Erst nach fünf Sicherheitsprüfungen druckt der Automat den Pfandbon aus
Blindenschrift soll Dosenpfand-Betrüger abschrecken
Von CHRISTOPH SCHLAUTMANN
Beim Einwegpfand wollen Handel und Industrie ihr für Oktober angekündigtes bundesweites Rücknahmesystem mit allen Mitteln vor Betrügern schützen. Der vierfache Sicherheits-Check, wie er in Skandinavien üblich ist, reicht den Deutschen nicht. Zusätzlich soll eine Kamera Blindenschrift auf der Dose lesen.
DÜSSELDORF. Itäkeskus Shopping Complex am Rande der finnischen Hauptstadt Helsinki: Eine junge Frau stopft nacheinander Getränkedosen, Glas- und Kunststoffflaschen in eine kleine runde Öffnung, die sich an der Eingangswand des Einkaufscenters befindet. Nachdem die letzte Dose in dem unsichtbaren Gerät verschwunden ist, drückt die Kundin einen grünen Knopf direkt neben dem Einfüllloch. Wenige Sekunden später quillt ihr aus einem kleinen Schlitz der Pfandbon entgegen, den sie später an einer der Einkaufskassen im Shoppingcenter verrechnen wird.
Ab Oktober könnte es ähnlich auch in Deutschland aussehen. Dann nämlich, so haben es Handel und Industrie dem Bundesumweltministerium versprochen, soll das deutschlandweit einheitliche Pfandsystem für die Einweggetränkerücknahme stehen. Und Skandinavien liefert den Deutschen dabei das Vorbild.
Am Freitag nächster Woche wird mit großer Wahrscheinlichkeit der mächtige Exekutivausschuss der Berliner Arbeitsgemeinschaft Umwelt und Verpackung (AGVU) einem Sicherheitssystem den Zuschlag erteilen, das der norwegische Automatenhersteller Tomra Systems ASA seit vielen Jahren in Skandinavien und den USA im Einsatz hat.
Bislang kommen die Rücknahmegeräte der Norweger mit insgesamt fünf Sicherheitsprüfungen aus, um herauszufinden, ob für die eingeworfene Dose oder Flasche tatsächlich Pfand zu zahlen ist. Während zunächst eine Waage das Gewicht ermittelt, identifizieren Detektoren das Material des Leerguts. Gleichzeitig fotografiert eine Digitalkamera den Getränkebehälter und gleicht das Bild mit Vorlagen bepfandeter Verpackungen ab, die der Automat in seiner Datenbank gespeichert hat.
Per Scanner liest der Automat zusätzlich den EAN-Strichcode. Die hinterlegten Daten müssen nicht nur mit den ermittelten Gewichten und Verpackungsmaterialien zusammenpassen. Mit dieser Methode lässt sich auch leicht ermitteln, wie viele Dosen oder Flaschen einer bestimmten Charge zurückgegeben werden. Steigt die Quote über 100 %, ist Gefahr in Verzug. „Wir müssen dann davon ausgehen, dass Betrüger am Werk sind“, erklärt Michael Löwe, der bei der norwegischen Firma zuständig ist für das weltweite Automatengeschäft.
Die Sorge vor Betrügereien im großen Stil ist keineswegs unberechtigt. Nach der Einführung des so genannten „Returpack-System“ in Schweden, bei dem seit 1984 Einweggetränkeverpackungen mit Pfand belegt sind, war immer wieder pfandfreies Leergut aus dem Ausland in den Automaten aufgetaucht. „Vor allem aus Polen wurden leere Dosen in ganzen Lkw-Ladungen herbei geschafft“, erinnert sich Tomra-Manager Löwe.
Den kriminellen Müllimporteuren hatten es die Schweden zunächst leicht gemacht. Weil niemand mit einem hohen Betrugspotenzial rechnete, genügte den Rücknahmeautomaten für die Pfandauszahlung eine Überprüfung des Verpackungsmaterials. Identifizierte der Detektor Aluminium, klingelte die Kasse.
Solche Fehler will man hier zu Lande vermeiden – zumal Deutschland deutlich mehr Nachbarstaaten mit Einwegleergut ohne Pfand besitzt als Schweden. Mit 25 Cent pro Dose ist der Pfandbetrag hier zudem wesentlich höher als in Skandinavien. Weil Betrügern so ein lukrativeres Geschäft winkt als anderswo, fordern Handel und Industrie für das im Oktober startende deutsche System einen fünften Sicherheits- Check. So sollen die Getränkeetiketten eine nur unter UV-Licht lesbare Farbmarkierung erhalten, Dosen eine erhabene Prägung – möglicherweise in Form der Braille-Blindenschrift. Diese Echtheitszertifikate muss die elektronische Kamera künftig zusätzlich im Rücknahmegerät erkennen, bevor der Automat den Pfandbon ausdruckt – und den Getränkebehälter zwecks Entwertung zerquetscht.
Die vier traditionellen Erkennungsarten werden von allen konkurrierenden Automatenherstellern beherrscht, nur die fünfte Sicherheitsprüfung gilt als Domäne von Tomra. Doch die Norweger zeigen sich kooperativ: „Wir werden den übrigen Herstellern entweder die Technik auf Lizenzbasis zur Verfügung stellen oder in ihrem Auftrag die Zusatzgeräte selbst produzieren“, heißt es in der Deutschland- Niederlassung im rheinischen Hilden.
Dass auch Wettbewerber wie Trautwein, Prokent oder MRV vom Geschäft mit dem Einwegpfand profitieren, stört die Norweger wenig. Im Gegenteil: Schließlich sollen die Automaten bis Oktober möglichst flächendeckend über Deutschland verteilt sein. Wäre die Getränkebranche dabei allein auf Tomra angewiesen, könnte es bei dem errechneten Bedarf von 35 000 bis 40 000 Rücknahmegeräten zu dramatischen Engpässen kommen. Bei der Auswahl der Technik hätte sich dies vergangene Woche womöglich für Handel und Industrie als K.o.-Kriterium erwiesen.
Billig wird es für die Supermärkte trotzdem nicht: Die Automaten sind erst ab 15 000 Euro zu haben und benötigen mindestens anderthalb Meter Ladenfläche. |