denn Du bist wahrscheinlich Juso (Alter unter 20 ?):
Niels Annen (Juso-Chef) im ZDF-Interview [26.09.03] "Nicht besonders gerecht" Niels Annen im Interview bei heute.t-online des ZDF Der Juso-Bundesvorsitzende Niels Annen nimmt im Gespräch mit ZDF-heute.t-online zur aktuellen Bundespolitik Stellung und spricht sich für die Bürgerversicherung, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und die Einführung einer Ausbildungsplatzumlage aus.
ZDF: Wie erklären Sie sich, dass bei der Bayern-Wahl nicht nur die typische SPD-Klientel der Wahlurne fern geblieben ist, sondern vor allem auch junge Menschen zur CSU übergelaufen sind?
Niels Annen: Es sind alle Wählergruppen mehrheitlich zur CSU übergelaufen. Das, was uns besorgt macht, ist, dass die SPD insgesamt - bei den Jungen, bei den Alten und bei denen, die sich im Arbeitsprozess befinden - offensichtlich die soziale Kompetenz eingebüßt hat. Es gibt keine spezifische bayerische Erklärung für die Wahlniederlage, sondern war ist eine Abstrafung der Bundespolitik.
ZDF: Was ist denn bundespolitisch falsch gelaufen?
Niels Annen: Offensichtlich haben gerade die jungen Wählerinnen und Wähler der SPD nicht zugetraut, den radikalen Wandel in der Arbeitswelt so zu gestalten, dass es gerecht zugeht und für die Jungen Zukunftschancen eröffnet werden. Da ist viel Enttäuschung mit im Spiel. Wir müssen jetzt deutlich machen, dass das, was die SPD zur Zeit tut, nicht mit dem FDP-Programm verwechselt werden darf. Die Leute haben inzwischen den Eindruck, Kürzungen und Privatisierungen von Lebensrisiken ist das, was wir wollen. Dass die Agenda 2010 allenfalls eine Zwischenetappe sein kann, wird nicht deutlich.
ZDF: Partei und Basis diskutieren über die Agenda 2010. Ist das denn noch sozialdemokratische Politik?
Niels Annen: Wir Jusos halten die Agenda 2010 für sozial unausgewogen. Der Bundskanzler hat im März bei seiner Rede im Bundestag gesagt, alle müssen ihren Beitrag leisten. Es hat damals auch niemand widersprochen. Inzwischen sind viele Gürtel enger geschnallt worden. Aber es waren nur die Gürtel der kleinen Leute. Das Vertrauen daran, dass auch wirklich alle beteiligt werden, das ist erschüttert worden. Das ist eine Politik, die nicht besonders gerecht ist und unsere Anhänger zu Recht frustriert hat. Zum Beispiel werden bei der Gesundheitsreform lediglich 13 Prozent der Einsparungen von den Leistungsträgern erbracht, der Rest muss von den Versicherten bezahlt werden. Dann darf man schon fragen, was daran sozialdemokratisch ist.
ZDF: Sie fordern Nachbesserungen. Wo sehen Sie konkret Änderungsbedarf?
Niels Annen: Wir haben die Agenda 2010 kritisiert und ich habe da überhaupt nichts zurückzunehmen. Aber es gibt eine Entscheidung der Partei. Die ist gegen den Willen der Jusos ausgefallen, aber wir akzeptieren diese Entscheidung. Die Agenda-Diskussion kann man jetzt nicht noch mal neu aufrollen. Aber mit der Agenda 2010 ist jetzt nicht die Fahnenstange der sozialdemokratischen Politik erreicht. Und es bedeutet ja nicht, dass wir nicht über weitergehende Konzepte sprechen können.
ZDF: Wie sehen solche Konzepte aus?
Niels Annen: Wir fordern zum Beispiel, dass wir über eine wirkliche Reform des Gesundheitswesens weiter nachdenken müssen, in Richtung einer Bürgerversicherung, in die alle miteinbezogen werden, die in diesem Land Geld verdienen. Das bedeutet, dass wir auch im Sinne der Generationengerechtigkeit darüber nachdenken müssen, die Erbschaftssteuer zu erhöhen. Vor allem muss die SPD das, was sie beschlossen hat, auch komplett umsetzen. Der Bundeskanzler hat damals mit der Agenda 2010 auch gesagt, wenn es die Wirtschaft nicht schafft, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, dass wir das dann über eine Ausbildungsplatzumlage gewährleisten werden. Und ich verstehe nicht, dass der Wirtschaftsminister erst heute wieder unwidersprochen das Gegenteil behaupten kann.
ZDF: Die Abstimmung über die Gesundheitsreform ist eine Art Probelauf für den Reformmarathon der Regierung. Steht die Partei hinter dem Kompromiss?
Niels Annen: Ich halte diese Gesundheitsreform insgesamt für sozial nicht ausgewogen und auch nicht für nachhaltig. Wir werden uns auch weiterhin mit diesem Thema befassen müssen, weil die Strukturreformen ausgeklammert wurden. Ich kann die Kritiker sehr gut verstehen, und zähle mich ja selber mit zu ihnen. Dennoch muss die Frage nach den kurzfristigen politischen Alternativen gestellt werden. Die Alternativen haben sich diese Woche zu Wort gemeldet. Und die heißen Friedrich Merz und Guido Westerwelle. Meine Erwartung ist, dass die Kritik aus der Partei ernst genommen und aufgegriffen wird.
ZDF: Wünschen Sie sich denn einen Denkzettel für Schröders Reformpolitik bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform?
Niels Annen: Ich wünsche mir, dass wir in dieser Regierung bald wieder sozial gerechte Politik gestalten können. Aber das erreichen wir nicht, indem jetzt der Regierung eine eigene Mehrheit verweigert wird. Meiner Meinung nach müssen wir die politische Debatte da führen, wo die Partei sie zu führen hat, nämlich auf Parteitagen. Und das haben wir gemacht. Wir Jusos werden uns unabhängig von dem Abstimmungsergebnis dafür einsetzen, dass unser Gesundheitssystem sich in Richtung einer Bürgerversicherung weiterentwickeln wird. Ich bin mir ganz sicher, dass wir dafür eine breite Mehrheit auf dem Parteitag in Bochum im November finden werden.
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