Wenn sie dieses Interview mit der Einstellung von Hr. Ohnemus Jahre zuvor gelesen hätten, hätten wer hätte da wohl investiert??????????
Das Unternehmen Fantastic ist ein Paradebeispiel für das, was im und nach dem Internet-Hype geschehen ist. Die Aktienanteilscheine wurden Ende September 1999 zu 4.50 Euro emittiert und am Neuen Markt Frankfurt eingeführt. Ende Februar 2000 markierten die Titel ein Höchst von 54.40 Euro. Mit rund 300 Beschäftigten erreichte das Softwarehaus im Top einen Börsenwert von 10 Mrd. Fr.! Peter Ohnemus gehörte zusammen mit Frank Ewald und Lars Tvede zu den Gründungsmitgliedern. Ohnemus hatte das Konzept von Fantastic entwickelt. Seine Visionen klangen einst plausibel. Geblieben ist ein fast wertloser leerer Aktienmantel. Herr Ohnemus, was ging Ihnen durch den Kopf, als der Börsenwert von Fantastic die Marke von 10 Mrd. Fr. erreichte?
Ich dachte, das ist Wahnsinn! Doch die Börse funktioniert so. Die Leute wollten die Aktien kaufen und trieben den Kurs dadurch höher und höher.
Sie repräsentierten damals das Unternehmen. Mit Ihren Aussagen transportierten Sie gewisse Visionen und Hoffnungen. Hätten Sie nicht offensiver auf die Übertreibung der Börse hinweisen sollen?
Wer die Aktien kaufte, als der Börsenwert gegen 10 Mrd. Fr. tendierte, wollte auch noch einen schnellen Gewinn realisieren. Niemand, der sich mit diesem Metier ernsthaft befasst, zahlt für ein Unternehmen mit einem Umsatz von 22 Mio.$ einen so hohen Preis. Ich kann doch den Markt nicht kontrollieren, und man kann mich nicht verantwortlich machen für den damaligen Internet-Hype.
Wie viel Geld haben Sie im Rahmen der Emission verdient?
Ich verstehe, dass Sie das interessiert. Doch ich sehe das als meine Privatangelegenheit und erteile dazu keine Angaben.
Aktionäre, die mit Fantastic viel Geld verloren haben, dürfte das interessieren.
Egal zu welchem Preis ich verkauft hätte – für die gesamte Gesellschaft wäre es so oder so nie korrekt gewesen. Ich hatte von einer Privatbank eine Offerte, meine gesamten Aktien für 600 Mio. Fr. zu plazieren. Ich schlug das Angebot aus.
Haben Sie nach dem Ablauf der halbjährigen Sperrfrist im März 2000 Aktien verkauft?
Ich habe einmal eine Transaktion mit einer Grossbank abgewickelt. Aber das ging alles mit rechten Dingen zu und her.
Das war nur eine Frage...
Aber Sie schauen mich so an, als ob ich Biskuits aus ihrer Biskuitschachtel gestohlen hätte. Ich hätte damals noch viel mehr Aktien verkaufen können. Mein Paket hatte einen Wert von bis zu 1 Mrd. Fr. Da ist es doch nicht verwerflich, wenn ich 10% meines Vermögens umlagern will. Das habe ich nicht gemacht, weil ich fest an Fantastic geglaubt habe.
Ihr Vermögen hätte offenbar gereicht, um die 10 Mio. Fr. zu investieren, die Fantastic zum Überleben benötigte. Warum haben Sie nicht geholfen?
Meine Rechtsanwälte haben mir klar signalisiert, dass ich diese Transaktion nicht allein machen darf. Wäre ich als Alleininvestor aufgetreten, wäre mein Anteil auf gegen 80% des Aktienkapitals gestiegen. Nach einem gelungenen Turnaround hätten mit Sicherheit Aktionäre geklagt: Ohnemus habe das Ende von Fantastic provoziert, um durch die Hintertür die Kontrolle wieder zu übernehmen.
Während der Aktiensperrfrist war kaum Negatives von Fantastic zu vernehmen. Danach häuften sich die Probleme.
Das finde ich gar nicht. Hätten wir den Vertrag mit dem Deutschen Fernsehen ZDF, wie erst vorgesehen, gegen Ende der Sperrfrist bekannt gegeben, wäre derBörsenwert von Fantastic wohl gegen 20 Mrd. Fr. geklettert. Als wir das Geschäft dann wenige Monate später öffentlich machten, interessierte das die Börse nicht mehr.
Sie haben sich plötzlich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Unternehmen zurückgezogen. Warum holten Sie Postchef Reto Braun?
Mit diesem Entscheid hatte ich gar nichts zu tun.
Wer hat dann entschieden?
Natürlich der Verwaltungsrat. Aber es ist öffentlich bekannt, dass Braun ein Freund des damaligen Verwaltungsratspräsidenten Giorgio Ronchi war. Ronchi entschied als Vertreter des Hauptaktionärs, der ETF Group.
Sie waren das Aushängeschild der Fantastic. Die Investoren haben in Ihre Visionen investiert. Plötzlich waren Sie weg. Verstehen Sie den Ärger der Anleger?
Letztlich haben die Anleger in ein Breitbandprojekt investiert, eine Technologie, der alle Marktforschungsinstitute eine grosse Zukunft voraussagten.
Aber Sie haben Hoffnungen geweckt und sich mit Ihrem Ausscheiden aus der Verantwortung gezogen.
Ich habe nie zu jemandem gesagt, er solle Fantastic-Aktien kaufen. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass dieses Projekt grosse Risiken birgt und dass es kein ideales Investment für einen Kleinanleger ist. Investoren warfen mir dann vor, ich hätte die Zukunft zu rosig umschrieben. Wenn ich die Leute dann fragte, ob sie wissen, was Fantastic genau macht, wussten sie kaum Bescheid. Damals wurde mir klar, dass die Leute nur einen Lottoschein kauften und auf den grossen Gewinn hofften. Von den Veränderungen im Jahr 2000 wurde aber auch ich überrumpelt. Ich stand einige Male vor dem Spiegel und fragte mich: Warum ist alles im Telco-Markt so schief gelaufen?
Sie lockten 1999 in Inseraten die Anleger mit dem Versprechen, dass Fantastic die Basissoftware für die Verschmelzung von Fernsehen, Internet und Telekommunikation liefert. Die verschiedenen Plattformen rücken jetzt zusammen. Weshalb hat Fantastic mit dieser Entwicklung trotzdem nichts mehr zu tun?
Es gibt drei Gründe. Unternehmen in Asien, Europa und den USA konnten sich nicht auf einheitliche Übertragungsstandards einigen. Zweitens mussten die Telecomkonzerne im Rahmen der Vergabe der UMTS-Lizenzen gegen 130 Mrd. Euro zahlen. Dieses Geld fehlte, um Projekte wie das interaktive Fernsehen voranzutreiben. Diese Entwicklung war für uns nicht voraussehbar. Die überhöhten Zahlungen für die UMTS-Lizenzen stürzten die Branche in eine Krise. Viele unserer Gesprächspartner, mit denen wir grosse Verträge ausgehandelt hatten, wurden entlassen. Die neuen Manager waren in hohem Masse auf die Finanzen und weniger auf neue Produkte fokussiert. Der dritte Punkt lässt sich unter dem Stichwort Hollywood zusammenfassen. Die Filmindustrie sah sich damals plötzlich mit dem Phänomen Napster konfrontiert und hatte Angst, dass mit der digitalen Distribution von Filmen dem Tauschhandel über das Internet Vorschub geleistet werden könnte. Wir hatten Verträge unter anderem mit Playboy und Disney. Doch im Jahr 2000 zog sich Hollywood aus Projekten für interaktives Video zurück.
Was waren die Qualitäten der Fantastic-Software?
Wir wollten verschiedene Inhalte wie Video, Games und Musik in einer Oberfläche zusammenführen. Mit dem Datenaustausch auf der Basis des Internet-Protokolls sollten digitale Inhalte auf dem Natel wie auch auf dem digitalen Fernseher im Auto empfangen werden. Ein eingehendes SMS wäre zum Beispiel automatisch auf dem TV-Bildschirm eingeblendet worden. Wir haben die Software für solche Funktionen entwickelt und sogar einige Patente dafür erhalten.
Das System war aber auf Leitungskapazitäten ausgerichtet, die noch heute nicht zur Verfügung stehen.
Wir rechneten mit einer Datenmenge von 4 bis 8 Megabit pro Sekunde.
ADSL liefert heute für den Normalverbraucher erst 300 bis 600 Kilobit. War das System falsch konzipiert?
Wäre nicht so viel Geld in die UMTS-Lizenzen geflossen, wäre der Wettbewerb in technologischen Entwicklungen in diesem Bereich schneller vorangetrieben worden. Ich habe schon im Jahr 1999 den Bundesrat, Swisscom, Ascom und Kudelski kontaktiert und die Idee unterbreitet, die Schweiz zum Vorzeigeland in der Breitbandtechnologie zu entwickeln. Wir haben keine Lösung gefunden. Korea hat diesen Schritt vollzogen und wird in diesem Jahr für 8 Mrd.$ High-tech-Produkte im Bereich Breitbandtechnologie exportieren. Da haben wir eine Riesenchance verpasst.
In den nächsten Jahren werden die Durchlaufgeschwindigkeiten im Netz weiter steigen. Fantastic wäre mit der eigenen Software damit ideal positioniert. Sie wollten das Softwarepaket, in das rund 100 Mio.$ investiert worden waren, in den letzten Wochen für 1 Mio.$ verkaufen. Warum fanden Sie keinen Käufer?
Die Software mit einigen Millionen Zeilen ist von Hunderten von Leuten programmiert worden. Das Programm ist eigentlich fertig entwickelt. Es bräuchte jetzt aber weitere, grosse Investitionen um das Produkt den neusten Standards anzupassen. Vor zwei Jahren entschied der damalige Verwaltungsratspräsident Reto Braun, sich auf Businesslösungen zu konzentrieren. Das interaktive Fernsehen wurde damals auf Eis gelegt. Grosse Unternehmen wie Sony sind daran, eigene Konzepte für interaktives Fernsehen zu entwickeln. Wir haben mit den Leuten von Sony intensiv diskutiert, ob es eine Möglichkeit gäbe, unsere Ideen einzubringen. Doch man kann nicht einfach zwei Softwarekonzepte aufeinanderpfropfen.
Der Investor kann kaum verstehen, was hinter der Software steckt, und fragt sich, ob ihm da nicht etwas vorgegaukelt worden ist!
Wir haben detaillierte Angaben zu den Funktionen unseres Programms. Es gibt standard-verpackte Softwareangebote. Wir haben Kunden wie General Motors, Shell, Goldman Sachs. Auf rund 120000 Computern ist unsere Software installiert. Wenn das alles nur ‹Mickymaus› gewesen wäre, hätten das die IT-Fachleute unserer Partner schnell herausgefunden. Ich möchte mit Nachdruck darauf hinweisen, dass 1996, als wir mit dem Aufbau von Fantastic begannen, die Perspektiven sehr interessant waren.
Die Schwierigkeiten begannen im Jahr 2000. Weshalb hat Fantastic nicht schon damals reagiert und die Software inklusive der Entwicklungsingenieure zum Beispiel an Sony verkauft?
Fantastic wurde damals von der Börse mit einigen Milliarden Franken bewertet. Hätte ich damals Software und Entwickler an Sony verkauft, hätten die Aktionäre wohl sehr heftig reagiert.
Sie sagten damals, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis für die Bewertung eines Unternehmens nicht mehr relevant sei. Damit haben Sie doch die Kurseuphorie noch geschürt!
Ich habe nur das gesagt, was die Banken in jeder New-Economy-Studie geschrieben haben.
Was war dann Ihre Meinung?
Ich war überzeugt, dass die digitale Welt sehr schnell wachsen wird. Wer an dieser Entwicklung partizipieren wollte, musste in die Infrastruktur investieren, um die eigene Position abzusichern. In einer solchen Phase kann ein Unternehmen kein Geld verdienen.
Haben Sie rückblickend also vieles richtig gemacht?
Damals war ich der festen Überzeugung, das Richtige zu tun. Seit einiger Zeit bin ich konservativer eingestellt. Heute interessieren mich einzig das Kurs-Gewinn-Verhältnis und der freie Cash-flow. So haben sich die Zeiten geändert.
War die New-Economy-Blase bloss eine Zeiterscheinung?
Ja, es war nur ein Zeitphänomen.
Ist das ein Argument, um die damaligen Fehlbeurteilungen zu rechtfertigen?
Schuldige sind immer leicht zu finden. Aber damals gab es eine Gruppendynamik, die in die Annalen der Geschichte als einzigartig eingehen wird. Ich werde wahrscheinlich in fünfzig Jahren noch meinen Enkelkindern davon erzählen, was in diesen Jahren Verrücktes passiert ist. Ich bin überzeugt, ein solches Phänomen wird es nie wieder geben. Egal, wie man das dreht, es war ein Wahnsinn, was damals lief. |