Luftbild des Elbehafens Brunsbüttel. Die freie Fläche nahe dem Fluss könnte künftig als Standort für ein Gas-Importterminal genutzt werden. Dafür wirbt die Brunsbütteler Wirtschaft Fotos: Brunsbüttel Ports, HA Mittelfristig gibt es für LNG einen großen Bedarf, etwa in der Schifffahrt. Frank Schnabel, Chef von Brunsbüttel Ports Brunsbüttel will Flüssiggas-Terminal Regionale Wirtschaft sieht Elbehafen als idealen Standort für LNG-Importe. Abhängigkeit von russischer Energie soll sinken
OLAF PREUSS HAMBURG:: Brunsbüttel wäre ein idealer Standort, um tief gekühltes, ver- flüssigtes Erdgas (LNG) nach Deutsch- land zu importieren. So sieht es die re- gionale Wirtschaft in der Stadt an der Unterelbe. Die Unternehmen, unter- stützt von ihrer zuständigen Industrie- und Handelskammer zu Flensburg, werben für die Idee nun bei der Bundes- regierung. „Es gibt für LNG in den kom- menden Jahren einen großen Bedarf, vor allem in der maritimen Wirtschaft, zur Versorgung von Küstenschiffen mit Brennstoff oder zur Erzeugung von Landstrom in Häfen“, sagte Frank Schnabel, Geschäftsführer des Bruns- bütteler Hafenbetreibers und Logistik- dienstleisters Schramm Group, dem Abendblatt. „Vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine geht es auch dar- um, die Abhängigkeit von russischem Erdgas in Deutschland mittelfristig zu senken. Ein LNG-Importterminal kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“ Der weltweite Handel mit LNG (Li- quefied natural gas) ist in den vergange- nen Jahren deutlich gewachsen. In den Exportanlagen wird Erdgas auf minus 164 Grad gekühlt und verflüssigt. Spezi- altanker transportieren das Gas zu den jeweiligen Importstationen. Dort wird es entweder in einen gasförmigen Zu- stand zurückversetzt und in das regio- nale Gasnetz eingespeist, oder aber in flüssiger Form weitertransportiert. In Hamburg etwa soll in den kommenden Wochen eine sogenannte LNG-Hybrid- barge des Unternehmens Becker Mari- ne Systems ankommen. Dieses erste schwimmende Erdgaskraftwerk in Deutschland soll künftig Kreuzfahrt- schiffe im Hamburger Hafen mit Strom versorgen. Um die Barge flexibel einset- zen zu können, werden ihre Gasmoto- ren zur Stromerzeugung mit LNG aus kleineren Kühltanks betrieben. Erdgas setzt bei der Verbrennung weit weniger Schadstoffe frei als Schiffsdiesel. Überall dort, wo es keine ausge- dehnten Erdgasnetze gibt, wird LNG seit Jahrzehnten eingesetzt, etwa in Ja- pan und in anderen Inselstaaten. In Deutschland war LNG bislang nicht konkurrenzfähig, weil das per Pipeline importierte Gas aus Russland, Norwe- gen oder den Niederlanden deutlich bil- liger war. Durch technologischen Fort- schritt aber sank in den vergangenen Jahren der Preis für die Verflüssigung und den Transport von Erdgas. Zudem gewinnt LNG an Attraktivität, weil Erd- gas in dieser Form vielfältiger genutzt werden kann als bislang üblich und weil neue Importquellen für Erdgas mit LNG-Terminals leichter zu erschließen sind als mit dem Bau neuer Pipelines. In Deutschland gibt es bislang kein Terminal zum Import von verflüssig- tem Erdgas. Ein jahrzehntealtes Projekt des früheren Gasversorgers Ruhrgas – mittlerweile Teil des Energiekonzerns E.on – in Wilhelmshaven kam über das Frühstadium nicht hinaus. Die Wirt- schaft in Brunsbüttel will nun ihre Standortvorteile in die Waagschale wer- fen. Es gab bereits Pläne, dort ein LNG- Depot für die maritime Wirtschaft zu errichten. Ein Importterminal wäre ein weit größerer Schritt. „Brunsbüttel liegt am Nord-Ostsee-Kanal logistisch ideal: Von hier aus sind LNG-Abnehmer an Nord- und Ostsee ebenso zu erreichen wie der Hamburger Hafen“, sagte Schnabel, der auch Sprecher einer Ver- einigung von Unternehmen unter dem Namen ChemCoast Park Brunsbüttel ist. „Hier in Brunsbüttel sitzen oben- drein eine Reihe von Unternehmen, et- wa aus der chemischen Industrie, die selbst ein Interesse an einer höheren Versorgungssicherheit durch den Im- port von LNG haben.“ Importiertes Erdgas könne in Brunsbüttel ins regio- nale Netz eingespeist werden. Die Unternehmen des ChemCoast Park, darunter der Chemiekonzern Bayer, der Zementhersteller Holcim oder das petrochemische Unternehmen Total Bitumen Deutschland, wenden sich heute in einer gemeinsamen Initia- tive an Uwe Beckmeyer (SPD), den Par- lamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie. „Wir wünschen uns eine Aus- sage der Bundesregierung zum Thema LNG“, sagte Schnabel. „Weil LNG in Deutschland neu ist, wird es genehmi- gungsrechtliche Fragen geben. Die Er- schließung eines neuen Importweges erfordert obendrein auch eine energie- politische Begleitung durch den Bund und nicht zuletzt auch die Unterstüt- zung durch öffentliche Mittel, des Bun- des oder der Europäischen Union.“ Ein Importterminal für LNG könne leicht eine Investition von mehr als einer Mil- liarde Euro erfordern, sagte Schnabel. Der LNG-Bedarf dürfte in der Regi- on rasch steigen. Vom 1. Januar an gel- ten auf Nord- und Ostsee weit strengere Abgasregeln für die Schifffahrt. Werf- ten, Reedereien und Schiffsausrüster bereiten die Einführung von Schiffsmo- toren mit Erdgasantrieb vor. Um Erdgas in Tanks von gewöhnlicher Größe trans- portieren zu können, kommt nur LNG in seiner stark komprimierten Form in- frage. Importiert wird LNG an der Nordsee bislang im belgischen Zeebrüg- ge und im Hafen von Rotterdam. Luftbild |