Steffens bringt's mMn in seinem aktuellen Newsletter auf den Punkt.. Der DAX und die anderen Indizes haben (noch) nicht die (charttechnische) Stärke für einen Hinweis auf einen sichern Boden. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Kurse machen Nachrichten von Jochen Steffens Es ist eine sehr seltsame Situation: Viele Kleinanleger denken, der Aktienmarkt sei mittlerweile günstig bewertet und empfinden die aktuellen Kurse als Einstiegskurse. Die Fondsindustrie übt sich dementsprechend in lautem Optimismus. Das will natürlich nicht unbedingt etwas heißen. Sie muss optimistisch sein, schließlich will sie möglichst viele eigene Produkte verkaufen. Etwas Ähnliches gilt für die Prognosen der Banken. Auch bei diesen sollte der Anleger den verkaufsfördernden Optimismus erst einmal heraus rechnen. Interessant ist aber, dass auf der anderen Seite viele der Börsenkommentatoren und Börsenexperten die weitere Entwicklung zum Teil extrem pessimistisch einschätzen. So beherrschte auch auf der 24. Internationalen Kapitalanlegertagung in Zürich der Pessimismus die Szene. Ähnliches sehe ich bei meinen Kollegen. Zwar gehen viele davon aus, dass wir noch einmal eine kleine Rally erleben, doch anschließend wird zumindest der Untergang des Abendlandes oder Schlimmeres erwartet.
Diese negative Stimmung schlägt sich somit auch im ZEW-Index durch, der aus einer Umfrage unter bis zu 350 Finanzanalysten berechnet wird. Selbst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos fehlte der Optimismus. Noch ist offenbar nicht die Zeit für konkrete Lösungen und hoffnungsvolle Schritte. Zu sehr hat die Krise die Finanzwelt erschüttert, zu unklar ist zurzeit, was uns noch bevorsteht. Aber auch die Unternehmer, also die Entscheider der Wirtschaft, sind extrem pessimistisch. Um das zu belegen reicht ein Blick auf den Ifo-Index. Dieser wird durch die Befragung von 7.000 Unternehmen ermittelt: Nicht nur der Index selbst, sondern auch die Erwartung der Unternehmen für die nächsten 6 Monate sank auf Tiefstkurse. Es ist bezeichnend dafür, dass die Finanzkrise nun auch die Wirtschaft erreicht hat. Normalerweise könnte man nun einen schönen Vergleich anstellen: Immer, wenn sich bei diesen Indizes entscheidende Tiefs entwickelten, bildeten auch die Börsen entscheidende Tiefs aus. Das stimmt auch so, doch es geht mir hier um eine andere Betrachtung. Zuerst die Kurse, dann die Stimmung und die damit verbunden die Nachrichtenlage Interessanter ist, dass sich meistens zunächst die Aktienkurse erholt haben und erst anschließend diese umfrageindizierten Indizes nachzogen. Dazu folgender Chart: Wenn man die entscheidenden Tiefs der letzten 16 Jahre einzeichnet (senkrechte, rot-gestrichelte Linien) erkennt man, dass der ZEW-Index (meistens) und der Ifo-Index (immer) den Kursen deutlich „nachlaufen“. Das spricht dafür, dass sich zunächst die Kurse stabilisieren. Erst daraufhin verbessert sich auch die Meinung der Finanzanalysten und die Stimmung der Unternehmen. Kurz: Offenbar reagieren die Kurse zuerst und dann erst bessert sich die Stimmung und damit auch die Nachrichtenlage. Teilweise dauert es sogar eine Weile bis sich eine positivere Stimmung an den Märkten endlich auch in den Umfragewerten niederschlägt. Zu diesen umfragebasierten Konjunkturdaten gehören auch die wichtigsten US-Konjunkturdaten, wie US-Einkaufmanager Indizes (z.B. ISM-Index, Chicagoer Einkaufsmanager Index, etc), wie auch die Indizes, die das US-Verbrauchervertrauen darstellen u.a.. Kurse beeinflussen Nachrichten Diese Erkenntnis hat natürlich erhebliche Auswirkungen. Wenn sich immer zuerst die Kurse stabilisieren und sich erst danach die Stimmung und die Nachrichtenlage bessern, kann das bedeuten, dass die Kurse Nachrichten machen. Sprich die Art der Nachrichten (gut / schlecht) könnte mit der Kursentwicklung zusammenhängen. Das macht auch Sinn, wenn man sich die typische Entwicklung nach einer Baisse ansieht: Zunächst fangen sich die Aktienindizes. Das wird von vielen zunächst noch nicht als Boden wahrgenommen. Wenn sich dieser Boden schließlich mit der Zeit bestätigt, werden die ersten erfahrenen Analysten und antizyklisch orientierten Kommentatoren einsteigen, um kurze Zeit später mit Kaufempfehlungen an die Öffentlichkeit zu treten. Aber auch erfahrene Unternehmer kennen natürlich die Zyklen und werden die Situation entsprechend bewerten. Sprich sie fangen an, ihre Investitionsbereitschaft zu erhöhen, um einer der ersten zu sein, die nach der Krise mit neuer Kraft auf den Markt drängen.
Kommt es also an den Börsen im weiteren Verlauf nicht mehr zu neuen Tiefs, werden immer mehr Anleger einsteigen. Die nun investierten Anleger, Journalisten und Börsenexperte werden anschließend natürlich die Nachrichten herausfiltern, die ihre Entscheidung untermauern. Zudem werden Nachrichten anders bewertet: Die guten Nachrichten etwas stärker, die schlechten Nachrichten etwas schwächer. Den Erfolg dieser selektiven Wahrnehmung werden die Kleinanleger, aber auch andere Journalisten und Börsenexperten in Zeitungen, Newslettern, im Internet und in Blogs zu lesen bekommen. Es beginnt ein sich selbst fördernder Kreislauf, der in den Charts als Aufwärtstrend zu erkennen ist, da immer mehr Menschen bei weiter steigenden Kursen bullish werden.
Was natürlich nicht passieren darf ist, dass aus der Realwirtschaft Nachrichten kommen, die in ihrer Tragweite jeden Hoffnungsschimmer zunichte machen. Passiert das, wird jeder Bodenversuch wieder abverkauft werden. Die Folge ist, dass der oben beschriebene Prozess eine ebene tiefer wieder von vorne startet. Wie geht man mit diesen Informationen um?
Diese kleine Ausführung reicht schon, um zu belegen, dass es keinen Sinn macht auf Nachrichten zu hören. Die Nachrichten spiegeln die Ansicht der Börsenexperten und Journalisten wieder. Die Ansichten diese ist erstaunlich oft Mainstream und hinkt damit dem Markt hinterher (siehe ZEW-Index). Selbst die umfragebasierten Konjunkturdaten sind allein nicht geeignet, frühzeitig eine Trendwende an den Märkten anzuzeigen, da hier ähnliche Prozesse eine Rolle spielen. Andere Konjunkturdaten, wie zum Beispiel Arbeitsmarktdaten, US-BIP und andere reagieren zum Teil noch zeitverzögerter auf die Kursentwicklung an den Börsen. Man muss diese Informationen also anders bewerten. Erreichen diese Konjunkturdaten Tiefstwerte ist das zumindest ein Hinweis, dass ein Boden in der Nähe sein könnte. Das allein reicht selbstverständlich nicht als Einstiegssignal aus, da niemand weiß, wie tief diese Konjunkturindizes noch fallen werden. Wir brauchen also einen weiteren Hinweis. Da Nachrichten und Konjunkturdaten wegfallen, bleiben nur noch die Charts. Und dann ist es eigentlich ganz einfach: Erst wenn sich hier erste Zeichen der Stärke zeigen, kann man das im Zusammenhang mit den Tiefstwerten der umfragebasierten Konjunkturdaten als einen vergleichsweisen sicheren Hinweis auf einen Boden werten. Diese Stärke hat der DAX bisher nicht gezeigt. Seit dem Tief haben die Hochs der Zwischenerholungen jeweils nicht mehr das Niveau der letzten Erholung erreichen können (tiefere Hochs). Erst wenn sich hier neue, höhere Hochs ausbilden und diese sich dann auch bestätigen, wäre es ein Zeichen der Stärke. Bis dahin müssen wir noch um den aktuellen Boden bangen. Viele Grüße Jochen Steffens
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Quelle: Steffens Daily von heute |