„Der Krieg kommt“: Darum sieht Investor Frank Thelen schwarz für Deutschland.
Herr Thelen, wie ist es um Deutschland und die Digitalisierung gerade bestellt? ( Frank Thelen wurde einem breiten Publikum durch die Startup-Show „Die Höhle der Löwen“ bekannt) .. Frank Thelen: „Ich fürchte, dass wir da schlecht aufgestellt sind. Das gilt gerade für die Automobilindustrie, die ja von besonderer Bedeutung ist für Deutschland — nicht nur, weil sehr viele Menschen bei BMW oder Volkswagen arbeiten, sondern auch, weil wir eine große Zulieferindustrie besitzen. Für beide Branchen gilt: Die sind null digitalisiert! Also wirklich: null. Ich empfinde es bereits als schlechtes Zeichen, dass ich als Deutscher ein amerikanisches Auto fahren muss. Weil es kein deutsches Elektroauto gibt, das den Namen verdient. Die deutschen Autohersteller haben es ja nicht mal hinbekommen, in ihrem eigenen Land eine Infrastruktur mit Ladestationen aufzubauen. Ein US-Startup, nämlich Tesla, muss in Deutschland eine solche Infrastruktur errichten — für mich ist das beschämend. Ich bin da wirklich tiefgreifend enttäuscht. Nein, eigentlich sauer. Das ist auch nicht witzig, doch die deutschen Autobauer nehmen das überhaupt nicht ernst. Die präsentieren zwar ein elektrisches Concept Car nach dem nächsten, das dann irgendwann mal auf den Markt kommen soll, es aber nicht tut.“ Und wie sieht es in anderen Industrien aus?
Thelen: „Die Bankenindustrie hat die gleichen Probleme. Fangen wir hinten an: Im Backend gibt es eine gar nicht mehr so ganz neue Technologie, die Blockchain heißt und zu sehr geringen Kosten und auf einer sehr sicheren Basis Transaktionen aller Art abwickeln kann. Das gilt nicht nur für solche, die mit der bekanntesten Währung in dem Fall zusammenhängen, nämlich Bitcoin, sondern auch für Aktien und Wertpapiere. Die internen Kosten einer Bank können dank der Blockchain-Technologie dramatisch gesenkt werden und zugleich deren Tätigkeiten sicherer und einfacher machen. Amerikanische Banken beschäftigen sich seit Jahren mit der Blockchain, sind da groß investiert und haben riesige externe Teams auf das Thema angesetzt. Wenn man nun mit Bankvorständen in Deutschland spricht, und das tue ich häufig, so gibt es da welche, die nicht mal wissen, was eine Blockchain ist. So Leute müssten eigentlich unmittelbar entlassen werden.“ Woher kommt die Zurückhaltung in Sachen Digitalisierung bei deutschen Managern, die Sie unterstellen?
Thelen: „Deren Ziel ist es lediglich, ihr Geschäft jährlich um zwei Prozent zu optimieren. Das Problem bei diesem Ansatz aber ist, dass irgendwann komplett neue Technologien auftauchen, die ganze Wirtschaftszweige auf den Kopf stellen. Wir bauen zum Beispiel mit Lilium den ersten wirklichen Elektrojet der Welt. Der startet und landet senkrecht, ist 450 Stundenkilometer schnell und kostet nur einen Bruchteil eines normalen Flugzeugs. Eine solche neue Technologie ist dazu geeignet, die Art und Weise komplett zu verändern, wie Menschen und Güter transportiert werden. Da kommt man mit Zwei-Prozent-Optimierungen nicht mehr weiter. Wenn Paradigmenwechsel geschehen, funktionieren die alten Methoden schlagartig nicht mehr.“ Wie läuft das dann?
Thelen: „Ich weiß noch, wie ich beim Nokia-Chef saß, wenige Tage nach Vorstellung des ersten iPhone, und der Mann mir lachend ins Gesicht sagte: ‚Du glaubst doch nicht, dass Apple Telefone bauen kann!‘ Da steckt auch die Krux für alle Manager drin, die heute noch stabile Gewinne machen mit ihren Produkten: Als solcher darfst du nicht abwarten, bis ein grundlegend anderes Produkt die Regeln deines Geschäfts ändert. Wenn du wartest, bist du sehr bald Nokia. Und dann ist es vorbei. Ich sehe das leider auf sehr, sehr viele Industrien in Deutschland zukommen. Ich bin da eher alarmiert als optimistisch.“ Was sind die Gründe für diesen Zustand?
Thelen: „Ich glaube, das liegt am Mindset. Wir haben heute noch Unternehmensführer, die in erster Linie Chefs sind. Die sitzen auf Vorstandsetagen mit fünf Sekretärinnen vor der Tür, die die Wirklichkeit draußen halten. Status wird weiterhin höher bewertet als das Machen und Tun. Man hört Leute in den Hierarchieebenen darunter flüstern: ‚So was kannst du dem Vorstand nicht ins Gesicht sagen.‘ In deutschen Unternehmen wird noch viel zu sehr gekuscht. Wir müssen zu einer Mentalität kommen, die der von Jeff Bezos oder den Google-Gründern entspricht, und die lautet: ‚Sag mir, was mich morgen töten wird, dann mache ich es vorher selbst groß.‘ Warum wohl durfte Netflix auf die Cloud-Computing-Server von Amazon, obwohl das für Amazon doch die Konkurrenz im Streaming-Bereich ist? Weil Amazon lieber vom Erfolg des Konkurrenten profitiert, als ihn aus Prinzip verhindern zu wollen — weil Amazon weiß, dass es das ohnehin nicht könnte.“ http://www.businessinsider.de/...len-schwarz-fuer-deutschland-2016-12 |