Weniger Neuzulassungen
Peking erschreckt die deutschen Autobauer
Für die deutschen Autohersteller gilt China als Absatzmarkt der Zukunft, für die chinesische Politik wird das Verkehrschaos aber zunehmend zum Ärgernis. Nun will die Stadtregierung von Peking die Zahl der Neuzulassungen halbieren - und entsetzt damit die deutschen Autobauer.
PEKING/STUTTGART. Die Stadtregierung von Peking hat zum Jahresende die Autoindustrie in Schrecken versetzt: Um das Verkehrschaos in den Griff zu bekommen, will sie im kommenden Jahr die Zahl der Neuzulassungen von Autos halbieren. Die Entscheidung der 22-Millionen-Metropole gilt als richtungweisend für die Verkehrspolitik des Landes und könnte der China-Euphorie der Autohersteller einen empfindlichen Dämpfer verpassen. Entsprechend heftig brachen die Aktienkurse chinesischer Autohersteller ein. Anteilsscheine von Geely
und Brilliance gaben gut sechs Prozent nach, Konkurrent Dongfeng rutschte im Hongkonger Handel sogar neun Prozent nach unten.
Empfindlich trifft das auch die deutsche Autoindustrie, die ihre Wachstumprognosen auf einen ungebremsten Boom in China stützt. Nicht nur die Autobauer, auch alle großen deutschen Zulieferer mit globaler Präsenz wie etwa Bosch oder ZF haben ihre schnelle Erholung im Jahr 2010 vor allem dem raschen Comeback des chinesischen Marktes zu verdanken. Die positiven Prognosen für 2011 wurden alle unter dem Vorbehalt gegeben, dass es keinen Einbruch in China gibt. So betonte ZF-Chef Hans-Georg Härter vor nicht einmal zwei Wochen, dass die starke Abhängigkeit deutscher Premium-Autobauer von China ein Risiko für die weitere Entwicklung berge.
Die deutsche Industrie ist in China stark vertreten und baut ihre Präsenz durch Milliardeninvestitionen aus. Volkswagen beispielsweise
investiert bis 2012 sechs Milliarden Euro. "Das bemerkenswerte Fertigungsplus ist zum größten Teil auf die starke Nachfrage in China und anderen Schwellenländern zurückzuführen", schreibt Felix Kuhnert, Leiter des Bereichs Automotive bei der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers.
Wertverlust-Ranking
Die neuen Pekinger Zulassungsbeschränkungen werden den Absatz in der Stadtpräfektur voraussichtlich auf 400 000 Einheiten kappen, sagte Luo Lei vom chinesischen Autohändlerverband im staatlichen Fernsehen. Die Zahl ergibt sich aus der Ausgabe von 240 000 neuen Nummernschildern sowie 160 000 Ersatzkäufen. Die rationierte Zuteilung der Neuzulassungen erfolgt nach dem Losverfahren. Im Jahr 2010 lag der Absatz noch bei 800 000 Autos.
Die chinesische Hauptstadt gehört zu den reichsten Regionen des Landes. Sie ist damit einer der wichtigsten Automärkte des Landes - auf dem Lande können sich die meisten Haushalte noch keinen eigenen Wagen leisten. China ist zugleich während der Wirtschaftskrise zum größten Automarkt der Welt aufgestiegen: 2009 lag der Absatz landesweit bei 13,6 Millionen Einheiten, für 2010 erwartet der Verband der Autohersteller einen Anstieg auf von 15 Millionen. Das Wachstums war nach Einführung einer Abwrackprämie und anderer Kaufanreize in den vergangenen zwei Jahren außerordentlich stark hochgegangen. Auch der Verband erwartet nun eine Normalisierung.
Chinas Wirtschaftsplaner befinden sich derzeit in einem Dilemma. Die Autoindustrie ist einerseits eine wichtige Stütze des Wirtschaftswachstums. Ihre Förderung gilt als wichtig für die Entwicklung des Landes. Andererseits leiden Großstädte wie Peking und Schanghai unter dauernden Verkehrsstaus.Die Lebensqualität der Hauptstädter leidet erheblich darunter, so dass die Politik freier Neuzulassungen inzwischen als verfehlt gilt. Über die Weihnachtstage wurde der zuständige Pekinger Vizebürgermeister für Verkehrsplanung seines Postens enthoben und in die abgelegene Region Xinjiang versetzt - über dreitausend Kilometer ins Landesinnere.
Da in Chinas Großstädten schon aus Platzmangel des Absatzwachstum abflachen muss, hofft die Autoindustrie nun auf das schnelle Nachziehen der vielen hundert Städte jenseits der Vorzeigemetropolen. Auch sehen die Anbieter dank steigenden Lebensstandards zweistellige Absatzsteigerungen.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/...obauer;2719370;2