18 Monate auf Bewährung für Kremendahl gefordert Staatsanwaltschaft sieht suspendierten Wuppertaler Oberbürgermeister der Vorteilsannahme überführt – SPD drohen weitere Sanktionen
Wuppertal - In dem Korruptionsprozess gegen den suspendierten Oberbürgermeister von Wuppertal, Hans Kremendahl, droht sowohl den Angeklagten als auch der SPD Ungemach. Vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Wuppertal forderte die Anklage gestern für Kremendahl (SPD) eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Zudem soll er 25 000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Dem mitangeklagten Bauunternehmer Uwe Clees, der demnach der Wuppertaler SPD im Jahr 1999 500 000 Mark als Einflussspende hatte zukommen lassen, drohen wegen Vorteilsgewährung ein Jahr und acht Monate auf Bewährung. Ihm wird außerdem noch Beihilfe zum Betrug des örtlichen Unterbezirksgeschäftsführers zu Lasten des Deutschen Bundestages vorgeworfen. Clees soll zudem 250 000 Euro zahlen. Ein mitangeklagter Clees-Mitarbeiter soll zu 90 Tagessätzen à 150 Euro verurteilt werden.
Die Staatsanwälte bezeichneten in ihrem über zweistündigen Plädoyer Kremendahl als der Vorteilsannahme nach Paragraf 331 StGB schuldig. Kremendahl habe von der Spende von Clees, die gestückelt und zum Teil unter falschem Namen auf ein SPD-Konto eingezahlt wurde, gewusst. Staatsanwalt Wolf Baumert sprach von „Scheinspendern“. Im Vorfeld des Kommunalwahlkampfs habe Clees für Kremendahls „persönlichen Wahlkampf“ gespendet. Neben dem Geldbetrag sei von Clees zudem noch ein leitender Mitarbeiter für die Kampagne zur Verfügung gestellt worden. Kremendahl habe vorsätzlich gehandelt: Sowohl die Höhe der Zuwendungen an seine Partei als auch der ausdrücklich auf seine Person bezogene Spendenzweck seien ihm bekannt gewesen, Warnungen eines seiner Rathausmitarbeiter habe er in den Wind geschlagen. In einer Kaskade von neun Hilfsbeweisanträgen versuchte die Staatsanwaltschaft zudem zu belegen, dass Kremendahl sich in zahlreichen anderen Fragen verwaltungsintern massiv für Clees einsetzte. In der Stadtverwaltung hatte Clees demnach eine „Sonderstellung“.
Kremendahls Verteidiger, der Freispruch beantragte, bestritt jede Kenntnis seines Mandanten von den näheren Umständen der Spende. Bei der entscheidenden Besprechung, der so genannten „Rotweinrunde“ in Clees’ Privathaus, sei er so frühzeitig gegangen, dass er Details nicht mitbekommen habe. Zudem sei die Spende auch nicht für einen personenbezogenen Wahlkampf gedacht gewesen. Insbesondere sei eine Einflussnahme Clees’ auf das Handeln Kremendahls nicht nachzuweisen.
Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Vorgänge um ein „Factory Outlet Center“, ein besonders umstrittenes Clees-Projekt, bezeichnete Anwalt Sven Thomas als „Chimäre“. Sein Mandant habe sich im entscheidenden Zeitraum nicht zu diesem Projekt verhalten. Kritisch könnten die staatsanwaltschaftlichen Ausführungen auch für die Bundes-SPD werden.
Die Anklage sprach von einem „Betrug, durchgeführt in Kette bis in die obere Spitze der SPD“ zu Lasten des Deutschen Bundestages. Dabei bezog sie sich auf zwei Sachverhalte, die den Wuppertaler Fall zu einem bundespolitischen Ereignis werden lassen. Demnach hat die Bundes-SPD eine „Einflussspende“ angenommen, sie jedoch nicht an den Bundestagspräsidenten weitergeleitet. Bisher hat Wolfgang Thierse (SPD) die Partei jedoch nur wegen der Veröffentlichung falscher Spendernamen, also Verstoßes gegen die Publizitätspflicht, nicht jedoch wegen Annahme einer widerrechtlichen Spende sanktioniert. Dass die SPD-Bundesschatzmeisterei die Wuppertaler Vorgänge ein Jahr später intensiv prüfte und sich für die Annahme der Spende entschied, beeindruckte Staatsanwalt Jackson-Klönther nicht: Wer den damaligen Prüfbericht des SPD-Revisors Feldmann gelesen habe, „weiß, dass man die Spende nicht habe annehmen dürfen“.
Auch die Veröffentlichung falscher Spendernamen im Rechenschaftsbericht könnte ein Nachspiel für die Bundesschatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier haben. Gegen sie ermitteln auf Grund der Wuppertaler Vorgänge inzwischen Berliner Staatsanwälte. Das Verfahren gegen ihren früheren Unterbezirksgeschäftsführer, des Betrugs zu Lasten des Deutschen Bundestages und der Untreue gegen die Partei beschuldigt, wurde gestern gegen Zahlung von 5500 Euro eingestellt.
Die Wuppertaler Staatsanwälte wandten sich auch dagegen, Parteiengesetz gegen Strafgesetz auszuspielen. Kremendahls Verteidigung hatte angeführt, dass es sich um eine übliche Parteispende gehandelt habe. Die Anklage betonte, die 500 000 Mark seien keine normale Spende zur politischen Willensbildung gewesen, sondern eine gezielte Einflussspende. „Ließen wir dies zu, wäre dieses Land eine Bananenrepublik“, so ein Staatsanwalt. Ungemach droht der Bundes-SPD vielleicht auch noch durch ein weiteres Detail: Clees hat, so die Staatsanwaltschaft, nicht nur Bargeld, sondern auch die Arbeitskraft seines Mitarbeiters B. an die SPD gespendet. Der genaue Umfang dieser Hilfe ist bis heute nicht bekannt. Sicher ist nur, dass die SPD diesen geldwerten Vorteil in ihrem Rechenschaftsbericht verschwiegen hat.
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