auch die Kontakte zu anderen slawischen Völkern. Die Industrialisierung führte zu Veränderungen im sorbischen Gebiet. Die dortigen Braunkohlevorkommen, die auch in der späteren Zeit noch eine bedeutende Rolle spielen sollten, sorgten für eine starke deutsche Zuwanderung. Gleichzeitig wanderten aber auch zahlreiche Sorben ab, da sie in ihrer Heimat keine Perspektiven sahen. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs wurde das sorbische Volk erneut auf eine harte Probe gestellt. Es setzte wieder eine Welle der antisorbischen Repression ein. Diesmal wurde nicht nur ihre Sprache und Kultur unterdrückt, man verdächtigte sie auch des Panslawismus und erklärte sie zu Reichsfeinden. Natürlich stieß das bei den Sorben auf Widerstand und man gründete zahlreiche sorbische Kulturvereine. 1912 wurde dann die Dachorganisation der sorbischen Kulturvereine, die Domowina, gegründet. Sie existiert noch heute. Nach Ende des 1. Weltkrieges bildete sich der Wendische Nationalausschuß. Er forderte erst die Autonomie, danach entweder einen souveränen Sorbenstaat oder den Anschluß an die Tschechoslowakei. Diese Bestrebungen veranlaßte die Reichsregierung zu antisorbischen Maßnahmen, vor allem zu einem systematischen Eindeutschungsversuch der sorbischen Bevölkerung. Das war ein klarer Verstoß gegen die Weimarer Reichsverfassung, die den fremdsprachigen Reichsangehörigen die freie Ausübung ihrer Kultur und Sprache garantierte. Dennoch ließ sich dieses Volk nicht unterkriegen. Es bildeten sich weiterhin sorbische Organisationen, Sportvereine, Theatergruppen etc. . 1925 wurde der Wendische Volksrat gegründet. Die Machtübernahme der Nazis bedeutete einen gewaltigen Einschnitt in das sorbische Leben. Unmittelbar nach der Machtergreifung wurden zahlreiche sorbischen Vereine, Organisationen und Publikationen verboten. Nach Protesten aus dem Ausland beendete man die offenen Repressalien und ging zu einer subtilen Untergrabung der sorbischen Kultur über. Das NS-Regime versuchte, die Sorben auf ihre Seite zu ziehen und sie von ihrer slawischen Kultur abzubringen. Sie erklärten die Sorben zu einem oberflächlich slawisierten deutschen Volksstamm. Doch die sorbische Identität widerstand der Assimilierungspolitik der Nazis. Danach folgte wieder eine Phase der Repression, die die Vernichtung des sorbischen Volkes zum Ziel hatte. Die Domowina wurde 1937 faktisch verboten, ebenso wie andere sorbischen Organisationen und der Gebrauch der sorbischen Sprache. Viele bedeutende sorbische Persönlichkeiten kamen ins KZ. Sorbische Ortsnamen wurden eingedeutscht. Die SS plante die Deportation der Sorben, die aber, bedingt durch die Kriegswirren, nie durchgeführt wurde. Aber die repressive Politik der Nazis hinterließ ihre Spuren, der Gebrauch des Sorbischen als Alltagssprache ging zurück. 1945 wurde dann die Domowina neugegründet und es formierte sich der Sorbische Nationalausschuß. Nun gab es erneut Überlegungen, die Lausitz zu einem unabhängigen Staat zu machen oder an die Tschechoslowakei anzuschließen. Da aber die Sorben in der Lausitz selber nur eine Minderheit waren, waren diese Pläne nicht durchführbar. Nun wurde die DDR gegründet. Auch unter dem DDR-System lebte die sorbische Bevölkerung nicht ohne Probleme. So versuchte die SED, die Domowina für ihre politischen Absichten zu vereinnahmen, nicht ohne Erfolg. Die kulturelle Arbeit der Domomwina wurde zugunsten politischer Aktivität zurückgedrängt. Die Braunkohlevorkommen in der Lausitz ließen diese Region zum Energierevier der DDR werden, was für viele Sorben zu einem Problem wurde. Auch Proteste konnten nicht verhindern, daß einige Ortschaften dem Tagebau weichen mußten. Die Schulpolitik der DDR gegenüber den Sorben kann man, mit Ausnahme einer kurzen Phase, überwiegend als positiv bezeichnen. Es gab in der Lausitz Schulen vom Typ A (mit Sorbisch als Unterrichtssprache) und vom Typ B (mit Sorbisch als Fremdsprache). Nur im Jahr 1964 wurde eine Regelung eingeführt, die vorsah, daß der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht zum großen Teil in deutscher Sprache erfolgen sollte. Darüber hinaus wurde der sorbische Pflichtunterricht abgeschafft und der Unterricht in sorbisch sollte nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Gleichzeitig durfte nicht für den freiwilligen sorbischen Unterricht geworben werden. 1968 wurde diese Regelung allerdings wieder gelockert. Nach der Wiedervereinigung regelten jeweils die Verfassungen der Bundesländer Sachsen und Brandenburg die rechtliche Stellung der Sorben. Heute sind die Minderheitenrechte weitgehend erfüllt. Aber trotzdem gab und gibt es noch vereinzelt Probleme, die Situation in der Mittelschule in Crostwitz habe ich ja schon zu Anfang erwähnt. Genauso sollte auch das Dorf Horno erwähnt werden, das abgerissen werden sollte, damit dort Braunkohletagebau betrieben werden konnte. Wenn man sich diesen kurzen Überblick über die Geschichte der Sorben anschaut, dann sieht man, daß dieses Volk seit sehr langer Zeit um das Überleben seiner Kultur kämpft und fast immer in Bedrängnis war. Diese Strapazen blieben leider nicht wirkungslos. Das Siedlungsgebiet ist im Laufe der Zeit stark zusammengeschrumpft und selbst dort stellen sie heute nur noch eine Minderheit dar. Aber andererseits hat es die zahlreichen Assimilierungs- und Unterdrückungsversuche überstanden und es wird bei Einhaltung der Minderheitenrechte weiterhin bestehen. Schade ist nur, daß sich die Öffentlichkeit nicht mehr der Belange der Sorben annimmt.
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